Donna Summer
Hoch in den US-Charts: „Crayons“, Donna Summers aktuelles Album.
Sie kehrt zurück auf die Bühne: Nach 14 Nummer 1-Hits, fünf Grammy Awards und 130 Millionen verkauften Alben in den letzten vier Jahrzehnten, eröffnet die legendäre Disco Queen am 30.7. die neue Eventreihe Electronic Beats Classics mit einem einmaligen Konzert im Berliner Tempodrom. Wir erreichten die 60-Jährige kurz vor ihrer Anreise am Telefon. Donna Summer hebt den Hörer ab und antwortet auf Deutsch.
Hallo, wie geht's!
AH, SIE SPRECHEN DEUTSCH? Ein bisschen. Ich habe vor langer Zeit in München gewohnt, aber die Sprache nun schon so lange nicht mehr gesprochen, dass ich nicht mehr weiß, wie gut ich wirklich bin. Wir sollten also lieber Englisch sprechen, weil ich sonst nicht garantieren kann, dass ich vielleicht Dinge sage, die ich gar nicht so meine. (lacht) Mein Deutsch kann ich ja dann hoffentlich zur Genüge testen, wenn ich in Berlin ankomme.
SIE ERÖFFNEN DORT AM 30. JULI 2009 DIE NEUE ELECTRONIC BEATS CLASSICS EVENTREIHE. Es wird eine ganz besondere Show für mich werden. Immerhin ist es mein erstes Konzert in Deutschland seit meinem Durchbruch.
WARUM HABEN SIE SICH DAFÜR GERADE DIESEN ZEITPUNKT UND DIESEN VERANSTALTER AUSGESUCHT? Ich hatte schon lange vor, in Deutschland aufzutreten, aber die Kosten sprachen immer dagegen. Mit dem schwachen Dollar ist es für amerikanische Künstler derzeit sehr schwer, für ein einziges Konzert nach Europa zu kommen. Electronic Beats war so freundlich, mir diese Möglichkeit anzubieten und mich bei den Vorbereitungen zu unterstützen.
SIE SIND 1968 NACH MÜNCHEN GEZOGEN, UM ALS
SÄNGERIN IN DEM MUSICAL „HAIR“ AUFZUTRETEN. WELCHES VERHÄLTNIS HABEN SIE HEUTE ZU DEUTSCHLAND? Ein sehr liebevolles! Ich höre auf meinen Reisen oft, dass man die Deutschen als etwas kühl bezeichnet, aber ich spreche da immer vehement dagegen. Die Deutschen sind ja in Wirklichkeit sehr warmherzige Menschen, die ihren nüchternen Ruf nur deshalb bekommen haben, weil sie es gewohnt sind, Dinge durchzuziehen und abzuarbeiten. Für mich ist das durchaus etwas Positives. Dazu kommt, dass die Sprache für fremde Ohren oft etwas harsch klingt. Ich versuche meinem Umfeld also immer zu erklären, warum ich dieses Land so sehr liebe. Deutschland ist gut für mein Temperament und das ist auch einer der
Gründe, warum ich hier ein Konzert spielen wollte.
SEHEN SIE DARIN AUCH EINE MÖGLICHKEIT, EINE JÜNGERE GENERATION AUF IHRE LIEDER AUFMERKSAM ZU MACHEN? Ich hoffe! Vielleicht treffe ich in Berlin auf einige junge Komponisten und Musiker, mit denen ich ein paar neue Songs schreiben kann. Ich habe gehört, dass Berlin für seine kreative Szene berühmt ist.
SIE HABEN FÜR GESCHLAGENE 17 JAHRE KEIN ALBUM VERÖFFENTLICHT UND SICH ERST MIT IHRER LETZTEN CD „CRAYONS“ IM LETZTEN JAHR ZURÜCKGEMELDET. Sie dürfen nicht vergessen, dass ich verheiratet bin, Kinder habe und inzwischen sogar Großmutter bin! Das nimmt natürlich einige Zeit in Anspruch. Ich habe aber deshalb so lange kein neues Album veröffentlicht, weil mir meine Plattenfirma nicht erlauben wollte, mich als Künstlerin weiterzuentwickeln. Ich wollte
keine alten Aufgüsse von Erfolgen wie „I Feel Love“ oder „Bad Girls“ machen und habe mich deshalb einfach konsequent verweigert. Ich war aber auch während dieser Zeit sehr kreativ und habe viel geschrieben. Diese Songs werden die Leute nun zu hören bekommen.
HATTEN SIE ANFANGS KEINE HEMMUNGEN, WIEDER EINE BÜHNE ZU BETRETEN? Ich bin in der schönen Situation, dass ich gut besuchte Konzerte spielen kann, ohne vorher zu viel Aufwand betreiben zu müssen, dass die Leute auch wirklich kommen. Das rechtfertigt für mich auch meine Auftritte. Wenn ich nicht merken würde, dass viele meiner Musik noch immer mit Begeisterung folgen, hätte ich mir auch ehrlich eingestehen können, dass meine Zeit vorüber ist. Aber die Leute zahlen noch immer, um mich sehen zu können und das ehrt mich sehr.
