Foto: Sora Shimazaki, pexels.com
„Cybercrime1“
Für Michael (Name von der Redaktion geändert) war es ein Schock: Der Frankfurter erhielt eine E-Mail, die mit den Worten „Hallo mein p.erv.erser F_re_un_d“ begann. In Folge stellte sich der vermeintliche Verfasser der E-Mail als Hacker vor, der sich vor einigen Monaten Zugriff auf Michaels Computer verschafft habe, inklusive Browserverlauf und Webcam. Antivirenprogramme seinen nutzlos gegen die nun installierte Spysoftware. Videos seien bereits mitgeschnitten worden, die der Verfasser der Mail nun im Netz veröffentlichen und an alle E-Mail-Kontakte Michaels weiterleiten wolle. Um das zu verhindern, wurde Michael ein „Deal“ vorgeschlagen: Innerhalb von 48 Stunden sollen 1.200 Euro auf ein Bitcoin-Konto überwiesen werden, dann würden die Videos gelöscht und Michael bekäme sein „fr.ühere_s sorg_enfreies Le.ben“ zurück. Neben weiteren Drohungen, was alles passieren würde, falls Michael die Polizei einschalten würde, wurde die E-Mail mit einer irritierend freundschaftlichen Message beendet: „Nimm d_eine OnLine-Sic_herheit er_nster. Ändere de.ine Pas.swör_ter re_gelm_äß_ig und ri_chte f_ür alle de.ine Konten ei_ne MuLti-Fa_ktor.-Autheti-fizierung e.in. Herzliche Grüße“.
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„Cybercrime2“
„Ich war sehr schockiert über die Heftigkeit des Erpresserschreibens“ erzählt Michael dem GAB Magazin. Vor allem, weil die E-Mail sein Passwort einer Dating-Plattform enthielt: „Ansonsten hätte ich es als Spam abgetan“, so Michael weiter. „Ich hatte vor ein paar Jahren bereits die Situation mit einer ausländischen Dating-Plattform, wo ich ein intimes Fetisch-Profil hatte und dort auch eine Drohung erhielt, private Daten im Zuge einer Erpressung zu veröffentlichen. Ich möchte natürlich nicht, dass alle über meine sexuellen Vorlieben informiert sind“. Was tun? „Ich habe die Mail zuerst ein paar schwulen Freunden gezeigt, das Ganze aber ansonsten geheim gehalten“, meint Michael. „Wenn man den Text liest, erweckt es den Eindruck, dass ich ein total abartiger Perverser sei. Das kann man gar nicht jedem zeigen. Da bleibt ein falscher Eindruck hängen“. Michael hatte den Fall schließlich den Ansprechpersonen der Frankfurter Polizei für LSBTIQ gemeldet: „Sie kannten die Masche bereits und haben mich an eine spezielle Abteilung der Polizei weiterverwiesen. Es braucht einen Profi, denn die E-Mail kodiert sich zum Beispiel selbst und wird zum Buchstabensalat, wenn man sie weiterleitet. Das sind wirklich professionelle Verbrecher“. Ans Überweisen der geforderten Summe hat er trotzdem nie gedacht: „Ich lasse mich nicht erpressen. Ich lebe in keiner Diktatur und verstecke mich nicht“, sagt Michael entschieden.
