Foto: Jugendkirche KANA
Jugendkirche KANA
Eric Tilch, Jugendbildungsreferent der Jugendkirche KANA
Die Wiesbadener Jugendkirche KANA veranstaltet nicht nur Gottesdienste und Events für Jugendliche, sie ist auch im Bereich LSBTIQ* aktiv: Am Runden Tisch LSBT*IQ der Stadt Wiesbaden sitzt KANA mit anderen Vertreter*innen der queeren Community, engagiert sich im Arbeitskreis Queeres Zentrum Wiesbaden und beim CSD Wiesbaden. Und nicht nur auf städtischer Ebene finden LSBTIQ* Belange Berücksichtigung – inzwischen hat sich im Bistum Limburg eine Arbeitsgruppe LSBTIQ* gegründet, die ebenfalls bistumsweite Veranstaltungen organisiert. Tut sich da was an der Basis der Katholischen Kirche? Es hängt alles an Personen, die an wichtigen Stellen im System stehen. Eric Tilch ist so ein Lichtblick: Er ist Jugendbildungsreferent und Jugendseelsorger der Jugendkirche KANA Wiesbaden. Ein Gespräch über Reform-Willen der Katholischen Basis auf der einen und erzkonservative Strukturen und Doppelmoral auf der anderen Seite.
Eric, erklär erstmal was die Jugendkirche KANA ist.
Die Jugendkirche Kana wurde Anfang 2005 im Bistum Limburg gegründet als Ausdruck eines neuen Verständnisses von Jugendpastorat. Man hat damals im ganzen Bistum die Jugendarbeit umgekrempelt und drei Jugendkirchen und drei Fachstellen für Jugendarbeit geschaffen, mit dem Fokus, eine Schnittstelle zwischen jugendlichen Lebenswelten und Spiritualität zu schaffen.
Gleichzeitig wurden aber auch Fortbildungsangebote etabliert, wie schulnahe Jugendarbeit, das Begleiten von Schüler*innen im Findungsprozess, Teambildungsmaßnahmen, Gruppenleiter*innen- Ausbildungen und vieles mehr. Da ist schon ein sehr breites Angebot entstanden und trotzdem haben wir uns vor mittlerweile zweieinhalb Jahren auf einen weiteren neuen Prozess eingelassen. Wir waren ein komplett neues Team und wollten Jugendkirche neu denken. Daher haben wir uns gefragt: Was sind Themen, wo ist Kirche nicht präsent? Wo macht es Sinn, wo werden wir gebraucht und wo wollen wir hingehen? Und das führte zur Idee, in die queere Jugendarbeit zu gehen.
Sicherlich war meine persönliche Orientierung auch ein Grund dies zu tun, aber das Team der Jugendkirche hat mich sehr unterstützt und ich würde sagen den Ausschlag gegeben. Die queere Jugendarbeit ist mittlerweile ein fester Bestandteil und ein großes Arbeitsfeld, das sich immer mehr ausweitet. Nicht nur in der Jugendkirche Kana: Wir haben inzwischen einen Arbeitskreis queere Jugendarbeit im Bistum Limburg, in dem wir in Kooperation mit vielen anderen Einrichtungen Veranstaltungen planen und auch von der Bistumsleitung unterstützt werden.
Jugendkirche bedeutet, es ist eine Kirche mit Gottesdiensten und Veranstaltungen, die sich ausschließlich an Jugendliche richtet?
Ja, die Jugendkirche Kana ist in der Kirche Maria Hilf; es ist eine sogenannte Simultankirche. Das bedeutet, dass wir uns das mit der hiesigen Gemeinde im Ort teilen. Das ist natürlich manchmal etwas schwierig. Also, ich habe gerade eben noch mit unserem Hausmeister gesprochen. Da stand vom Wochenende noch ein bisschen Technik in der Kirche rum, und dann beschwert sich die Gemeinde eben. Das ist halt immer so eine Aushandlungssache.
