Foto: M. Rädel
Berlin
Berlin muss aufpassen, nicht zum mucksmäuschenstillen Örtchen zu werden
Warum reist #mensch nach Berlin? Wegen der Landschaft? Nein. Wegen des Klimas? Eher nicht. Vor allem wegen der Kultur! Und ausgerechnet hier will der Berliner Senat wohl so richtig sparen. Wir hörten uns in der queeren Kulturlandschaft um.
„Die geplanten Kürzungen des Berliner Senats in Bereichen wie Kultur oder queerer Jugendarbeit sind ein Armutszeugnis der Politik. Diese Stadt lebt von Kultur – ob für den Tourismus oder all die Beschäftigten: ein Streichen von Förderungen im Kulturbereich schadet Berlin nachhaltig. Es geht um Arbeitsplätze, Vielfalt und die Zukunft dieser Stadt. Wer Kulturausgaben kürzt und queere Jugendarbeit nicht mehr fördert, nimmt bewusst in Kauf, dass Berlin bald nur noch arm, aber sicher nicht mehr sexy ist.“
Florian Winkler-Schwarz, Geschäftsführer SchwuZ
„Das Schwule Museum ist fassungslos angesichts der konservativen, unabgestimmten und nicht an Nachhaltigkeit interessierten Kürzungs- und Streichungspläne des Berliner Senats im Bereich Kultur und Bildung, die sich – auch, was uns direkt betrifft – vor allem gegen Jugendarbeit, Inklusion und gesellschaftliche Teilhabe richten. Was das konkret für das Schwule Museum heißt: neben noch nicht näher ausgeführten Streichungen im Bereich Barriere-Abbau ist
1. das im Rahmen der Jugendkulturinitiative geförderte Projekt „Queer Outreach“ inklusive einer Stelle an unserem Haus von kompletter Streichung betroffen – damit wollten wir Teilhabe und Mitwirkung von jungen Menschen im Schwulen Museum stärken und ausbauen, außerdem haben wir mit queeren Jugendprojekten in sozial benachteiligten Stadtteilen zusammengearbeitet, die nun ihrerseits von den Streichungen betroffen sind. Völlig unverständlich, da wir alle um die rechten Initiativen wissen, Jugendliche für ihre Agenden auf ihre Seite zu ziehen, denen wir unbedingt etwas entgegensetzen müssen; außerdem war die Jugendkulturinitiative vom Senat ausdrücklich als nachhaltige Form der Kooperation von Kulturinstitutionen und Jugendinitiativen angelegt.
2. die Stelle des Resilienz-Dispatchers im Bereich IT in Gefahr, gestrichen zu werden. Auch das wäre für uns katastrophal, weil wir mit komplizierten Datenbankstrukturen arbeiten, damit Menschen (und auch Medien) überhaupt mit unserem Archiv arbeiten können. Ein wichtiges Zukunftsprojekt des Schwulen Museums, das ohne nachhaltige Digitalisierung nur körperlich und institutionell privilegierten Menschen nützt.
3. die geplante Streichung des eintrittsfreien Museumssonntags für uns ebenso unverständlich. Durch diese Initiative hatten Menschen die Möglichkeit, unsere Ausstellungen zu besuchen, die sich ein normales Ticket nicht leisten können. Auch hier geht es um Abbau von gesellschaftlicher Teilhabe, zumal uns die geplanten Kürzungen langfristig nichts anderes übrig lassen als unsererseits die Ticketpreise zu erhöhen.
Und sind 4. die Streichungen von Projekten, Initiativen und Institutionen wie Diversity Arts Culture, IMPACT und Berlin Mondiale, mit denen wir eng zusammenarbeiten, für uns ein deutliches Zeichen, dass wir es mit einem langfristig verheerenden, eindeutig tendenziösen Angriff auf inklusive, rassismuskritische, linke, queere, feministische und soziale Strukturen zu tun haben, die weit über Berlin hinausgehen, anstatt Minderheiten gegen ihre zunehmenden Gefährdungen zu schützen, wie es sich der Berliner Senat eigentlich in sein Programm geschrieben hatte.
Jan Künemund, Leitung der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Schwules Museum
„Eine Einsparung in Höhe von zwei Millionen Euro entspricht etwas mehr als acht Prozent der planmäßigen Zuwendungen des Senats an die Volksbühne und bedroht nicht nur die aktuelle Spielfähigkeit des Hauses massiv, sondern engt auch den Raum ein, der für zukünftige künstlerische Planungen unbedingt erforderlich ist. Weder die Interims-Intendanz noch die Intendanz ab 2027 sind besetzt“, so Celina Nicolay, künstlerische Betriebsdirektorin der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz.
„Bitte nicht auch noch das sexy in arm, aber sexy streichen. Sonst ist Berlin nur noch arm. Das will keiner ...“ Lars Deike
„Die aktuellen Kürzungen im Senat wecken in mir äußerst negative Erinnerungen an die schwierige Zeit während der Corona-Pandemie. In dieser Phase wurden alle Theater geschlossen, und die Folgen waren verheerend für die gesamte Branche. Die Mitarbeiter, sowohl vor als auch hinter den Kulissen, sahen sich über einen Zeitraum von fast drei Jahren mit der drückenden Realität konfrontiert, dass sie keine Arbeit und somit auch kein Einkommen hatten. Diese Zeit war geprägt von Unsicherheit, Angst und dem ständigen Kampf ums Überleben. Vor diesem Hintergrund empfinde ich es als absolut nicht hinnehmbar und zutiefst ungerecht, dass durch die derzeitigen Maßnahmen erneut so viele Menschen in unserer Branche in eine existenzielle Bedrohung geraten. Es ist unerträglich zu sehen, wie talentierte Künstler und engagierte Fachkräfte wieder in die gleiche ausweglose Situation gedrängt werden, die wir gerade erst hinter uns gelassen haben. Die Kultur- und Kreativwirtschaft ist ein essenzieller Bestandteil unserer Gesellschaft; sie bereichert unser Leben und fördert den sozialen Zusammenhalt. Daher sollten wir alles daransetzen, diese wertvolle Branche zu schützen und zu unterstützen, anstatt sie erneut ins Abseits zu drängen.“ Megy B.
Gestern, am 25. November, wurde die Petition „Berliner Kultur in der Haushaltskrise schützen“ mit über 100.000 Unterschriften im Berliner Abgeordnetenhaus übergeben. „Die zahlreichen Menschen, die sich uns anschließen und unterschrieben haben, wehren sich entschieden dagegen, dass durch die hohen und nicht durchdachten Einsparungen die kulturelle Zukunft Berlins aufs Spiel gesetzt wird“, so Thomas Fehrle, geschäftsführender Direktor der Deutschen Oper Berlin und Vorstand des Deutschen Bühnenvereins Landesverband Berlin.
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