Es dürfte schwerfallen, Christopher Lund Nissen, der sich als Sänger einfach Christopher nennt, nicht zu mögen. Souverän eröffnet er beim Video-Interview das Gespräch, während er sein Auto einparkt. Der Däne ist wegen seines Umzugs gerade ziemlich im Stress, zudem erwartet seine Frau, das Model Cecilie Haugaard, in wenigen Wochen ihr erstes gemeinsames Kind.
Doch der 29-Jährige verliert trotzdem nicht die Fassung, das ist wohl seiner skandinavischen Gelassenheit geschuldet. Hochkonzentriert redet er über sein neues Album „My Blood“, dessen Namen er mit Bedacht gewählt hat. Nach den beiden Vorgänger-Alben „Closer“ und „Under the Surface“ machte es für ihn einfach Sinn, seine Fans noch näher an sich heranzulassen: „Meine Stücke sind jetzt persönlicher als jemals zuvor.“ Den Titelsong hat er zum Beispiel seinem Bruder gewidmet, um ihm zu zeigen, dass Wasser dicker ist als Blut: „Was auch passiert, ich werde immer für meinen Bruder da sein“, verspricht Christopher. „Für ihn bin ich überall lediglich einen Telefonanruf entfernt.“
Solche Aussagen verpackt Christopher in extrem eingängigen Pop mit elektronischen Akzenten.
Die Medien haben ihm längst den Stempel „dänischer Justin Biber“ aufgedrückt, ebenso suggeriert seine äußere Erscheinung – blond, schlank, gutaussehend – eine Verwandtschaft mit dem US-Teenie-Star. Wie Biber hat auch Christopher überwiegend weibliche Fans, zumindest in Dänemark: „In meiner Heimat kommen zu 80 Prozent Mädchen zu meinen Auftritten.“ In Peking dagegen vergöttert ihn die Gay-Community: „Als ich dort ein Konzert gab, war die Hälfte des Publikums männlich. Meine chinesische Promoterin erklärte mir daraufhin, ich sei bei Schwulen halt beliebt.“ Solche Momente genießt der gebürtige Kopenhagener, klar. Trotzdem hat er nie den Bezug zur Realität verloren. Er beobachtet kritisch, was um ihn herum passiert. Mit der Ballade „Aiming“, die er teilweise im Falsett singt, plädiert er dafür, sich höhere Ziele zu stecken. Es nervt ihn, wenn sich die Menschen vom scheinbar perfekten Leben anderer auf Instagram blenden lassen. „Es stimmt nicht, dass das Gras auf der anderen Seite immer grüner ist“, ereifert er sich. „Gras grünt dort, wo man es wässert.“ Was er damit meint: „Jeder sollte sich selbst im Spiegel anschauen und sich fragen, wie er die Welt zu einem besseren Ort machen kann.“ Als Botschafter für die World Child Cancer Foundation geht Christopher mit gutem Beispiel voran. Mit dem Roten Kreuz reiste er nach Syrien, um sich ein Bild von der Situation vor Ort zu machen. „Abgesehen davon versuche ich, ein guter Sohn, Freund und Ehemann zu sein. Ich will positive Energie ausstrahlen.“
Auch der Klimawandel liegt ihm sehr am Herzen: „Bereits in der neunten Klasse habe ich eine längere Hausarbeit über die globale Erwärmung geschrieben.“ Doch der Klimaschutz sollte nicht sein einziges Steckenpferd bleiben. Als Christopfer zwölf war, schenkte ihm seine Großmutter eine Gitarre. Wie ein Besessener spielte er von da an das Instrument bei sich zu Hause in einem Kopenhagener Vorort, wo er sich vor Kurzem ein eigenes Haus gekauft hat. Den Talentwettbewerb in seiner Schule gewann er gleich dreimal in Folge. Mit 15 begann er, eigene Songs zu schreiben. Mit 17 bekam er seinen ersten Plattenvertrag: „Das war für mich ein Paradigmenwechsel. Zum ersten Mal glaubte ich ernsthaft daran, mit meiner großen Leidenschaft Musik wirklich Geld verdienen zu können.“ *Dagmar Leischow