Wir wollen sichtbar eine Jugendkirche sein. Wenn man bei uns reinkommt, soll man das auch sehen und erleben können. Uns ist es wichtig, wenn wir Veranstaltungen in der Kirche machen, dass wir nicht nur Gottesdienste feiern, sondern alles Mögliche dort machen. Zum Beispiel unsere Klassenteam-Tage, die inhaltlich überhaupt keinen Bezug zu den Themen Spiritualität oder Christsein haben. Die lassen wir trotzdem dort stattfindenden, weil wir Kirche anders ausdeuten wollen. Kirche als Raum erfahrbar machen, auch außerhalb des Gottesdienstes. Das ist unser Anliegen. Und unser Markenzeichen ist die Lichttechnik. Da haben wir einfach wahnsinnig tolle Ehrenamtliche, die aus dieser Kirche eine sichtbar lebendige Kirche machen. Das ist unser Rahmen, den wir frei gestalten können. Das ist das Tolle und dafür nutzen wir sie sehr gerne. Unsere Angebote richten sich an 14 bis 27-jährige aber eben auch alle, die einen etwas anderen Gottesdienst feiern wollen.
Ich wundere mich jetzt so ein bisschen: Du als schwuler Mann arbeitest in der Katholischen Kirche – dort ist Homosexualität doch ein Kündigungsgrund?
Ja, offiziell ist es das auch immer noch so, und das ist schwierig.
Ich komme aus einem kleinen Dorf im Westerwald, war dort Messdiener und Jugendsprecher, ganz klassisch katholisch sozialisiert. Ich habe mir bereits im spätpubertären Alter von 16, 17, 18 Gedanken gemacht, wie ich das zusammenkriegen soll. Die Institution war und ist mir persönlich sehr wichtig, sie hat mich sehr geprägt und ich wollte sie auch in meinem Leben halten, gleichzeitig hatte ich Angst, dass man mich dort fallen lässt. Aber ich hatte Glück und habe schon im Coming out eine unglaublich große Unterstützung erfahren, von den Ehrenamtlichen vor Ort, aber auch vom Pfarrer in meiner Heimatpfarrei. Ich weiß, dass das in anderen Bistümern ganz anders sein kann und dass es viele gibt, die da sehr negative Erfahrungen gemacht haben, aber da hatte ich wirklich Glück. Ich hatte Menschen um mich, die mich als ganzen Mensch gesehen und geschätzt haben.
Auf meinem weiteren Weg habe ich Sozialarbeit studiert, weil ich mich an die Theologie nicht rangetraut habe – wegen der fehlenden Berufsaussicht als homosexueller Mann in der Katholischen Kirche. Und habe dann trotzdem den Weg zurück in den Dienst der Kirche gefunden: Ich habe hier im Bistum mein Praxissemester gemacht, und die Menschen waren so offen, da war meine sexuelle Orientierung plötzlich überhaupt kein Thema mehr.
Ich habe dann vor einem dreiviertel Jahr doch noch angefangen, praktische Theologie zu studieren. Damit habe ich mich natürlich auf einen Weg eingelassen, der mich sehr viel enger an Kirche bindet. Als zukünftiger Seelsorger gilt für mich dann die Regel der Loyalität zur kirchlichen Grundordnung in noch engerem Maße als aktuell. Und da hatte ich natürlich meine Fragen, wie sieht das dann aus? Was ist, wenn ich eine Familie gründen will oder heiraten will? Denn – und das sei mal hier eingeschoben – alles, was man verschweigt oder im Privaten tut, ist in der Katholischen Kirche kein Problem. Sobald es offiziell wird, wird es häufig schwierig. Da hat die Katholische Kirche die sehr bekannte Doppelmoral.
Ich hatte wieder Glück: Es war ja bereits bekannt, dass ich homosexuell bin, weil ich ja die queere Jugendarbeit mit aufgebaut hatte. Ich habe Menschen getroffen, auch aus der Bistumsleitung, von denen ich erneut eine enorme Unterstützung bekommen habe. Zumindest im Bistum Limburg werden gerade einige Anstrengungen unternommen, die Grundordnung etwas zu verändern, so dass man auch als homosexuell lebender und liebender Mann im Dienst der Kirche stehen kann, so zumindest das Ziel der Reformer*innen. Und vielleicht abschließend: Es ist in der alltäglichen Arbeit, zumindest für mich, kein Problem. Das Einzige was problematisch ist, ist die Struktur. Die ist leider vorsintflutlich.
