Foto: Dan Burton, unsplash.com, gemeinfrei
Mit Alexander Brandau hat AgL Felicia Krapp seit einigen Monaten einen neuen Kollegen. Im Interview stellt Brandau sich vor und beantwortet aktuelle Fragen zu Hasskriminalität und queer*feindlichen Übergriffen in Frankfurt und erklärt, was die Polizei dagegen tut.
Herr Brandau, Sie sind neu im Team der AgL. Stellen Sie sich doch kurz vor! Was war Ihre Motivation, sich als AgL zu engagieren?
Mein Name ist Alexander Brandau, Ich bin 35 Jahre alt und seit neuneinhalb Jahren Polizist in Frankfurt. Privat bin ich seit 2008 geoutet, dienstlich seit Frühjahr 2013.
Da ich neun Jahre lang meinen Dienst in der Frankfurter Innenstadt versehen habe, hatte ich ohnehin direkten Kontakt zur queeren Szene, da sich das bekannte „Bermudadreieck“ in dem dortigen Bereich befindet.
Bei den CSDs in Frankfurt in den vergangenen Jahren durfte ich meine Vorgänger bereits am Polizei-Infostand an der Konstablerwache unterstützen.
Mein Vorgänger hat mir dabei schon einen kleinen Einblick in das Amt als Ansprechperson LSBT*IQ gegeben, sodass es mir ein persönliches Anliegen war, mich als sein Nachfolger zu bewerben.
Fotos: Pressestelle der Polizei Frankfurt
Alexander Brandau
Alexander Brandau
Die Zahl der Übergriffe in der Frankfurter Innenstadt nimmt zu; insbesondere queere Menschen, aber auch Frauen fühlen sich nachts dort nicht mehr sicher. Können Sie das aus ihrer Sicht bestätigen? Kann man sagen / vermuten, wieso die Situation sich so verschlechtert hat? Welchen Beitrag kann die Polizei hier leisten?
Die bei uns zur Anzeige gebrachte Anzahl an Übergriffen (verbal und körperlich) gegen Angehörige der LSBT*IQ Community in der Frankfurter Innenstadt liegt innerhalb der vergangenen 18 Monaten im mittleren einstelligen Bereich. Meiner Meinung nach könnte es sein, dass einzelne Vorfälle medial und insbesondere in den sozialen Medien größer aufbereitet werden als früher und dadurch Einfluss auf das Sicherheitsgefühl nehmen.
Nichtsdestotrotz müssen wir nicht darüber reden, dass jeder einzelne Fall einer zu viel ist!
In der Frankfurter Innenstadt, insbesondere auf der Zeil und an der Konstablerwache, hatten wir in letzter Zeit vermehrt homophobe und transphobe Übergriffe zu verzeichnen, was damit zu erklären ist, dass sich dort die Szene-Hotspots der queeren Community, wie Alte Gasse, Schäfergasse und Elefantengasse befinden.
Zudem handelt es sich bei der Konstablerwache um einen der zentralen Verkehrsknotenpunkte des Frankfurter ÖPNV. Damit zählt sie wiederum zu einem der am stärksten frequentierten Plätze im Stadtgebiet und wird, wie auch die angrenzende Zeil, gerade am Wochenende sehr stark von Menschen frequentiert, die im Nachtleben unterwegs sind. Nach dem Feiern im Szeneviertel, auf dem Weg zur S-Bahn oder U-Bahn, führt der Weg anschließend Richtung Zeil und Konstablerwache, wo es schließlich mitunter auch zu Vorfällen kommen kann.
Der Polizei ist dieses Phänomen bekannt. Meine Kolleginnen und Kollegen sind bezüglich queer*feindlicher Straftaten sensibilisiert und zeigen im Stadtgebiet Präsenz.
Sollte es sich bei einer Anzeigenaufnahme herausstellen, dass das Opfer stark mitgenommen ist, können die aufnehmenden Kolleginnen und Kollegen die zuständigen Opferschutzbeauftragten und/oder uns als Ansprechpersonen für LSBT*IQ hinzuziehen, um dem Opfer weitere Hilfsangebote zu vermitteln.
Die Rufe nach mehr Polizeipräsenz vor Ort werden lauter – ist das machbar und kann das helfen?
