Foto: Niklas van Schwarzdorn
HART 2018
Am Samstag feiert das Team vom Kunst-LGBTIQ*-Magazin HART in Berlin seine erste gedruckte Ausgabe. Wir chatteten mit dem Chefredakteur.
Wie viel Mut braucht man, um 2018 mit einem Magazin zu starten?
Das ist eine berechtigte Frage in Zeiten, in denen alle großen Magazine und Zeitschriften Rückläufe in ihren Print-Verkäufen feststellen. Und natürlich wussten und wissen wir, dass eine aussagekräftige und interessante Instagram-Seite essenziell ist, um unsere Idee an die Öffentlichkeit zu bringen. Trotzdem war es keine Frage von Mut, auf das Medium „Magazin“ zu setzen. Wir waren ganz einfach sehr von unseren Ideen überzeugt und begeistert für ein Magazin, das man in Zeiten von Internet und Social Media noch in seinen Händen halten und durchblättern kann. Außerdem hoffen wir, dass wir ein Publikum erreichen, das Wert auf ein qualitativ hochwertiges Produkt legt. Damit meinen wir nicht nur die inhaltliche, sondern auch die äußerliche Qualität. Wir wollten von Anfang an dickes Papier und eine Ausstrahlung, die aus der Masse heraussticht. Ein Magazin, das zeitlos ist und man sich gerne auch ins Regal stellt.
Worauf konzentriert ihr euch bei HART?
Der Untertitel unseres Magazins ist „magazine for post-fetishism and queer culture“ und zu erklären, was das für uns bedeutet, dauert ein bisschen länger. Wir beide, Niklas und Leon, leben das, was wir in unserem Magazin erzählen wollen. Es geht um Berlins queere Subkultur, um Partys und Sex, Freiheit und Sicherheit. Es ist voll mit Drag, queerer Kunst und einem analytischen Blick auf unsere Zeit. Wenn wir sagen, dass wir uns mit Queer Culture beschäftigen, dann reden wir über etwas, was nicht mit Nationalitäten und geografischen Grenzen verbunden, sondern im Grunde eine Geisteshaltung ist. Natürlich kommt das Konzept von Queerness aus der LGBTIQ*-Community, aber interessant ist, dass es ein Projekt ist, dem sich jeder anschließen kann. Denn Queerness hat eine wahnsinnig interessante theoretische Grundlage: Ziel ist es, sexuelle Identität, Geschlechtsidentität und Heterosexualität als kulturelle Phänomene sichtbar und kritisierbar zu machen. Drag zu machen oder seine sexuelle Freiheit zu erforschen, sind Dinge, in denen ein sehr politisches Potenzial steckt – und dieses Potenzial wollen wir zeigen. Ein weiteres Thema ist für uns Fetisch. Sexueller Fetischismus ist historisch sehr mit queerer Identität verbunden und wichtig für unsere Beschäftigung mit Queer Culture. Aber auch heute ist es eine spannende Möglichkeit, seine sexuelle Freiheit und seinen Körper zu erforschen, und etwas, das hier in Berlin sehr präsent ist. Von Fast-Fashion-Brands über Haute-Couture-Shows bis zu den kleinen Berliner Designern, mit denen wir zusammengearbeitet haben, gibt es aktuell in der Modewelt ein großes Interesse an Ästhetiken des Fetischs. Ein Interesse, was vielleicht eben damit verbunden ist, dass es eine Welt ist, in der mit Machtstrukturen und Regeln von Sittlichkeit gespielt wird. Der Name „post-fetishism“ hat erst mal keine offizielle Definition, und deshalb war es interessant, ihn für uns zu benutzen und ihn für einen Zustand zu verwenden, der einerseits mit der Kommerzialisierung des Fetischs zu tun hat und andererseits mit einem neuen Umgang mit seinen Ästhetiken.
Was willst du mit HART bewegen, verändern in der Szene?
Es geht bei HART weniger darum, die Szene zu verändern, sondern sie vielmehr so zu zeigen, wie sie ist. Aber wer weiß, vielleicht können wir mit HART dazu beitragen, dass diese sich ihrer Wichtigkeit bewusster wird. Eine Herzensangelegenheit von uns ist es eigentlich, Mitglieder der LGBTIQ*-Bewegung für Leute sichtbar zu machen, die diese nicht erfahren können. Denn was wir gelernt haben und was uns inspiriert hat, soll nicht versteckt bleiben. Ich komme selber aus dem Ländlichen in Österreich und würde gerne diesen Leuten zeigen, was ich hier lernen konnte. Denn um es noch mal zu sagen, die queere Idee ist für alle da.
Mit welchen Künstlern arbeitest du besonders gerne zusammen?
Wir arbeiten auf jeden Fall immer gerne mit Leuten, die aktiv an der Szene beteiligt sind. Das können Dragqueens sein, kleine Berliner Designer oder internationale Größen wie Mister B. Eine Freundin hat mal gesagt, dass HART wie ein Katalog von queeren Künstlern und Kreativen in Berlin funktioniert. Was uns darüber hinaus besonders interessiert, ist, über die Grenzen Berlins hinwegzuschauen. Das ist wichtig, denn diese Stadt kann eine ziemliche Blase sein, in der man sich an der Speerspitze von Toleranz und Akzeptanz befindet und oft vergisst, dass das weit weg vom Durchschnitt liegt. In dieser Ausgabe sind wir zum Beispiel nach Riga geflogen und haben die Dragqueens im einzigen Schwulenklub Lettlands porträtiert. Zu schnell vergisst man, dass das queere Leben in vielen anderen Ländern oft gefährlich und teilweise unmöglich ist. Es ist unglaublich inspirierend, wie diese Leute an etwas arbeiten, was für uns fast schon selbstverständlich ist.
Was plant ihr für den Sommer?
Für den Sommer ist einiges geplant, denn wir arbeiten schon an der nächsten Ausgabe! Aber im Gegensatz zur ersten, an der noch zum größten Teil Freunde beteiligt waren, haben wir jetzt schon tolle Einreichungen von Künstlern weltweit. Die Menge an Leuten, die ihren Teil zu HART beitragen wollen, ist überwältigend, und damit wird HART zu einer internationalen Plattform für verschiedenste queere Kreative.
*Interview: Michael Rädel
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