Es kommt also immer drauf an, wie es lokal vor Ort gehandhabt wird? Diesen Handlungsspielraum gibt es?
Ja, genau. Es gibt sicherlich in Deutschland andere Bistümer und Angestellte in Bistümern, die damit größere Probleme haben. Im Austausch mit Kolleg*innen höre ich nicht selten sehr negative Geschichten, viele haben auch heute noch Angst, sich zu outen, da sie berufliche Sanktionen befürchten. Zum Glück findet mittlerweile eine stärkere Vernetzung statt, vielleicht lassen sich derart manche Bistumsgrenzen aufweichen. Auch die deutschlandweit bekannt gewordene Aktion der Segnungsgottesdienste Anfang Mai ist ja sehr unterschiedlich bewertet worden. Auf der einen Seite haben sich viele Bischöfe und viele Priester dahinter gestellt und auch wirklich persönlich gesegnet. Gleichzeitig hört man aber auch, dass einzelne Bischöfe Segnungen strikt ablehnen und die, die es trotzdem tun, Repressionen zu befürchten haben.
Würdest du also sagen, dass zumindest das Bistum Limburg liberal ist? Oder muss gerade Limburg am Image arbeiten, im Hinblick auf die Geschichte mit Tebartz-van Elst und der goldenen Badewanne?
Das Bistum war historisch gesehen eigentlich immer relativ liberal, wir hatten zunächst vorher einen sehr menschennahen Bischof, der wirklich auf die Leute zugegangen ist.
Ich erinnere mich zum Beispiel noch, dass jener frühere Bischof Kamphaus einfach selbst mit seinem Golf durchs Bistum gereist ist, das war sehr nahbar. Im Vergleich dazu war die Fallhöhe zu Tebartz-van Elst sehr, sehr hoch. Ich glaube, das wäre vielleicht in Regensburg oder in Köln anders gelaufen. Im Bistum Limburg haben sich schließlich viele mutig gegen den Bischof gestellt, ähnlich wie sich aktuell Menschen gegen Wölki positionieren. Die Gläubigen kannten ein anderes, liberales Bistum und wollten es wieder zurück. Aus meiner ganz persönlichen Sicht als langjähriger Ehrenamtlicher und aus meiner hauptamtlichen Erfahrung ist Bischof Georg Bätzing, der 2016 kam, wirklich ein Segen für all die, die damals gekämpft haben. Einfach weil er auf andere zugeht, sich emotional berühren lässt: Er hat die Menschen in den Blick genommen, und hat – zumindest aus meiner Perspektive – seine Meinung immer wieder verändert. Auch bei homosexuellen Paaren war er immer bereit sich anzupassen. Und so ist er, glaube ich, heute noch. Insofern war das Bistum Limburg lange Zeit ein liberales Bistum und ist es heute mehr denn je, aber eben mit einer schmerzhaften Lücke dazwischen, die tiefe Spuren hinterlassen hat.
Aber im Moment ist es wirklich wie eine Befreiung. Und schön ist, dass wir vielleicht wieder ein bisschen als Vorbild im deutschen Raum fungieren. Denn unser Bischof ist Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz und unsere Chefin Beate Gilles ist vor drei Monaten zur Generalsekretärin der Deutschen Bischofskonferenz gewählt worden. Da haben wir zwei gute Menschen ganz oben. Insbesondere Beate Gilles, die unsere Arbeit hier vor Ort immer gefördert hat, immer interessiert war und sich auch immer für die Belange queerer Menschen engagiert hat.
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Jugendkirche KANA
Regenbogenflagge an der Jugendkirche KANA
Das hört sich alles wahnsinnig positiv an und das freut mich sehr – aber gab's denn nicht auch Gegenwind, insbesondere wegen der queeren Jugendarbeit?
