Foto: Yann Orhan
ZAZ
Noch eine Zigarette? Dafür reicht die Zeit nicht. ZAZ muss ein Interview nach dem nächsten geben. Also lässt sich die Sängerin – schmal, in Jeans und T-Shirt, kaum geschminkt, die Haare leicht zerzaust, fernab von Pariser Eleganz – wieder auf ihren Sessel im Konferenzraum ihrer Berliner Plattenfirma plumpsen und verzichtet schweren Herzens aufs Rauchen.
Eigentlich wollte sie es sich abgewöhnen – hat aber nicht geklappt. Genauso wenig wie der konsequente Verzicht auf Alkohol. Nach einem Konzert gönnt sich die Französin gern einen guten Rotwein zur Entspannung.
Sie ist halt ein Genussmensch. Das hilft ihr, ihr ungeheures Arbeitspensum zu kompensieren. Rund sieben Jahre lang hat sich die 38-Jährige keine richtig lange Pause zugestanden. Freiwillig und mit Elan konzentrierte sie sich auf ihre Karriere. Wenn sie nicht gerade tourte, war sie im Studio. In Paris, Brüssel oder Montreal. Ihr neues Album „Effet Miroir“ nahm sie in verschiedenen Ländern auf. Die Musik ist heterogen, aber in sich stimmig. Die Ballade „Laponie“ badet in Melancholie. Die Inspirationsquelle für „Ma valse“ war das Chanson. „Qué vendrá“ verschreibt sich Latino-Rhythmen. Mal singt ZAZ da auf Französisch, mal auf Spanisch: „Dieser Song handelt davon, alles so zu akzeptieren, wie es kommt.“
Foto: Yann Orhan
ZAZ
Für viele Menschen ist das ein Ding der Unmöglichkeit. Auch ZAZ bleibt nicht immer nur gelassen – egal, welche Hindernisse das Leben ihr in den Weg stellt. Davon zeugen ihre persönlichen Texte, die fast eine Form von Selbsttherapie sind: „Ich habe noch nie so intime Songs geschrieben. Weil ich mein Innerstes nach außen kehrte, konnte ich bestimmte Erlebnisse für mich selbst begreifbar machen.“ „Résigne moi“ lässt eine höchst vertrackte Beziehung Revue passieren. „St Valentin“ erzählt eindrucksvoll ehrlich von Einsamkeit, von Selbstentfremdung. Damit hätte man die quirlige ZAZ, die redet wie ein Wasserfall, nicht unbedingt in Verbindung gebracht. Sie zuckt mit den Schultern: „Niemand ist eindimensional. Wir haben alle ganz unterschiedliche Facetten.“
Es gibt Momente, in denen sich ZAZ, die eigentlich Isabelle Geffroy heißt, allein fühlt. Dann wieder genießt sie die Stille. Am meisten aber liebt sie den Austausch mit anderen Leuten. Nicht umsonst hat sie 2017 mit ihrem internationalen Netzwerk Zazimut, das sich für eine gerechtere Welt einsetzt, in Saint-Péray ihr Crussol Festival ins Leben gerufen – mit dem Ziel, Menschen zusammenzubringen. Sie bucht nicht bloß Musiker, sondern lädt Wohltätigkeitsorganisationen ein. Die Festivalbesucher können an Workshops und Diskussionen teilnehmen: „Ich habe genug vom Geschwafel der Politiker. Handeln bringt einfach mehr als reden.“
Bei ihrem Berliner Konzert holte sie einen jungen Mann zu sich auf die Bühne. Er repräsentierte Lambda, einen Jugendverband für Lesben, Schwule, Bisexuelle und Trans*. Sich gegen die Diskriminierung von Minderheiten einzusetzen, das hat für ZAZ Priorität. Oft fragt sie sich, warum Homo- oder Transsexualität bis ins 21. Jahrhundert hinein auf Ablehnung stoßen: „Die Gesellschaft tut immer noch so, als wäre Heterosexualität das einzig Normale. In der Konsequenz haben nicht wenige in Bezug auf weitere sexuelle Orientierungen ein ungeheures Wissensdefizit. Das schürt ihre Angst vor dem Fremden.“ Da steuert ZAZ gegen, indem sie sich unermüdlich für die LGBTIQ*-Community starkmacht: „Jeder hat das Recht, seine Individualität auszuleben. Ich bewundere alle, die den Mut haben zu sagen: ,Ich bin anders als die anderen und stehe dazu.‘“
*Interview: Dagmar Leischow