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Stefan ist seit einigen Jahren Mitglied im FLC, dem Leder- und Fetischclub im Rhein-Main-Gebiet – und in der Szene ziemlich aktiv: Im vergangenen Jahr wurde er Sozialbeauftragter des Vereins und ist seit Januar außerdem Träger des bundesweit bestimmt einzigartigsten Fetisch-Titels „Kohlkönig 2023“ des Bremer LCNW e.V. Was es mit seinem Fetisch und den unterschiedlichen Ämtern auf sich hat, erklärt der sympathische 34-jährige im Interview.
Stefan, würdest du dich als Vereinstyp bezeichnen?
Naja, das war ich früher gar nicht, ich fand Vereinsleben immer etwas spießig, sag ich jetzt mal. Aber beim FLC habe ich irgendwann gedacht, ja, da kannst du gut am Vereinsleben teilnehmen. Der FLC ist ja auch was anderes als zum Beispiel ein Schützenverein. Beim FLC ist das ganz spannend. Ich tummele mich schon seit 2015 im Verein, zuerst eher bei Veranstaltungen, bevor ich Mitglied wurde.
Dein Fetisch ist Leder?
Ich bin da relativ vielfältig. Als Hauptfetisch mag ich Leder am meisten, aber auch Rubber und Workwear. Und dann gibt's Fetische, die diese ergänzen, die für mich nicht unbedingt einen sexuellen Reiz haben, aber die mal ganz spannend sind, selbst zu tragen oder sie an anderen zu sehen. Das unterscheidet sich bei mir zwischen dem, was einen geil macht, und eben Fetisch, der manchmal auch ein bisschen Lifestyle ist.
Wie hat sich das entwickelt? Gab es eine Art Schlüsselerlebnis?
Es war eher ein Gefühl, dass bestimmte Materialien ganz spannend sein können. Meistens fängt das mit etwas ganz Harmlosen an. Zum Beispiel wenn du dich im Möbelhaus auf ein Ledersofa setzt und dann merkst, das ist irgendwie anders und spannend. Und dann beginnt man sich dafür zu interessieren und zu beschäftigen. Mein erstes Lederteil war eine Lederhose, die ich im Internet ersteigert habe. Wenn Fetisch noch neu ist, und die Teile sind ja ziemlich teuer, dann fängt man eben mit gebrauchter Gear an. Das hat dann gefallen und im Laufe der Jahre sind ganz schön viele Teile dazugekommen.
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Als Sozialbeauftragter bist du im FLC der Ansprechpartner, an den sich Mitglieder bei Fragen bezüglich Fetisch- und BDSM-Aktivitäten und deren Risiken sowie für Hilfe bei sozialen und gesundheitlichen Problemen wenden können, richtig?
Ja genau, das ist ganz spannend. Ich bin ja nicht nur der Sozialbeauftragte des FLC, sondern auch der stellvertretende Sprecher der AG Gesundheit und Soziales unserer Dachorganisation LFC. Die haben die Aufgaben der Sozialbeauftragten schön zusammengefasst:
„Die primären Aufgaben der Sozialbeauftragten der Clubs verstehen sich wie folgt: Ansprechpartner sein für in Not geratene Mitglieder und Freunde der Szene, kranke Mitglieder und Freunde der Clubs zu beraten, zu helfen und gegebenenfalls weitere Hilfsleistungen zu organisieren. Soweit als möglich ein offenes Ohr für Probleme zu haben und diese natürlich vertraulich zu behandeln, oftmals möchten Mitglieder und Freunde sich nur mal mit jemanden austauschen und ihre Sorgen schildern.
Ansprechpartner sein für Neueinsteiger in der Fetisch- und SM-Szene sein, um sie zu ermutigen sich mit ihrer Veranlagung zu bekennen und diese verantwortungsbewusst auszuleben, dabei aber auch über die vorhandenen Risiken aufklären. Hilfsbedürftige Mitglieder im Rahmen der Möglichkeiten persönlich oder mit Hilfe weiterer Mitglieder der Clubs zu unterstützen, zum Beispiel bei Arztbesuchen, Krankenbesuchen, Beratung, finanzielle Unterstützung durch den Verein, bezüglich in der Nähe befindlichen Einrichtung und Schwerpunktpraxen für HIV und Aids zu informieren, sich mit anderen Sozialbeauftragten, der Mitglieder-Clubs auszutauschen und Seminare und Schulung zu besuchen und sich da auch in den Bereichen Gesundheit und so weiter auch entsprechend weiterzubilden“.