Der Bereich des Innenstadtkerns, also vor allem der Bereich rund um die Zeil, ist eines der meist bestreiften Areale des gesamten Stadtgebiets. Neben den Polizeistreifen des zuständigen 1. Polizeireviers kommen noch weitere Polizeistreifen von anderen Dienststellen hinzu, die sich zeitweise zusätzlich im Bereich der Zeil, Konstablerwache und Hauptwache aufhalten. Ziel ist natürlich die größtmögliche Präsenz, um alle Bürgerinnen und Bürger vor Straftaten zu schützen.
Zusätzlich haben wir noch zivile Kolleginnen und Kollegen im Einsatz, welche von den Bürgerinnen und Bürgern aus gutem Grund gar nicht wahrgenommen werden.
Auch wenn die Polizei nicht überall gleichzeitig sein kann, sind wir in Frankfurt jederzeit in der Lage, schnell zu helfen und nach Verständigung des Notrufes innerhalb weniger Minuten vor Ort zu sein.
Zusätzlich befindet sich unter anderem an der Hauptwache eine moderne Videoanlage, die ein wichtiger Stützpfeiler unserer komplexen Sicherheitsarchitektur ist. Sie sorgt bereits nicht nur zur Verhinderung von Straftaten, sondern trägt auch wesentlich zur Aufklärung bei.
Gibt es Kooperationen mit der queeren Community, zum Beispiel mit den Wirten im Bermudadreieck oder darüber hinaus? Ist außerdem Präsenz beim CSD geplant, auch damit Sie sich vorstellen können?
Wir Ansprechpersonen für LSBT*IQ stehen bereits in engem Austausch mit einigen örtlichen Vereinen, wie etwa der AIDS-Hilfe Frankfurt e.V. Wir werden in naher Zukunft gemeinsam mit ihnen und weiteren Vereinen und Organisationen eine Kampagne starten, um gerade die queere Community mehr zu sensibilisieren und eine Hilfestellung zu geben, was zu tun ist, wenn es zu einer solchen queer*feindlichen Straftat gekommen ist: natürlich in einem solchen Fall am besten die 110 wählen oder eine Polizeistreife direkt ansprechen. Es besteht auch die Möglichkeit auf das zuständige Revier (für das Bermudadreieck ist es das 1. Polizeirevier auf der Zeil) zu gehen.
Sollte sich das Opfer scheuen, direkten Kontakt mit der Polizei aufzunehmen, gibt es auch noch die Möglichkeit einer Onlineanzeige auf der Homepage der Hessischen Polizei.
Im Zweifelsfall können die Opfer aber auch gern telefonisch oder per Mail Kontakt mit meiner Kollegin Felicia Krapp und mir aufnehmen. Wir beraten gerne und geben bereitwillig Hilfestellung. Allerdings muss hier bedacht werden, dass auch wir als Ansprechpersonen für LSBT*IQ Polizeibeamte sind und bei Vorliegen von Straftaten eine Strafanzeige fertigen müssen.
Foto: bjö
Demonstration gegen homophobe Gewalt im Frankfurter Bermudadreieck.
Im Rahmen der geplanten Kampagne ist auch eine Kooperation mit den Wirten und Kneipen angedacht. Bei geplanten Szenerundgängen kann die queere Community darüber hinaus mit uns in den Kontakt und Austausch kommen.
Zum diesjährigen CSD in Frankfurt ist zu sagen, dass die Polizei und wir als Ansprechpersonen LSBT*IQ wieder mit einem Infomobil in der Nähe der Konstablerwache stehen werden, um Fragen aus der Community direkt im persönlichen Gespräch zu beantworten
Zum Straßenfest des CSD ist auch in diesem Jahr ein polizeilicher Einsatz mit der notwendigen Polizeipräsenz geplant, um einen friedlichen und störungsfreien Verlauf der Veranstaltung zu gewährleisten.
Queer*feindliche Übergriffe werden in Frankfurt statistisch nicht gesondert erfasst; wie erfahren Sie davon?
Die Reviere und Ermittlungsgruppen sowie die Kriminalpolizei sind hinsichtlich Strafanzeigen mit queer*feindlichem Hintergrund dahingehend sensibilisiert, dass sie diese mit besonderem Feingefühl bearbeiten und uns die Anzeigen zur Kenntnis geben. Bei Bedarf unterstützen wir dann.
Natürlich kann es auch passieren, dass wir von einem Vorfall nicht durch eine Anzeigenerstattung erfahren, sondern durch die Medien oder er wird durch die Community an uns herangetragen. In diesen Fällen arbeiten wir durch unser internes Netzwerk eng mit verschiedenen Stellen, wie auch der Pressestelle des Polizeipräsidiums Frankfurt am Main, zusammen. Wenn der Verdacht eines strafrechtlich relevanten Sachverhalts vorliegt, wird die Polizei ein Strafverfahren „von Amts wegen“ einleiten.