Viel weniger als wir dachten. Das hört sich jetzt so relativierend an. Ich glaube schon, dass es nach wie vor weite Teile in der Katholischen Kirche und in der Priesterschaft gibt, die sehr konservativ denken und den Reformbewegungen im Weg stehen. Da müssen wir gar nicht so weit schauen.
Aber wir haben auch gemerkt, dass wir das Thema besetzen können. Wir haben hier schon im vergangenen Jahr ein Regenbogenbanner aufhängen können, und da gab es tatsächlich gar keine negativen Reaktionen. Es haben sich eher die Leute geäußert, die es gut fanden. Und die, die es blöd fanden, haben halt ihren Mund gehalten. Aber auch im weiteren Diskurs haben wir hier im Bistum eher Gesprächsbereitschaft erlebt. Das würde ich als den Wandel der letzten Jahre bezeichnen: Die Konservativen haben nicht mehr die alleinige Deutungshoheit, sondern man kommt in den Diskurs und unterschiedliche Perspektiven werden gehört. Insofern haben wir mit der Jugendkirche Kana keine Repression abbekommen. Aber in unserem Bistumsweiten Arbeitskreis Queere Jugendarbeit sind einige dabei, die sehr negative Erfahrungen gemacht haben. Wir hören diese Geschichten und wissen darum. Insofern greifen wir das immer wieder auf und versuchen, diesen Diskurs am Leben zu halten.
Die Reform der Katholischen Kirche muss also von unten kommen? Man kann nicht erwarten, dass es von oben kommt?
Ja, das ist gerade das Bild der Katholischen Kirche. Es gibt auf der einen Seite in Deutschland den übergeordneten „Synodalen Weg“, und gleichzeitig gibt's im Rahmen der Segnungsbewegung unheimlich viele, die sich vor Ort auf dem Weg machen. Auch vorher schon, Maria 2.0 ist zum Beispiel so eine Basisbewegung: Vor Ort, dezentral organisiert von Frauen, die sich engagieren. Als Deutsche haben wir ein Demokratieverständnis, das in der Katholischen Kirche leider nicht so zum Tragen kommt. Umso mehr sind wir aufgerufen, unsere Stimme einzubringen und sie gegen autoritäre Strukturen zu richten. Wir haben unsere Stimme. Und wir dürfen sie einbringen, nicht nur weil sie politisch legitimiert ist, sondern weil sie im Evangelium legitimiert ist: Als Christ*innen sind wir alle getauft und haben damit die Pflicht für eine menschliche Kirche zu kämpfen und die Freiheit, uns nicht dafür rechtfertigen zu müssen. Es kann nicht sein, dass einzelne, meist ältere und weiße Männer, bestimmen, wie der Weg der Zukunft aussieht. Das muss man klar benennen. Zum Glück gibt es viele in der Basis, die genau das tun, und auch im Synodalen Weg wird sehr offen über die relevanten Fragen diskutiert.
Ich habe bloß ein bisschen Angst, dass es am Ende keine so weitreichenden Änderungen geben kann, wie wir uns das erhoffen, weil das die römische Kirche im Moment nicht zulässt. Umso wichtiger ist dann eine Basisbewegung und dass hier vor Ort etwas passiert.
Ein starkes Plädoyer für die Motivation, die Arbeit zu machen, die du machst! Mir kommt es manchmal vor, dass diese Arbeit gerade in der Katholischen Kirche ein bisschen wie Don Quijotes Kampf gegen die Windmühlen ist. Oder die LSU bei der CDU. Aber natürlich muss man irgendwo anfangen …
Ja, ich habe in letzter Zeit mehrmals gedacht und gesagt: Dadurch, dass die Katholische Kirche so einen Reform-Rückstand hat, ist es teilweise einfacher, doch mal Bewegung reinzubringen.
