Foto: Daniel Smith Coleman
Mit leichten Jetlag nach einem Urlaub in Island ist Breymer, aka Sarah Walk, wieder zurück in New York und zeigt sich im Interview genauso offen, emphatisch und ehrlich wie auf dem neuen Album „When I Get Through“, auf dem der Weg nachgezeichnet wird, der bis zur geschlechtsumwandelnden Operation führte.
Doch stammt wirklich alles direkt aus dem Leben oder gibt es Anteile, die eher Geschichtenerzählen sind? Anfühlen tut es sich zumindest wie ein poetisches Tagebuch, das in elegante, entschleunigte und progressive Indieklänge gegossen wurde. „Ich habe die Dinge damals in Echtzeit aufgearbeitet, habe versucht, alles direkt einzufangen. Einige Lieder kommen mehr aus einem Blickwinkel, der alles von außen betrachtet, aber je tiefer es in das Album geht, desto näher kommt es an mich ran.“ Was immer mutig ist, denn bei solch einer Art der Offenheit werden die Leute nicht nur über die Musik urteilen, sondern letztlich direkt über den Menschen, seine Gedanken, seine Entscheidungen, seine Gefühle. „Absolut. Aber auf eine gewisse Art weiß ich nur, wie man Musik schreibt, die so ehrlich ist. Das ist es, was an mir interessant sein kann – das Ehrliche.“ Schon allein, weil hier eine Erfahrung wiedergegeben wird, die speziell und außergewöhnlich ist. „Als ich es schrieb, war es fast wie ein Tagebuch. Ich dachte nicht einmal daran, dass es veröffentlicht wird. Erst als es fertig war, merkte ich, dass ich da etwas habe. Und ja, es ist sehr persönlich – vor allem, wenn ich es live spielen werde. Aber darum hat es auch das Potenzial, Eindruck zu hinterlassen, vor allem in der Queer- und Transcommunity.“ Das Album funktioniert dabei wie ein Roman, jeder der elf Tracks als ein Kapitel – und es endet in einer Art Cliffhänger, nämlich dem Moment, in dem die Narkose zu wirken beginnt. Zwar sind alle Entscheidungen gefallen, alle Gespräche sind geführt und Gedanken gedacht, aber doch bleibt das Ende in der Schwebe. „Ich wollte den Fokus auf den Prozess legen, nicht auf das Ergebnis. Der Weg war das Wichtige, diese Reise und die Messiness all dessen. Es wäre zu einfach gewesen, einen zwölften Song zu haben, in dem es heißt, dass ich nach der OP glücklich bin und alles gut ist. Das Leben hat kein so simples Happy End … Aber was mein Körpergefühl angeht, das ist jetzt sehr viel besser. Ich fühle mich frei.“ Interessanterweise gab es bei einigen Liedern Co-Autor*innen, was man bei der Intimität der Lieder kaum glauben möchte. „Die, bei denen ich Hilfe hatte, waren die Lieder aus der Zeit, bevor ich mich entschloss, die OP zu machen“, erklärt Breymer dann auch. „Ich fühlte mich noch unsicher, wo ich bin. Ich spürte nur, bin an einer Kreuzung. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich also noch gar nicht, dass ich bereits über die kommende Operation schreibe.“ Erst als dieser Entschluss wuchs und sich verfestigte, entstand die zweite Hälfte des Albums, „die ich dann ganz allein schrieb. Ich musste mich ganz hineinwerfen.“ Und obwohl so die persönlichsten Songs entstanden sind, blitzt auch immer wieder durch, dass selbst so eine einzigartige Erfahrung etwas Universelles darstellen kann, wenn es zum Beispiel heißt „I wanna be somebody new/ I wanna be somebody.“ Hat Breyer absichtlich nach diesen Blickwinkeln gesucht? „Ich war nicht so clever, während ich das schrieb“, muss Breyer lachen, „aber ich weiß: Wenn du deine eigene Story und deine eigene Wahrheit erzählst, werden die ausgelösten Gefühle weit über die Intention hinaus gehen.“ *Christian K. L. Fischer breymer.com
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