Nach dem „Berliner Modell“ werden in der Hauptstadt queer*feindliche Übergriffe gesondert erfasst, es gibt sogar eine Sonderkommission, die sich explizit mit diesen Fällen beschäftigt. Wäre das für Frankfurt machbar?
Auch in Hessen und für Frankfurt gibt es bereits eine Regelung. Straftaten gegen die sexuelle Orientierung oder Identität zählen zur sogenannten Hasskriminalität und die kriminalpolizeilichen Ermittlungen werden durch den Staatsschutz geführt. Die statistische Erfassung dieser Straftaten erfolgt zudem hessenweit bereits bei Eingang der Strafanzeige durch das Hessische Landeskriminalamt.
Wenn es zu einem Übergriff gekommen ist, sollte man sich dann zusätzlich an Sie wenden, um den Vorfall zu „melden“?
Am wichtigsten ist erst einmal, dass den geschädigten Personen geholfen wird.
Voraussetzung dafür ist in erster Linie, dass ein Vorfall bei der Polizei schnellstmöglich zur Anzeige gebracht wird. Auch damit notwendige polizeiliche Maßnahmen möglichst ohne großen zeitlichen Verzug eingeleitet werden können.
Hier ein Beispiel dafür, warum dies so entscheidend ist: Es geht um die Sicherung von etwaigen Videoaufzeichnungen am Tatort im Rahmen der Anzeigenaufnahme. Viele Videoaufzeichnungen dürfen aus Datenschutzgründen nur 72 Stunden gespeichert werden. Kommt also eine geschädigte Person beispielsweise erst nach vier Tagen zur Polizei und will den Vorfall anzeigen, ist die Chance, den oder die Täterin zu ermitteln, wohlmöglich deutlich erschwert.
Gerne kann man uns als Ansprechpersonen zusätzlich zur Anzeigenerstattung über den Vorfall informieren. So können wir gegebenenfalls bei Ermittlungen unterstützen, in alle Richtungen beraten und den geschädigten Personen Hilfestellung geben.
Hier bringe ich auch gerne den Hinweis: Nicht nur bei der Polizei Frankfurt, sondern auch in den anderen hessischen Polizeipräsidien gibt es Ansprechpersonen für LSBT*IQ.
Was empfehlen Sie derzeit für mehr Sicherheit?
Generell gilt, dass sich das Sicherheitsgefühl und die tatsächliche Sicherheit im öffentlichen Raum mit folgenden Verhaltenstipps verbessern lassen:
Nehmen Sie Ihre Umgebung aufmerksam wahr. Hören Sie auf Ihr Bauchgefühl. Es warnt Sie instinktiv vor bedrohlichen Situationen.
Halten Sie Abstand, entfernen Sie sich so früh wie möglich von bedrohlichen Situationen. Begeben Sie sich an sichere und bei Dunkelheit vor allem an beleuchtete Orte (zum Beispiel Straßenseite oder U-Bahn-Abteil wechseln, Kioske, Geschäfte, Restaurants aufsuchen, sich in die B-Ebenen Konstablerwache oder Hauptwache begeben, wo es hell beleuchtet ist, welche videoüberwacht sind und wo sich in der Regel auch nachts Sicherheitsmitarbeiter der VGF und Deutschen Bahn aufhalten.).
Darüber hinaus:
Siezen Sie die provozierende Person. Damit signalisieren Sie Außenstehenden, dass es sich um keine private Streitigkeit handelt.
Vermeiden Sie verbale Provokation und körperliche Konfrontation.
Sprechen Sie unbeteiligte Personen direkt an („Hallo, Sie mit der grünen Jacke …“). Beschreiben Sie die Situation und fordern Sie Hilfe ein.
Und wie schon mehrfach betont: Rufen Sie in einer Notsituation unverzüglich die Polizei über 110 und erstatten Sie Strafanzeige.
Ansprechpersonen für gleichgeschlechtliche Lebensweisen AgL bei der Polizei Frankfurt: Felicia Krapp, 069 75566777 und Alexander Brandau, 069 75566999, www.polizei.hessen.de
Die Polizei Frankfurt ist auch mit einem Stand auf dem Basar der Vielfalt beim CSD Frankfurt vertreten.
Lest auch unser Interview mit Felicia Krapp