
Fotos: overline.tv
Mit gerade mal 27 Jahren war Lorenz, der aktuelle Mr. Fetish Hessen, einer der jüngsten Hessen-Vertreter der Fetisch-Szene. Sein Amtsjahr neigt sich langsam dem Ende zu – vom 13. bis 15. Juni wird im Rahmen der FLC Leather Odyssey der neue Mr. Fetish Hessen gewählt. Wir haben Lorenz zum Interview mit einem Rückblick auf seine Amtszeit getroffen.
Du warst als Mr. Fetish Hessen sehr viel unterwegs – war das neu für dich, oder bist du auch vorher schon öfters zu Fetish-Events durch ganz Deutschland gereist?
Beides. Ich war schon immer viel unterwegs, weil mir das schon immer sehr viel gegeben hat und es mir sehr gutgetan hat, diese Community zu spüren. Das Pensum ist in meiner Amtszeit natürlich gestiegen. Aber das sind ja Events, die mich alle interessieren. Und auch wenn es mal anstrengend war, gibt das mir immer auch Kraft und das Gefühl, gebraucht zu werden, da zu sein und mit Leuten in Kontakt zu kommen. Das ist schön.
Gab es ein Highlight in deiner Amtszeit, an das du dich gerne erinnerst?
Zuerst das Gefühl, dass man alle Facetten der Fetischwelt kennenlernt, und das nicht nur in Deutschland, sondern auch in verschiedenen anderen Ländern. Da spürt man diesen Community-Zusammenhalt. Und mit der Schärpe kommt man da noch besser mit Leuten in Kontakt. Highlights waren sicherlich die großen Events wie Folsom in Berlin oder die Darklands in Antwerpen, wo man wirklich mehr internationale Leute kennenlernt und nochmal eine ganz andere Wahrnehmung hat. Aber auch die kleineren Events waren Highlights, wo man die Chance hat, sich mehr eins zu eins mit Leuten auszutauschen und sich mehr Zeit nehmen kann. Ich mag auch die Events hier sehr gerne, das regelmäßige FLC Fetisch Treffen, den Fetisch Pub Crawl, weil beides so ein Heimatgefühl gibt und man auch da die Chance hat, sich so zu zeigen, wie man ist, den Fetisch bewusst nach draußen trägt und die heimische Szene vorantreibt.
Ein weiteres Highlight war mein Auftritt im queeren Zentrum Hannover: Ein Interview mit Jurassica Parka, wo ich vor einem großen Saalpublikum über Fetisch gesprochen habe. Das Interview war so eine Mischung aus total lustig, aber auch ernsthafte Themen wurden angesprochen, und alles immer auf Augenhöhe. Das hat Jurassica Parka wahnsinnig gut moderiert und auch das Publikum hatte eine unglaublich gute Zeit, so kam es jedenfalls rüber. Oder auch der CSD Frankfurt war ein Highlight, ich habe dort auf der Bühne gesprochen. Und das ist ja genau das, was ich will: Leute auch außerhalb der Fetisch Community erreichen. Innerhalb der Community gibt's auch viel zu tun, aber da muss ich niemandem über Fetisch aufklären. Außerhalb der Community muss ich für Akzeptanz werben, weil die Ausgrenzungen und der Hass kommen natürlich meistens von außerhalb der Fetish-Community.

Foto: MFH Lorenz
Bist du als Schärpenträger anders wahrgenommen worden?
Mit der Schärpe fällt man natürlich mehr auf. Ich versuche das halt gut zu nutzen. Die Schärpe macht es zum Teil einfacher, selbst Leute anzusprechen, weil sie mir eine ganz andere Legitimation gibt. Auf der anderen Seite habe ich aber auch mitbekommen, dass gerade die Schüchternen sich nicht trauen, Schärpenträger anzusprechen. Sie denken, wir sind Prominente und stehen eine Stufe höher. Ich hatte schon Leute, die mich auf einem Event gesehen haben und mich dann später angeschrieben haben, dass sie sich nicht getraut hätten, mich anzusprechen. Ich denke dann immer, oh wie schade, denn dafür bin ich ja eigentlich da! Ich versuche auf Events eben nicht nur mit Leuten zu sprechen, die ich kenne. Wenn ich merke, da gibt es eine Gruppe, die wirkt ein wenig unsicher, frage ich einfach, hey, wie geht's euch? Hey, cooles Outfit, wo kommst du her? Wie ist dein Background?
Gab es etwas, was du in deiner Amtszeit dazugelernt hast?
Ja, ich habe auf jeden Fall meine körperlichen und mentalen Grenzen kennengelernt (lacht). Wer mich kennt, der weiß, dass ich immer mit super viel Leidenschaft dabei bin und immer totale Lust habe, was zu machen. Aber die Events gehen ja gerne mal bis tief in die Nacht, und da lernt man schnell, wo die körperlichen Grenzen sind. Als Schärpenträger ist man gerade auf den größeren Events sehr durchgetaktet: Da ist hier eine Wahl, da ist noch eine Vorstellung, da ist noch ein Meet-And-Greet, da gibt's eine Stadtführung, da gibt's noch den Flohmarkt und hier die Ansprache. Alle hätten einen gerne da, alle wollen gerne was mit dir machen. Da musste ich lernen, dass man im wahrsten Sinne des Wortes nicht auf mehreren Hochzeiten gleichzeitig tanzen kann, sondern für sich Prioritäten setzen muss. Auch wenn das bedeutet, auf einem Event dann mal nicht dabei sein zu können. Das ist erstmal schmerzhaft, aber man lernt, die Grenzen für sich abzustecken. Und ich habe gelernt: viel Schlaf ist wichtig (lacht).

Foto: DaRubberToy
Du wolltest dich in deiner Amtszeit verstärkt gegen Ausgrenzung innerhalb der Community engagieren. Was hast du damit erfahren?
Ich habe da tatsächlich das Gefühl, dass wir auf einem guten Weg sind und versuche, wo es geht, meinen Beitrag dazu zu leisten. Es muss sich vor allem noch was in der Vernetzung zwischen Jung und Alt tun. Ich habe in meinem Titeljahr sehr viele ermutigt und zu unseren Treffen eingeladen, sie abgeholt und wir sind dann zusammen dorthin gegangen. Einige haben gemerkt, dass es nicht so passt, die sind dann nicht wiedergekommen, und das ist auch ok. Aber einige haben hier bei uns wirklich ihr Zuhause gefunden, und es tut ihnen total gut, ihren Fetisch auszuleben.
Es gibt immer Leute, die nicht ganz einfach sind. Aber anstatt jemanden gleich abzuwerten, sollte man erstmal versuchen, Verständnis und Geduld aufzubringen. Bei einigen weiß ich inzwischen ein bisschen über deren Hintergrund. Ich habe mich in meinen Instagram-Interviews oft diesen Themen gewidmet, wie Depression, ADHS oder auch Transidentität. Da muss man dann mit einem anderen Verständnis rangehen. Die Fetisch-Community ist eine eigene Bubble, und wenn die funktioniert, dann kann es besser als jede Therapie sein. Das habe ich bei mir selbst erlebt und bei vielen anderen auch. Und das ist so schön!
Ich mache mir und auch anderen immer wieder klar: Wir sind schwule Fetischmänner, das ist die Untergruppe der Untergruppe der Untergruppe. Gleichgesinnte finden wir nicht an jeder Ecke wie bei einem Fußballclub. Und daher ist jeder in der Fetisch-Community wertvoll. Jeder hat Stärken und Schwächen, und wir müssen versuchen, Leute zu integrieren. Wir haben als Community nur uns!
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Interview: Björn Berndt