Foto: Salzgeber
Fabian Stumm/ Sad Jokes
Seine Karriere begann Fabian Stumm, inspiriert von seiner Begeisterung für „Carrie“-Star Sissy Spacek, zunächst mit einer Ausbildung am Lee-Strasberg-Institut in New York und Schauspiel-Jobs an diversen Theatern sowie Kino- und TV-Produktionen wie „Die Fahnderin“ oder „Treppe aufwärts“. Für echtes Aufsehen sorgte allerdings erst 2023 sein Regiedebüt „Knochen und Namen“, in dem er auch die Hauptrolle spielte. Ebenfalls in seinem neuen Film „Sad Jokes“, der bereits zur Weltpremiere beim Filmfest München mit Preisen bedacht wurde und nun am 12. September in die deutschen Kinos kommt, ist er wieder Regisseur, Drehbuchautor und Schauspieler in einer Person. Wir trafen den schwulen Wahlberliner zum Interview.
Fabian, im Zentrum von „Sad Jokes“ steht ein Regisseur, der gerade seinen ersten Film ins Kino bringt. Da standen erkennbar eigene Erfahrungen Pate, die du vergangenes Jahr mit deinem Debüt „Knochen und Namen“ gemacht hast, oder? Genau! Einen Film zu promoten, auf Festivals unterwegs zu sein und immer wieder über meine Arbeit, aber eben auch mich selbst zu reden, das war sehr neu, aufregend und auch einen Hauch destabilisierend. Und immer, wenn ich merke, dass ich etwas neu kennenlernen muss, brauche ich parallel etwas, das mir Sicherheit gibt, um das auszubalancieren. Das ist für mich das Schreiben geworden. Trotzdem habe ich nicht einfach eins zu eins nacherzählt, was mir passiert ist. „Sad Jokes“ ist nicht autobiografisch, auch wenn da ein paar Fenster in mein eigenes Leben aufgehen.
Gib doch mal ein Beispiel für eine reale Erfahrung, die du für den Film fiktionalisiert hast! Tatsächlich habe ich mir letztes Jahr zwischen zwei Festivals den Finger gebrochen. Nicht wie Joseph im Film in einem Automaten, sondern beim Spielen mit meinem Hund. Aber die Situation war so absurd, wie ich zwischen lauter Anfragen, Reiseplanungen und Ähnlichem in Berlin im Krankenhaus lag – und plötzlich, für mich ganz ungewohnt, richtig Angst vor dieser Operation bekam. Anschließend rannte ich wochenlang mit diesem dicken Verband herum, und irgendwie fand ich das alles so speziell und lustig und bekloppt, dass ich das aufschreiben musste. Dann ging es relativ flott, dass daraus „Sad Jokes“ wurde.
Die Fenster zu deinem Leben machst du nicht nur in den Figuren auf, sondern auch hinter der Kamera, indem du etwa mit Familie und Freund*innen arbeitest. Wonach entscheidest du, wie viel du wirklich von dir zeigen willst und wie nah du die Fiktion an deinen Alltag heranlässt – oder andersherum? Da ist viel Bauchgefühl im Spiel. Ich spiele leider kein Instrument, aber stelle mir das Schreiben und Bauen einer Filmerzählung so ein bisschen ähnlich vor wie Komponieren. Ich tariere also aus, wo irgendetwas zu viel oder zu wenig ist, bis sich eine gewisse Harmonie einstellt. Am meisten Spaß macht es mir, wenn ich irgendein Element in die Geschichte einbaue, bei dem ich dann erst mit der Zeit merke, dass das eine Referenz an das Leben zum Beispiel meiner Mutter, meines Vaters oder einer guten Freundin ist. Wenn die Sache so eine Eigendynamik bekommt, genieße ich das am meisten. Selbst im fertigen Film fallen mir da manchmal noch Sachen auf, die ich rational gar nicht bedacht, sondern offenbar nur emotional gespürt hatte.