Zumindest habe ich gerade das Gefühl, dass bei dem Thema gerade Bewegung drin ist, wenn man schaut, was sich im letzten halben Jahr in der deutschen Kirche getan hat. Andere Kirchen sind da weiter. Es ist nicht so, dass die Deutschen überall die Vorreiter sind. Es gibt andere Kirchen in anderen Ländern in denen die Einstellung noch anders ist, aber in Deutschland würde ich sagen hat sich im letzten halben Jahr sehr viel verändert. Und es macht Spaß bei diesem Prozess mitwirken zu können. Von außen sieht es glaube ich immer sehr starr aus, innen drin ist es schon sehr flexibel. Aber es gibt auch eine enorme Angst davor, dass wir am Ende wieder da stehen, wo wir vor zwei Jahren auch schon standen. Es gab immer wieder Reformprozesse, und es gab immer wieder Leute, die sich aufgemacht haben, und am Ende kam nichts bei rum. Ich bin gespannt, wo es hingeht, aber im Moment ist es eine sehr rege Situation. Und das motiviert mich und uns alle natürlich, aktiv zu werden und im Arbeitskreis Queere Jugendarbeit Zukunft mitzugestalten. Wir sind nicht die großen Vordenker, aber wir können vor Ort Angebote machen und finden es schön, dass sie angenommen werden.
Hattest du jemals den Gedanken, dein spirituelles Leben woanders zu gestalten, also aus der Kirche auszutreten?
Ja schon. Mit 14, als ich zur Firmung gegangen bin, war mir im Grunde klar, dass mit Frauen bei mir nix ist und dass ein klassischer katholischer Weg dann wohl eher schwierig ist. Ich habe mir die Frage damals gestellt und auch später immer wieder. Aber ich würde nicht sagen, dass ich mir die Frage jemals wirklich so gestellt habe, dass ich wirklich austreten will. Das war eher eine Hintergrundfrage. Vielleicht bin ich da auch etwas traditionell geprägt, aber die Katholische Kirche war und ist Teil meiner Identität, sie gehört auch zu mir und ich habe mich da immer wohl gefühlt.
Ich kann sagen, ich bin gerne katholisch, aber auch, weil ich immer das Glück hatte, unterstützt zu werden. Und ich habe ein eigenes Verständnis von Katholischer Kirche: Genau wie bei den Leuten im Arbeitskreis und vielen andere Kolleg*innen habe ich ein liberales Verständnis von Kirche. Es ist eine Kirche, die auf den Menschen zugeht, die sich einsetzt für Andere und, und, und. Es wäre schlimm, wenn alle, die ein solches Verständnis haben, aus der Kirche austreten. Dann würden wir die Deutungshoheit denen überlassen, denen wir sie abnehmen wollen.
Ich bin ja nicht katholisch, weil ich den Vatikan so toll finde, sondern ich bin katholisch, weil ich die Liturgie schön finde, weil mich die Spiritualität anspricht, weil mir das nahe geht. Das ist mein Verständnis und dafür will ich mich stark machen.
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Jugendkirche KANA
Regenbogenbanner der Jugendabteilungen im Bistum Limburg zur Segnungsaktion „God bless you“.
Würdest du sagen, dass ein offener Umgang mit deiner eigenen sexuellen Orientierung da auch ein bisschen was zu beigetragen hat, dass du da auch so offen aufgenommen wurdest? Ist das ein Weg?
Als Jugendlicher habe ich mich schon ein bisschen schwer getan, das offen zu zeigen. Also, was ich sagen möchte, ist, dass ich nicht immer so offen unterwegs war.
Nicht nur im kirchlichen Zusammenhang ist das ja ein Problem, sondern generell, wenn es um Jugendarbeit geht, haben Homosexuelle Angst sich zu outen; aus Angst um ihren Job.
Ja, das stimmt. Ich hatte irgendwann das Gefühl, es meiner Chefin, also eben dieser Beate Gilles, erzählen zu müssen. Ich habe gedacht, wenn ich hier so offen lebe, dann muss sie das auch wissen. Lieber erfährt sie es von mir, als von jemand anderem, dachte ich. Als ich ihr das dann sagte, hat sie geantwortet: ‚ist ja schön, dass du mir das sagst; ich freue mich auch, aber es kam bisher auch noch nie jemand zu mir und hat gesagt, hallo Beate, nur dass du‘s weißt, ich bin heterosexuell‘. Und da dachte ich, Mensch, was für eine Einstellung. Eigentlich genau das, was ich als Feedback haben wollte. Und das hat mich natürlich enorm bestärkt. Weil ich dann auch wusste, es gibt Personen, auch auf höher Ebene, die da überhaupt kein Problem mit haben. Und deren Einschätzung war: Geh weiter auf dem Weg. Und diese Erfahrung habe ich, wie gesagt, glücklicherweise immer wieder gemacht. Von daher kann ich jetzt sehr offen damit umgehen.
