Foto: E. Pentel
The Blessed Madonna
Als DJ, Komponistin und Produzentin ist die US-Amerikanerin gerade so gefragt wie nie. Und nun bringt The Blessed Madonna auch noch ihr erstes Album „Godspeed“ raus.
Nun mag sich in „Edge of Saturday Night“, der gemeinsamen Single von The Blessed Madonna und Kylie Minogue, zwar alles darum drehen, dass Klubnächte in Berlin so lange dauern, bis schon wieder Montagmorgen ist. Für Marea Stamper, so The Blessed Madonnas bürgerlicher Name, ist dieses Lebens- und Feierkonzept allerdings genauso wenig relevant wie für die disziplinierte Kylie. „Hättest du mich mit 22 gefragt, hätte ich wahrscheinlich gesagt ‚Super, drei Tage Tanzen am Stück – nichts wie her damit!‘“, sagt eine sehr liebenswürdige, per Zoom aus London zugeschaltete Stamper. „Aber die Tatsache, dass es im Berliner Nachtleben praktisch keine Montagvormittage gibt und die Stadt auf einen aufreibenden 24-Stunden-Partyzyklus ausgelegt ist, war einer der Gründe, warum mein Mann und ich nach sechs Monaten wieder unsere Sachen gepackt haben und nach London weitergezogen sind.“ Bei aller Liebe für die Klubkultur und durchfeierte lange Wochenenden, „brauche ich nämlich auch Zeit, die Wäsche zu machen, zum hundertsten Mal alle Folgen von „Succession“ zu gucken und mich am Kreuzworträtsel der New York Times zu versuchen.“
So richtig viel Zeit für ihre Hobbys wird The Blessed Madonna in der näheren Zukunft freilich nicht haben. Die 47-Jährige, die im sehr ländlichen US-Bundesstaat Kentucky aufwuchs und lange in Chicago lebte, bevor sie aus beruflichen („In den ganzen USA gibt es deutlich weniger geile Klubs, in denen ich auflegen möchte, als allein in Berlin“) und politischen (Donald Trump) 2016 erst nach Berlin und dann nach London übersiedelte, ist momentan superangesagt. Dabei hatte sie 2011 nach zig schlecht bezahlten Gigs das Auflegen schon drangegeben und konzentrierte sich daheim aufs Produzieren und Remixen, als sie unvermittelt einen Anruf aus der Berliner Panorama Bar bekommen habe und der Sache mit den DJ-Sets noch einmal eine Chance gab, woraufhin es dann plötzlich Schlag auf Schlag ging mit der Karriere. „Ich muss mich noch daran gewöhnen, dass das verrückte Leben so langsam zum alltäglichen Leben wird“, sagt sie. Auf Partys gehe sie gar nicht mehr und privat in Klubs nur noch selten. „Seit ich in der Szene ein bisschen bekannter bin, habe ich beim Tanzen keine Ruhe mehr“, so Stamper. „Man kann sich schlecht in der Musik verlieren, wenn man alle zwanzig Sekunden nach einem Selfie gefragt wird.“
Sie macht ihre Sache aber auch wirklich phänomenal gut. Stamper, die seit ihrer Zeit am College vor 25 Jahren auflegt – sie studierte zunächst Englische Literatur und Poesie, später Jura und wollte ursprünglich mal Redenschreiberin bei der Demokratischen Partei werden – zieht auf „Godspeed“ eine Menge Register. Satte 24 Songs hat sie auf das Album gepackt, dabei sind eher radiofreundliche Popstücke wie die Nummer mit Kylie, das auf einem Suzanne-Vega-Sample aufgebaute „Serotonin Moonbeams“ oder das gospelgetränkte „Mercy“ mit Jacob Lusk von der Band Gabriels als Gastsänger. Doch immer wieder dreht Marea Stamper auch den Bassregler nach oben, und macht in Sachen Disco, Techno und House eine Menge Dampf. „Das Album ist fast wie ein Destillat der Welt, in der ich lebe“, sagt The Blessed Madonna, die sich bis 2020 noch The Black Madonna (ihre Familie ist sehr christlich geprägt) nannte. „Ich erzähle vom Scheitern, denn ich weiß Gott unzählige Male krachend auf die Fresse gefallen. Ich erzähle aber auch von Triumphen und Glücksmomenten. Ich glaube ganz fest daran, dass Dance Music das Leben zu etwas Glänzenderem, Besserem, Schönerem verwandeln kann.“ *Steffen Rüth
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