WIE MUSS MAN SICH IHR LEBEN JENSEITS DER BÜHNE VORSTELLEN? MAN SAGT, SIE WOHNEN INZWISCHEN IN NASHVILLE, TENNESSEE UND FÜHREN EIN RELATIV RUHIGES LEBEN ALS PASSIONIERTE MALERIN. Ich hatte nun schon länger keinen Pinsel mehr in der Hand, aber ich arbeite an so einigen kreativen Projekten: ich schreibe Theaterstücke, arbeite an Büchern und neuen Songs. Außerdem reise ich noch immer viel. Ich lebe in Nashville und Florida und pendle regelmäßig zwischen New York und Los Angeles. Irgendwie bin ich immer noch überall und beobachte auch sehr genau, was um mich herum geschieht. (lacht)
HABEN SIE DAS GEFÜHL, DASS DER SCHÖNHEITS- UND JUGENDWAHN DER MEDIENBRANCHE SEIT IHREN ANFÄNGEN WEITER ZUGENOMMEN HAT? Nein. Genauso wie die Weltbevölkerung angestiegen ist, gibt es inzwischen auch mehr Leute, die den großen Durchbruch schaffen wollen. Dies führt natürlich zu neuen Anforderungen. Junge, schöne Menschen werden immer erfolgreich bleiben, aber gleichzeitig gibt es in unserer heutigen Zeit aber auch noch einige große Stars wie zum Beispiel Queen Latifah, die nicht der normalen Schönheitsnorm entsprechen. Es besteht also auch in heutiger Zeit ein Bedarf an Künstlern, die nicht ausschließlich schön anzusehen sind. Menschen mit Substanz interessieren sich auch für Stars mit Substanz! (lacht)
WIE WICHTIG IST ES IHNEN PERSÖNLICH, AUCH IM ALTER NOCH IN FORM ZU BLEIBEN? Ich bin vielleicht nicht mehr ganz so dünn wie früher, aber ich versuche trotzdem, so fit wie nur irgendwie möglich zu bleiben. Gesundheit ist generell nie schlecht, nicht wahr? (lacht) Natürlich bin ich mir bewusst, dass mein Körper altert und ich nur bedingt darauf Einfluss nehmen kann, aber im Rahmen meiner Möglichkeiten tue ich mein Bestes. Wenn ich auf der Bühne stehe, bin ich immer noch sehr aktiv. Auftritte bringen jede Menge Stress mit sich, sie erfordern ein hohes Maß an Energie aber da ich diese Momente noch immer wirklich liebe, kommt es mir meistens gar nicht so vor.
SIE SIND VOR EIN PAAR MONATEN 60 JAHRE ALT GEWORDEN. WIRD DAS LEBEN MIT ZUNEHMENDEM ALTER IMMER BESSER? Ich bin der Meinung, dass es uns durchaus erlaubt ist, sehr viel länger jung zu bleiben. Meine Mutter wirkte mit 60 Jahren schon sehr alt.
WAS GIBT IHNEN KRAFT? Mein Glaube ist mir enorm wichtig. Man kann vielleicht ohne ihn leben, aber ich wüsste nicht, an was ich mich in schlechten Zeiten sonst klammern könnte. Wer stützt dich in schwachen Momenten, wenn du dich selbst über Jahre als Zentrum des Lebens gesehen hast? Wer gibt dir Kraft, wenn du keine Kraft mehr hast? Ich kann ohne Glauben nicht mehr leben.
GEBEN SIE DIESEN GLAUBEN AUCH AN IHRE DREI KINDER WEITER? WIE BEREITEN SIE SIE AUF DIE HÖHEN UND TIEFEN DES LEBENS VOR? Indem sie diese Höhen und Tiefen in meinem Leben mitverfolgen und in ihrem eigenen Leben teilweise bereits erfahren haben. Mir war wichtig, dass sie frühzeitig lernen, dass man viele Dinge im Leben kontrollieren, einige aber auch nicht kontrollieren kann. Sie sollten begreifen, dass das Unkontrollierbare in den Händen Gottes liegt und er dafür sorgen wird, dass alles in richtigen Bahnen verläuft. Nur so entwickeln man eine Art Urvertrauen zu sich selbst und zum Leben: wenn dir etwas Negatives zustößt, ist die beste Reaktion, mit positivem Denken zu kontern, zu sagen: 'Es ist OK, dass es so passiert ist, aber nun wird sich das auch wieder ändern.' Mir war immer wichtiger, meinen Kindern eine offene Sicht auf die Welt beizubringen. Denn so, wie du die Welt siehst, wird sie auch auf dich reagieren.
KÖNNEN SIE IHRE EIGENEN SONGS EIGENTLICH NOCH HÖREN? Manchmal gehen mir bestimmte Lieder auf die Nerven, aber andere könnte ich permanent hören. Wenn ich mich für einen Auftritt vorbereite, bin ich aber wieder Feuer und Flamme. Ich liebe die Reaktionen, die ich damit im Publikum hervorrufen kann. Jeder verbindet mit meiner Musik ganz unterschiedliche Erinnerungen. Es macht großen Spaß, die guten alten Zeiten bei einigen wieder ins Bewusstsein zu rufen.
WELCHES PROGRAMM ERWARTET DIE ZUHÖRER BEI IHREM KONZERT IN BERLIN? WERDEN SIE ÜBERWIEGEND ALTE ODER AUCH NEUE HITS SPIELEN? Ich werde eine gute Mischung zusammenstellen, denn durch all meine Songs wurde ich zu der Person, die ich heute bin. Ich suche für das Konzert aber noch einen guten, historischen, ur-deutschen Song, den jeder kennt. Damals, in München, hätte ich mich vermutlich für ein Lied von Marlene Dietrich entschieden, aber wer weiß, ob die heutige Generation damit noch etwas anfangen kann.
•Interview: Johannes Bonke