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„Cybercrime3“
Offenbar lassen sich trotzdem viele von solchen Mails einschüchtern. „Ich schätze mal, dass von 100 Versuchen bei 30 eine weitere Kommunikation erfolgt und von 10 das geforderte Geld überwiesen wird“, schätzt Kriminalhauptkommissarin Alexandra Roth, die in der Cybercrimeprävention der Frankfurter Polizei tätig ist. Natürlich sei es schwer, das seriös zu beziffern: Untersuchungen fehlen und die Dunkelziffer ist hoch, weil sich die Opfer oft schämen. Aber solche Erpressungsmalis treten immer wieder „in Wellen“ auf und jeder kann Opfer werden. Die Expertin empfiehlt: „Bloß nicht zahlen, keine Links in der Mail anklicken und nicht auf die Mail antworten. Und man kann Anzeige erstatten: Allein schon das Androhen von Konsequenzen ist eine versuchte Erpressung. Falls man gezahlt hat, kann man auch das zur Anzeige bringen – Anzeigenerstatter werden von der Polizei ernst genommen, denn Verursacherin ist immer die kriminelle Vereinigung, die hinter der Erpressung steht“. Anzeige erstattet man bei jeder Polizeidienststelle, aber auch über die sogenannte „Onlinewache Polizei Hessen“ unter „sicherheitsportal.hessen.de“, oder – wie Michael es gemacht hat – den Fall den Ansprechpersonen für LSBTIQ* bei der Polizei Frankfurt melden. Die Cybercrimeprävention der Polizei Frankfurt ist ebenfalls eine Ansprechplattform, wenn man Adressat einer Erpressungsmail ist und unsicher ist, wie man weiter vorgehen sollte oder Fragen hat, was zu tun ist. Grundsätzlich empfiehlt Alexandra Roth, solche Mails zuerst einer gründlichen Plausibilitätsprüfung zu unterziehen: „Meistens fallen schon bei gewissenhaftem Lesen Stück für Stück viele Ungereimtheiten auf, die klarmachen, dass es sich um Kriminelle handelt, denen es nur ums Geld geht“. Die Mails seinen meistens nicht wirklich persönlich formuliert, E-Mail-Adressen können aus anderen Internet-Aktivitäten oder aus dem unbemerkten Beantworten von Phishing-Mails stammen und gezielte Hackerangriffe mit Zugriff auf einen privaten Computer einer Einzelperson seien unrealistisch. „Ist man sich jedoch unsicher, kann man sich immer an die Cybercrimeprävention wenden und sich beraten lassen“, ergänzt Roth. Alexandra Roth weiß auch, dass auf Dating-Portalen oft freizügige Fotos freiwillig ausgetauscht werden: „Das ist ja nicht verboten, wenn die Altersgrenzen gewahrt bleiben. Wir raten aber generell immer zur Datensparsamkeit. Man sollte immer genau abwägen, wem man was von sich preisgibt. Diese Entscheidung kann einem auch kein Sicherheitsexperte abnehmen“.
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„Cybercrime4“
Sein Fall hat Michael nachdenklich werden lassen: „Ich kenne etliche Schwule aus Ländern, in denen Homosexualität verfolgt wird. Ich dachte sofort, dass diese Opfer vermutlich verzweifelt wären. Ich hatte einen muslimischen Bekannten, der mit vor zwei Jahren berichtet hat, dass ihm ein Verwandter in seiner Heimat seinen Tod angekündigt hat, wenn sich herausstellt, dass er schwul ist. Wenn das so häufig vorkommt wie der ‚Enkeltrick‘, dann ist das wirklich fatal für viele Brüder“. Mit der Beratung bei der Polizei war Michael zufrieden: „Die Regenbogenpolizei ist immer engagiert und die Polizei ist unser Freund und Helfer. Deshalb finde ich es so schlimm, dass in der Szene diese Hetze gegen die Polizei aufgekommen ist. Schwarze Schafe gibt es überall, aber die Polizei riskiert täglich ihr Leben für uns.“
Cybercrimeprävention der Polizei Frankfurt, 069 755 34210 oder cybercrimepraevention.ppffm@polizei.hessen.de
Kontakt zur Onlinewache Polizei Hessen über sicherheitsportal.hessen.de
Ansprechpersonen für LSBTIQ* bei der Frankfurter Polizei: Felicia Thomas (069 75566 999), Alexander Brandau (069 75566 777), Christian Lüling (069 75566 333), Sarah Harnisch (069 75566 444) und Adrian Krutsch (069 75566 555), das Team ist auch über die E-Mail-Adresse rainbow.ppffm@polizei.hessen.de erreichbar
Überblick zu allen Ansprechpersonen für LSBTIQ* in Hessen über www.polizei.hessen.de/rainbow