Foto: S. Ilushina
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Gesang, Klavier, Gitarre und Schlagzeug – und Schauspielerei. Martin Bruchmann ist ein wahrer Renaissance-Mann, der verschiedenste Künste beherrscht. Ende November erscheint seine EP „Wer wär ich heute, wenn ich damals nicht gegangen wär“ samt Kurzfilm. Wir sprachen mit dem queeren Multitalent.
Welche Kunstform ist dir die liebste? Ich will die Schauspielerei und die Musik gar nicht so sehr trennen, daher kann ich dir das gar nicht sagen. Bei mir gehören sie zusammen. Beide bedeuten mir sehr viel, deswegen habe ich mich auch dazu entschlossen, die Musik wieder aufleben zu lassen. Die Musik gehört zu mir. Genauso wie die Schauspielerei. Ab jetzt gibt es mich nur noch im Doppelpack.
„Zukunft“ ist, zumindest in der Version, die ich hörte, ein Disco-Lied, anders als der Pop-Rock-Stil der anderen Lieder. Was hörst du privat? Die Songs sind von der Stilistik her vielleicht etwas unterschiedlich, da hast du recht. Aber um ganz ehrlich zu sein, interessiert es mich nicht wirklich, mich oder die Songs in Genre-Schubladen zu packen. Das blockiert mich nur. Ich gehe da ganz nach meinem Gefühl. Ich liebe es einfach, verschiedene Elemente und Stile zu verbinden. Warum sich im Kopf beschränken, wenn die Möglichkeiten doch so groß sind. Meine Musik soll nicht nur mit einem gewissen Genre verbunden sein, sondern mit mir. Und wenn ich eines Tages eine Swing-Platte mache, was ich durchaus vorhabe, dann soll man trotzdem sagen können: „Ah ja, das klingt nach Martin Bruchmann.“ Wahrscheinlich kommt das daher, dass ich musikalisch schon immer sehr vielseitig unterwegs war. Ich habe in den unterschiedlichsten Bands gesungen … Big Band, Jazz, Pop, Funk Band … Privat höre ich einen bunten Mix aus diesen Elementen. Pop, Jazz, Funk, manchmal auch etwas Soul. Die Musik muss bei mir etwas auslösen, der Stil kann wechseln.
Deine EP heißt „Wer wär ich heute, wenn ich damals nicht gegangen wär“. Legt man das biografisch aus, wird hierbei auch thematisiert, dass du einst mit 13 von zu Hause abgehauen bist, in einem Kinderheim Schutz und Entfaltung gefunden hast. Wie autobiografisch sind deine Texte? Ja. Ganz klar autobiografisch. Ich als Künstler kann nur von dem singen, was ich selber empfinde und was mir durch den Kopf geht bzw. was ich erlebt habe. Meine EP sollte diesen Namen haben, weil ich mich genau damit beschäftigt habe. Wer wäre ich heute, wenn ich nicht gegangen wäre? Ich wär ein komplett anderer Mensch. Denn das Erste, was ich gemacht habe, nachdem ich im Heim angekommen war, war Musik. Sie hat mich aufgefangen. Ich habe mir Klavier und Gitarre selbst beigebracht und begonnen, exzessiv Musik zu machen. Der Titel der EP soll mich dran erinnern, und natürlich auch die Hörer*innen, dass du es immer selbst in der Hand hast, dein Leben zu ändern und dich aus Situationen herauszubringen, die dir nicht guttun. Es ist aber auch ein guter Parameter für wichtige Entscheidungen. Quasi: Wer wär ich heute, wenn ich mich damals anders entschieden hätte?
Als Schauspieler spielt man andere, ist das schwieriger? Es macht mir sehr, sehr viel Spaß, in andere Welten und Charaktere zu schlüpfen. Ich fühle mich da sehr frei und kann mir in der Rolle, die ich spiele, alles erlauben. Der Schutzmantel der Figur befreit mich. Das finde ich toll. Bei der Musik ist es genau andersherum: Es geht unmittelbar um mich und um meine Innenwelt, meine Gedanken und Gefühle. Meine Texte, meine Musik, dort stehe ich als Martin Bruchmann im Mittelpunkt. Das macht mich viel verletzlicher. Aber ich mag diesen Spagat und ich mag es auch, mich mit meiner Musik zu öffnen und auf eine gewisse Weise verletzlich zu machen. Ich finde, das ist meine Aufgabe als Künstler, sowohl mit meiner Musik als auch in einem Film, in dem ich eine Rolle spiele. Zum Glück habe ich diese beiden Ventile. Ich genieße es, beides zu verbinden, etwa bei meinem extra zur EP produzierten Kurzfilm „Wer wär ich heute, wenn ich damals nicht gegangen wär“.
Worauf freust du dich gerade? Ich bin sehr aufgeregt, wie die EP ankommt. Ich bin gespannt, ob sich Leute mit den Songs identifizieren können. Ich hoffe, dass es Menschen gibt, die aus der Geschichte Kraft ziehen und sich bestärkt fühlen, ihren Weg zu gehen. Egal wie groß die Hürden auch scheinen.
*Interview: Michael Rädel
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