Fotos: www.gay-over.de
Grey Young
Podcasts können unterhalten, zerstreuen und bilden. Was Grey Young, den wir im Berliner Mauerpark erreichten, in die Welt sendet, ist eine Mischung daraus. Unterhaltsam sorgt er für LGBTIQ*-Sichtbarkeit, erweitert den Horizont und klärt auf. Hier ist unser Chat mit ihm.
Worum geht es in deinem Podcast genau? Mein Podcast ist eigentlich ein Tagebuch über mein (Dating-)Leben als schwuler Single über 40 in Berlin auf der Suche nach der Liebe. Gleichzeitig spreche ich viel über das Älterwerden in unserer auf die Jugend getrimmten Regenbogen-Bubble und wie ich versuche, mich dieser Realität zu stellen und meinen eigenen Weg zu finden und zu gehen. Das Leben als schwuler Mann endet eben nicht mit deinem 40. Lebensjahr und genau deswegen habe ich GAY OVER als Titel für meinen Podcast gewählt. Da mich das Leben anderer Menschen fast noch mehr interessiert als das meinige, habe ich bereits in der 2. Staffel mit GAYTROFFEN und PÄRCHENGEFLÜSTER zwei neue Interviewformate integriert. Auf diese Gespräche freue ich mich immer ganz besonders.
Hast du mit dem Erfolg gerechnet? Mit GAY OVER bin ich nicht gestartet, um berühmt oder erfolgreich zu werden. Mir war es ein großes innerliches Bedürfnis, öffentlich über meine Herausforderungen mit dem Älterwerden als schwuler Mann in Berlin auf der Suche nach der Liebe ehrlich, tabulos, mit einer Prise Humor und stets 100 Prozent ungeschnitten, wie in einem Tagebuch, zu sprechen, weil es irgendwie niemand wirklich tut. In den letzten drei Jahren als Podcaster haben mich schon viele E-Mails und Nachrichten von Zuhörenden erreicht, die sich bedankt haben für meine schonungslose Ehrlichkeit, die sich wiederfinden in meinen Themen und sich gut unterhalten fühlen. Das meinen Geschichten mittlerweile über 215.000 Mal gehört wurden, ist schon krass und damit habe ich ganz bestimmt nicht gerechnet. Natürlich macht mich das glücklich und motiviert mich weiterzumachen.
Worauf können wir uns freuen? Mein Podcast ist ein Herzensprojekt, was ich bis zu meinem letzten Atemzug durchziehen will. Somit liegen hoffentlich noch viele Jahrzehnte vor mir und meinen Zuhörenden mit tollen Gästen und hörenswerten Geschichten. Wie mein Vater immer sagt: Das Leben ist eines der härtesten. Das heißt für meinen Podcast: Es bleibt spannend.
Wie kommst du an deine prominenten Gesprächspartner? Wenn ich im Nachtleben unterwegs bin, habe ich immer meine Podcast-Visitenkarten in der Hosentasche. Wer mir auffällt, wer mich interessiert, der kriegt eine und im Idealfall sitzt diese Person dann zeitnah mir zum Gespräch gegenüber. Günther Krabbenhöft, Robin Solf, Tim Lienhard oder auch Janis McDavid habe ich eine Sprachnachricht auf Instagram geschickt und mich jedes Mal riesig gefreut, wenn ich eine positive Rückmeldung ergattern konnte. Je größer meine Zuhörerschaft wird, umso wahrscheinlich wird es auch, dass weitere Personen des öffentlichen Lebens zusagen. Das heißt, es wird immer spannender, wobei mich ganz besonders die Lebensgeschichten von Menschen interessieren, die nicht prominent sind. Diese Gespräche wird es immer geben.
Dem ESC-Siegertitel und Nemo schlagen viel Hass entgegen. Sind die Zeiten härter geworden? Nicht nur weil Nemo in Berlin lebt, habe ich ihm den Sieg so sehr gegönnt. Während seines Auftritts sind mir die Tränen nur so runtergekullert. Als die ersten 12 Punkte von der Jury kamen, war es um mich geschehen. Es war ein bedeutsamer Moment für die Sichtbarkeit von Vielfalt in unserer Gesellschaft, in der Welt. Alles, was nicht der Norm entspricht, wird anecken und viele motivieren, sich unschön zu äußern. Leider. Deswegen ist es umso wichtiger, noch lauter zu sein. Ich denke nicht, dass die Zeiten härter geworden sind, aber die Wahrscheinlichkeit, damit konfrontiert zu werden, hat sich durch Social Media massiv erhöht.
*Interview: Michael Rädel www.gay-over.de, www.instagram.com/gay.over.podcast