Man kann sich gezielt auf eine Person konzentrieren und mit allem Notwendigen unterstützen. Unterstützen ist ein ganz gutes Wort, weil die Sozialbeauftragten beratend tätig sind. Ich bin ja kein Arzt, aber ich kann jemanden an die Hand nehmen und gemeinsam nach einem Arzt schauen und gerne dort einen Termin vereinbaren, wenn du dich nicht traust. Ich kann dich auch begleiten, mich mit ins Wartezimmer setzen und dann begleite ich dich zurück, aber ich kann natürlich keine ärztliche Unterstützung leisten. Wichtig ist, dass alles, was man mit mir austauscht, auch „unter uns“ bleibt. Und das ist eine gute Sache!
Arbeitest du hauptberuflich im sozialen Bereich?
Nein, ich bin bei einer großen deutschen Airline tätig und entwickele digitale Plattformen.
Wie kommst du zu deinem sozialen Engagement?
Das hat sich mit der Zeit entwickelt. Mein Einstieg war als Fetisch-Modell für die Kampagne „Fetisch ist grenzenlos“ der LFC. Die Kampagne richtete sich primär an die Fetisch Community, um im Bereich Fetisch zu beraten. Wobei wir uns hier stärker auf Tipps und Risiken zu Spielarten fokussieren. Das mache ich jetzt schon seit ein paar Jahren, und mit der Zeit hatte ich dann das Gefühl, ich könnte das auch irgendwie bei mir zu Hause im Heimatverein machen und mein Wissen dort einbringen. Ich habe mich dann letztes Jahr zur Wahl aufstellen lassen, und der Verein hat mir da sein Vertrauen geschenkt, was natürlich sehr schön ist und wofür ich sehr dankbar bin.
Du bist nicht der erste Sozialbeauftragte beim FLC?
Nein, nein! Es gab schon ganz viele vor mir. Der Sozialbeauftragte ist ein relativ altes Amt. Es entstand in den 80er Jahren mit HIV und Aids, kommt also aus diesem gesundheitlichen Bereich. Für HIV und Aids sind wir mittlerweile wahrscheinlich nur noch sekundäre Ansprechpartner, da gibt es inzwischen viele andere Möglichkeiten sich zu informieren. Bei uns geht’s heute hauptsächlich darum, Szene-Neulingen beratend zur Seite zu stehen. Viele trauen sich auch einfach nicht, da braucht man ein bisschen Anschluss.
Und dann bist du im Januar Kohlkönig in Bremen geworden! Wie kommst du als FLCler zu diesem Titel?
Die Bremer „Kohl-und-Pinkel-Fahrt“ hat dort echte Tradition, zwischen etwa November und Februar veranstaltet das dort nicht nur der LCNW. Ich habe 2018 das erste Mal teilgenommen. Eine sehr schöne Veranstaltung auf der ich gerne dabei bin. Es ist üblich, dass der neue Kohlkönig nach dem Essen ausgerufen wird. Dieser erhält einen großen Knochen als Auszeichnung und repräsentiert während seiner einjährigen Amtszeit den LCNW und das norddeutsche Nationalgericht.
… „Pinkel“ ist dem Fall eine Wurst, die mit Grünkohl gegessen wird, richtig?
Ja, Pinkelwurst ist eine geräucherte Grützwurst. Das gibt’s bei uns in dieser Form gar nicht. Die „Kohl-und-Pinkel-Fahrt“ ist eine Wanderung mit Bollerwagen und Alkohol, man zieht durch ein bestimmtes Gebiet, kehrt in ein Gasthaus ein und da gibt’s dann Grünkohl mit Pinkel. Die Wurst ist sehr weich, fetthaltig in Pelle. Es gibt auch Kassler oder andere Würstchen, und Kartoffeln, also alles schon ziemlich deftig! Und am Ende der Wanderung wird der Kohlkönig gekürt. Das ist dann wohl derjenige, der am meisten gegessen hat; auf dem Knochen, den man als Kohlkönig verliehen bekommt, steht ja auch „Fressorden“.
