
Sie ist gerade zu einem Spaziergang aufgebrochen, als wir unser Telefonat beginnen. Sie konnte nicht anders – es ist ein strahlend schöner Sonnentag. Ein Hund bellt im Hintergrund, und Penelope Trappes klingt friedlich und mit sich im Reinen. Vielleicht, weil sie dieses neue Album gemacht hat, in dem sie sich mit ihren Abgründen auseinandergesetzt hat – eine Konfrontation, die sie zurückgezogen in Schottland anging. Die entstandene Musik klingt wie das Gegenteil eines Frühlingstages: Es sind Klänge, die regelrecht Angst machen können. Auf A Requiem muss man sich einlassen – und einlassen wollen. Keine leichte Unterhaltung, keine Hintergrundmusik: Diese Songs wollen eine Auseinandersetzung, denn sie selbst sind eine Auseinandersetzung der Künstlerin mit sich selbst, ihren Traumata und dem Konzept Verlust.
„Ich liebe die Sonne“, holt sie aus, während sie in Richtung Meer geht. „Ich suche jeden Tag nach ihr. Deswegen ist das, was ich mit diesem Album getan habe, Schattenarbeit. Es soll ein Zugang zum Licht sein, indem man die Schatten vertreibt.“
Dafür hat sie sich ihren Dämonen gestellt – hörbar in jedem Ton. Und das ganz allein, obwohl man für so etwas ja eigentlich professionelle Begleitung an der Seite hat. „Ich habe viel mit Therapeuten gearbeitet. Ich habe viel Zeit in der Gesellschaft verbracht. Jetzt allein zu sein, war zunächst friedlich. Und ein bisschen wild in der Nacht“, lacht sie. Darüber hinaus nutzte Penelope diesen Rückzug, um alle Medien abzuschalten. Sie wollte sich ganz auf sich konzentrieren und gleichzeitig das Land auf sich wirken lassen. So ist die Musik auf A Requiem beeinflusst von der Folkmusik Schottlands – von der dunkleren Seite, wie sie betont: „Weil auch das Land düster sein kann.“
Begleitet hat sie dabei das Cello, mit dem sie zwar schon gearbeitet hat, für das sie aber keine klassische Ausbildung besitzt. Es ging ihr darum, die Töne, die sie auf diesem Instrument kreieren kann, frei und instinktiv zu nutzen. Mit diesen Werkzeugen – und vor allem mit ihrer Stimme – wollte sie lernen, sich mit ihrer Familiengeschichte zu arrangieren. Wahrscheinlich konnte deswegen nur dieser drohende Avantgarde-Pop mit Ambient-Elementen entstehen. Obwohl sie am Ende fasziniert feststellte: „Dass es fast weniger um mich geht, auch wenn das der Antrieb war. Die Musik betrachtet den Zustand der Welt, der Krisen. So viele Schwierigkeiten, durch die wir navigieren. Ich habe damals Probleme gechannelt, durch die ich lebte – die durch die Musik jetzt universell sind.“
Jetzt stellt sie sich der Aufgabe, diese Musik auf die Bühne zu bringen. „Das ist eine Herausforderung“, sagt sie – und klingt doch weiterhin völlig ausgeglichen. „Ich muss es neu anpacken.“ Intim soll es werden. Obwohl: „Wenn ich ein endloses Budget hätte, hätte ich einen Chor dabei.“ Stattdessen arbeitet sie gerade mit einem Designer an verschiedenen Kostümen. „Ich möchte die Energie durch Kleidung übertragen. Es soll eine visuelle Erfahrung werden.“ Vielleicht erleichtert das dann den Zugang, denn sie weiß, dass es eine Herausforderung ist, sich mit A Requiem auseinanderzusetzen. Sie hat deswegen auch eine Empfehlung, wie man das Album am besten hört: ein stiller Raum, eine Kerze anzünden, sich zurücklehnen. „Wie bei einer Meditation.“ Penelope hat mittlerweile das Meer erreicht. Man hört eine Möwe schreien, ganz nah, als würde sie von der Ankunft der Musikerin künden. „Keine Wolke am Himmel“, sagt Penelope noch, bevor wir uns verabschieden.
*Interview: Christian K. L. Fischer