Willst du diesen sehr persönlichen Ansatz auch bei kommenden Filmen beibehalten? Nicht ausschließlich. Ich freue mich auch darauf, ganz andere Stoffe zu schreiben. Für die ersten Filme war es für mich einfach klug und hilfreich zu sagen: „Write what you know.“ Ich habe Geschichten geschrieben, die nah dran sind an meinem Leben oder dem meiner Lieben, weil ich mir auch nicht anmaßen wollte, etwas zu schreiben, von dem ich nichts verstehe. Aber der kommende Film, in dem u. a. wieder Marie-Lou Sellem eine der Hauptrollen spielen wird, handelt zum Beispiel von einem lesbischen Paar Ende fünfzig. Das hat schon deutlich weniger mit mir zu tun.
Sellem ist heterosexuell, in „Sad Jokes“ spielt auch Jonas Dassler eine queere Rolle. Sind für dich, der du auch selbst als Schauspieler arbeitest, die zuletzt geführten Debatten um das authentische Besetzen queerer Figuren inzwischen müßig? Müßig nicht, aber meinem Gefühl nach sind wir da auf einem ganz guten Weg. Wenn man es hinkriegen würde, grundsätzlich mehr diverse Rolle zu entwickeln, damit es wirklich eine größere Auswahl gibt, wäre ich als Filmemacher fein damit, wenn jede*r alles spielen darf. Ich als Schauspieler möchte ja schließlich auch straighte genauso wie queere Rollen spielen dürfen. Aber das ist bis dato eben nicht die Norm gewesen, weswegen die Debatte höchst relevant wurde und immer noch ist. In meinem Kino, so wie ich es umsetzen möchte, wünsche ich mir aber natürlich, dass so etwas kein Thema ist.
Also bist du da auch beim Casting offen für alles? Beim Schreiben und Besetzen restringiere ich mich kein bisschen. Was zum Beispiel Marie-Lou Sellem angeht: Die ist seit „Knochen und Namen“ eine sehr enge Freundin geworden und so nah mit mir, meinem Leben und meiner Realität als queerem Menschen verbunden, dass ich sie absolut als Ally empfinde. Weswegen ich dann auch null Skrupel habe, sie eine queere Rolle spielen zu lassen.
Dich selbst hast du ja in deinen beiden Filmen ohnehin authentisch queer besetzt …Bislang! Im nächsten spiele ich auch wieder mit – und diesmal ist die Figur hetero. Das hat sich instinktiv ergeben, aber fand ich dann irgendwie auch konsequent und wichtig. Wobei es spannend ist, dass ich nach all den Jahren als Schauspieler jetzt durch die eigenen Filme eine neue Sichtbarkeit bekomme, die ich vorher so nicht hatte. Also ausgerechnet mit zwei so eindeutig queeren Stoffen und Rollen. Was ja eigentlich ein interessanter Beweis dafür ist, wie wichtig es sein kann, sich auf sich selbst zurückzubesinnen und ganz bei sich zu bleiben.
Hatte denn der Sprung hinter die Kamera auch damit zu tun, dass du frustriert warst über die mangelnde Sichtbarkeit als Schauspieler? Es war nicht so, dass ich plötzlich die Idee hatte, mir meine Rollen einfach selbst zu schreiben. Als Kind wollte ich entweder Maler oder Schriftsteller werden, und ich habe immer irgendwie nebenbei geschrieben, aber irgendwann kam eben die Schauspielerei dazwischen. Lange war mir das, was ich geschrieben habe, außerdem zu intim, und ich wollte nicht wahrgenommen werden als jemand, der sich selbst die Hauptrollen schreibt, weil sie ihm sonst niemand gibt. Dafür bedeutet mir das Schreiben zu viel.
Was hat sich dann geändert? In der Corona-Zeit brachen plötzlich Theater- und andere Projekte weg und ich merkte immer mehr, was ich für einen Hunger nach der Auseinandersetzung mit spannenden Geschichten und Figuren habe. Da gab mir das Schreiben plötzlich eine kleine Heimat, und irgendwann hatte ich eine Idee für einen Kurzfilm für meine gute Freundin Anneke Kim Sarnau. Den haben wir dann auch wirklich entwickelt und umgesetzt – und schon am ersten Drehtag merkte ich nach ein paar Stunden, dass da gerade etwas passiert, was ich unbedingt weitermachen will. Ich liebe es, Schauspieler zu sein, und will das auch weitermachen. Aber die Art und Weise, wie ich mich als Filmemacher ausdrücken kann, ist natürlich noch viel reichhaltiger. Da führt jetzt kein Weg mehr zurück.
*Interview: Patrick Heidmann
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