Also, man wird nicht gewählt, sondern muss einfach essen? Viel essen?
Ja genau, so ist das auch mit meinem Amt. Ich bin kein gewählter „Mister“, sondern ich bin ernannt! Das ist ein Alleinstellungsmerkmal unter den Mr. Wahlen in Deutschland, kein anderer Leder- oder Fetisch-Mister wird ernannt, außer dem Kohlkönig. Und es ist außerdem eine Art Wandertitel, der quer durch ganz Deutschland geht. Also, mein Vorgänger Holger kam zum Beispiel aus Stuttgart, davor gab es einen Kohlkönig aus Hamburg, und auch Jens vom FLC war mal Kohlkönig.
Und wie viel hast du dafür gegessen?
Mehr als ich sonst esse! Ist aber auch sehr lecker.
Ja, aber wieviel? Wird das in Portionen gerechnet?
Also, woran genau die Bremer das festmachen ist tatsächlich ein Geheimnis. Das weiß ich gar nicht so genau. (lacht)
Wie, du weißt das nicht?
Nein, ich weiß es wirklich nicht! Aber ein bisschen Mysterium gehört ja immer auch dazu, oder? (lacht) Jeder kann Kohlkönig werden, der bei der Veranstaltung dabei ist.
Foto: [a͜igudə’pixː]
Musst du als Kohlkönig bestimmte Termine wahrnehmen?
Nein, ich habe keinen Vertrag der bestimmte Pflichtveranstaltungen vorsieht, wie es ihn zum Beispiel für den Mr. Fetish Hessen gibt, Ich kann mir mein Amtsjahr frei zusammenstellen. Ich muss lediglich mit dem LCNW abstimmen, was ich vorhabe, damit er weiß, wo sein Titelträger unterwegs ist. Ansonsten kann ich das tatsächlich ganz frei gestalten. Das ist auch nicht schlecht, ohne diesen Druck einfach selbst Schwerpunkte zu setzen. Die großen Veranstaltungen wie das Ostertreffen in Berlin oder Folsom, das gehört natürlich dazu. Da sind ja auch die anderen internationalen Titelträger dabei, und da möchte man ja auch gerne mit aufs gemeinsame Foto. Mein Anspruch an das Amt ist hoch und ich möchte auf vielen CSDs und auf den Veranstaltungen der regionalen Fetischvereine teilnehmen.
Als Kohlkönig trägst du nicht nur eine Schärpe, sondern auch diesen speziellen Knochen?
Ja, den habe ich auch. Beides ist meines Wissens der Titel. Der Knochen ist relativ robust! Das ist tatsächlich ein echter Rinderknochen, der auch schon ziemlich lange im Einsatz ist. Seit 2015, glaube ich. In der Zone283 in Bremen ist der erste Knochen von 1984 ausgestellt. Die Reihe der Kohlkönige reicht also eine ganze Zeit zurück. Also bis vor meine Geburt!
Du hättest dich auch zur Wahl des Mr. Fetish Hessen 2023 im Juni aufstellen können?
Ich bin schon mal angetreten, 2017 zur Wahl des Mr. Leather Hessen, und damals Zweiter geworden. Und der Plan war in der Tat, nochmal anzutreten. Aber da ich ja jetzt Träger eines anderen regionalen Titels bin, mache ich dieses Jahr den Weg frei für andere Kandidaten in Hessen.
Hast du eine Botschaft an Fetischkerle, die sich aufstellen lassen möchten, aber sich nicht trauen?
Wenn man das Gefühl hat, die hessische Fetisch-Community und den FLC repräsentieren zu wollen, dann einfach mitmachen! Für mich war das damals eine der wertvollsten Erfahrungen und darauf möchte ich nicht verzichten. Auch wenn ich nicht gewonnen habe. Aber allein das Erlebnis, auf der Bühne dabei gewesen zu sein, war es schon wert!
Infos und Kontakt zu Stefan über www.flc-frankfurt.de/sozialbeauftragter/
Alles Infos zur Bewerbung und Wahl des Mr. Fetish Hessen 2023 gibt‘s hier und über www.flc-frankfurt.de/mfh/