Foto: Dominik Reichenbach, www.dominicreichenbach.de
Jo van Nelsen
So wild nach deinem Erdbeermund ...
Zu seinem 30-jährigen Bühnenjubiläum kehrt der Frankfurter Chansonnier und Entertainer Jo van Nelsen zurück zu seinen Wurzeln – nämlich zu seinem Dancefloor-Hit „Ich bin so wild nach deinem Erdbeermund“, den er 1989 mit dem Projekt Culture Beat aufnahm. Wie Jo van Nelsen sich mit dem Song, der so gar nicht seiner war, ausgesöhnt hat, und wieso sein Jubiläumsprogramm gar nicht so Retro geworden ist wie geplant, erzählt er im Interview.
Zum Jubiläum bringst du ein Best-of Programm „30 Jahre Jo van Nelsen“ ...
Naja, soviel Rückblick ist es gar nicht geworden. Ursprünglich wollte ich nur altes Material verwenden. Dann haben wir, also mein Pianist Bernd Schmidt und ich, so viel Lust bekommen, etwas anderes zu machen, dass das Programm jetzt zu zwei Dritteln aus neuen Songs besteht. In der Recherche habe ich aber nochmal gemerkt, wie sehr ich immer um das Thema „Erdbeermund“ herumgeeiert bin.
Also ist der „Erdbeermund“ doch eine Jugendsünde für dich?
Das war er sehr lange! Es war ja nie mein Ansinnen, im Popgeschäft Karriere zu machen. Ich fand das damals ganz spannend, obwohl die Musik eigentlich gar nicht mein Ding war. Ich bin ins Studio gegangen und hatte mir eine Interpretation des Textes zurechtgelegt. Wir haben dann Take um Take aufgenommen, bis es über die Gegensprechanlage hieß: „Sag’ mal Jo, kannst du das auch mal wie ein richtiger Mann sprechen?“ – denen war das alles zu schwul, und da bin ich richtig sauer geworden. Ich war ja damals gerade 21, mitten im Coming-out und dann sowas! Und mir wurde plötzlich klar: Die haben mich nur engagiert, um eine Klaus-Kinski-Parodie abzuliefern. Von daher war „Der Erdbeermund“ nie etwas, was aus mir gekommen ist, weil ich ja eigentlich etwas anderes machen wollte. Und so habe ich die ganze Sache auch nie positiv gesehen. Diese ganze Wut ist dann übrigens genau in dem Take gelandet, der später für die finale Version verwendet wurde.
Du hast damals schon Chanson-Programme gemacht?
Naja, ich bin damals gerade aus der Schule gekommen, und hatte schon ein bisschen Kabarett gemacht und Theater gespielt. „Der Erdbeermund“ war aber meine öffentliche Premiere, erst dann habe ich mein erstes Kabarettprogramm herausgebracht. Da hat mir der Erdbeermund natürlich total genutzt, weil man mich schon kannte. Das war super. Aber auf der Bühne habe ich den Erdbeermund nicht mehr gebracht – das ging nicht!
Aber jetzt eröffnest du dein Programm mit dem Song?
Ja, das kam so: Vor eineinhalb Jahren hat Daniel Helfrich mich in seinen Kultursalon im Theater Sapperlot in Lorsch eingeladen. Als Überraschungsgast kam Nosie Katzmann, der Produzent vom Erdbeermund, der auch als Komponist und Singer-Songwriter sehr erfolgreich ist. Und da habe ich zusammen mit Nosie an der Gitarre den Erdbeermund nach 29 Jahren das erste Mal wieder performt. Und das hat Spaß gemacht. Und ich habe gemerkt, wie positiv das Publikum auf das Lied reagiert und wie viele Erinnerungen da wachgerufen wurden. Da habe ich gedacht, wer bin ich denn, den Erdbeermund unter „ferner liefen“ abzuhandeln? Und jetzt eröffne ich das Programm mit dem Erdbeermund!
Ich singe im neuen Programm aber auch viele neue Sachen, zum Bespiel von Ina Müller, Pigor und Eichhorn oder ein neues Lied von Rainer Bielfeld, Und es ist außerdem auch ein sehr schwules Programm geworden, weil ich eben viel aus der damaligen Zeit erzähle.
Zwischenzeitlich hast du ja auch schon mal deinen Abschied von der Bühne bekannt gegeben und wolltest nur noch als Regisseur arbeiten ...
Ja ja, den Abschied von der Bühne habe ich mehrmals bekannt gegeben ... es gab sogar schon mal eine Abschiedstournee ...
... und bist dann aber wieder zurück auf die Bühne gekommen?
Ich brauche manchmal eben auch den Abstand. Denn wenn man immer in der Mühle drin ist, bekommt man gar nicht mehr mit, wo was Neues ist und wo dein Herz hin will. Umgekehrt hatte ich während der Arbeit als Regisseur oft den Gedanken, Mensch, das war ja ein schöner Song, ich möchte auch gerne mal wieder eine Ballade singen.
Im Moment stehe ich also wieder wahnsinnig gerne auf der Bühne. Und habe kürzlich eine Regieanfrage abgelehnt. Hätte ich vor Jahren noch nicht gemacht, aber es läuft gerade in allen Bereichen ziemlich gut, und ich kann mir wirklich aussuchen was ich machen will und was nicht.
„Ich bin so wild nach deinem Erdbeermund – 30 Jahre Jo van Nelsen“, am 11.10. im Thalhaus Theater Wiesbaden und am 20.10. im Theater „Die Käs“ in Frankfurt, www.jovannelsen.de