Ich habe heute keine Angst mehr, offen darüber zu sprechen, egal wer vor mir sitzt. Einfach weil ich merke, dass es bei den Personen kein so großes Problem ist und es nicht negativ auf mich zurückfallen würde. Oder positiv formuliert: Ich kann damit ja auch Sichtbarkeit erzeugen. Ich erlebe das so, und ich glaube das geht einem Teil meiner Kolleg*innen im Arbeitskreis ähnlich. Wir tun im Grunde genommen nichts, womit wir Vorbild sein können, aber allein mit unserer sexuellen Orientierung und unserer hauptamtlichen Arbeit in der Kirche setzen wir natürlich auch irgendwie ein Zeichen für andere. Wir wissen, dass es noch viele gibt, Haupt-, wie ehrenamtlich, aber auch unter den Priestern, die ungeoutet sind, Angst haben und vielleicht auch zu Recht. Gerade den Priestern kommt in ihrer Funktion da aus meiner Sicht eine besondere Verantwortung zu. Aber auch auf der Ebene der anderen pastoralen Mitarbeiter*innen und der Sozialarbeiter*innen im Dienst des Bistums ist wichtig, Sichtbarkeit zu erzeugen, damit sich andere auch auf den Weg machen. Und dass sich auch Jugendliche nicht mehr diese Frage stellen müssen, wie ich sie mir damals gestellt habe: Passt das überhaupt zusammen, meine Sexualität und mein Glauben?
Welche Veranstaltungen plant die Jugendkirche Kana als nächstes?
Am 13. Juli haben wir die Veranstaltung „Kirche im Queerformat“ im Kulturbahnhof Idstein. Hier zeigen wir immer einen Film zu einem queeren Thema und kommen im Anschluss mit spannenden Referent*innen ins Gespräch. Es steht noch nicht ganz fest, aber vermutlich werden wir uns am 13. der weiblichen Sexualität widmen. Wir sind als Katholische Kirche häufig ja eh viel zu männlich unterwegs.
Unser Stammtisch trifft sich immer am 19. jeden Monats um 19 Uhr in der Jugendkirche Kana in Wiesbaden. Im Juli wollen wir uns da schon mal ein bisschen der Bundestagswahl widmen. Und wir freuen uns über alle, die bei unseren Veranstaltungen Lust haben, mitzudiskutieren.
Zum CSD Wiesbaden planen wir einen CSD-Gottesdienst gemeinsam mit den evangelischen Kolleg*innen.
Der nächste Gottesdienst in unserer Reihe „Prisma“ findet dann am 12. September in Eltville statt. Das ist zwar noch ein bisschen hin, aber auf jeden Fall ein Highlight für alle, die Lust auf einen Gottesdienst für alle haben – nicht nur, aber eben auch für queere Menschen. Ein Prisma bricht ja das Licht in all seine Farbbestandteile, und so wollen wir die Gemeinde in allen Farbbestandteilen sichtbar machen.
Jugendkirche Kana in der Kirche Maria Hilf, Kellerstraße 35, Wiesbaden, www.jugendkirche-wiesbaden.bistumlimburg.de und Instagram
13.7., Kirche im Queerformat mit einem Film zum Thema weibliche Homosexualität und anschließender Podiumsdiskussion mit Gästen, Kulturbahnhof Idstein, 18:30 Uhr
19.7., Stammtischtreffen zum Thema Bundestagswahl 2021, Jugendkirche Kana, 19 Uhr
25.7., CSD Gottesdienst Wiesbaden, Jugendkirche Kana, 18 Uhr