Foto: FLC
Torsten, herzlichen Glückwunsch zum Titel Mr. Leather Hessen 2019! Wie kommt deine enge Beziehung zur Frankfurter Szene und dem FLC?
In Freiburg gibt es im Fetischbereich einfach nichts. Und für uns hieß das entweder nach Frankfurt, Stuttgart, Mannheim, Zürich oder noch weiter weg zu gehen. Außerdem ist Frankfurt für mich eine Art Kreuzungspunkt, weil ich ursprünglich aus Norddeutschland stamme, und ich so in den letzten 30 Jahren einfach immer wieder vorbeigekommen und auch eingekehrt bin.
Hat das auch zu deinem Fetisch Coming-Out beigetragen?
Naja, mir war zum einen schon immer klar, dass ich schwul bin, quasi schon vor der Pubertät. Und dann bin ich nach dem Abitur gleich in die Vollen gegangen, bin nach Amsterdam und dort in die Lederszene, und gleich in die „schlimmsten Orte“ die es damals gab (lacht). Mich hat das männliche, maskuline schon immer fasziniert!
Heute entdecken zunehmend auch die Jüngeren ihre Fetisch-Vorlieben, kannst du das bestätigen?
Das kommt drauf, an. In der Lederszene gibt es im Verhältnis eher wenig junge Leute, das ist eher die Generation 40 aufwärts. Ich war zwischenzeitlich für 10 Jahre fast ganz raus aus der Szene, und vor drei Jahren ist mir dann aufgefallen, wie die Lederszene geschrumpft ist und andere Fetische in den Vordergrund gerückt sind. Latex ist ein großes Thema geworden. Das sieht man heute viel in Musikvideos, was junge Leute bestimmt auch prägt. Und Leder ist natürlich auch eine Kostenfrage. Es gibt in der Lederszene ein richtiges Modebewusstsein, gerade wenn man die großen Events besucht Da kann man nicht mit irgendwelchen Ledersachen kommen, sondern mit Labels! Das ist schon extrem geworden. Bei Folsom in Berlin ziehen sich die Kerle fünf Mal am Tag um! Da habe ich keinen Bock drauf! (lacht)
Trägst du Leder auch im Alltag?
Ja, ich trage es auch schon mal unter meinem Arbeitskittel, ich arbeite in einer Klinik.
Wieso hast du dich 10 Jahre in der Szene rar gemacht?
Durch Mobbing meiner Nachbarn. Die haben mir das Leben zur Hölle gemacht, das war richtig heftig, da musste ich ganz schön rudern. Das Viertel, in dem wir wohnen, ist nicht besonders homosexuellenfreundlich.
Hast du dich deswegen in deiner Bewerbung dafür ausgesprochen, etwas gegen die Ausgrenzung von Fetisch-Liebhabern zu unternehmen?
Mit meinen Nachbarn war es eher wegen meines Schwulseins. Aber in Ledermontur habe ich auch schon komische Erfahrungen gemacht. Leute sind plötzlich aus dem Fahrstuhl ausgestiegen, weil wir eingestiegen sind, und ähnliches.
Wie gehst du mit so etwas um?
Ich lach’ mir innerlich eins und denke, ja Herrgott, so schlimm sehe ich ja jetzt auch nicht aus!
Als Mr Leather hast du aber eher den Anspruch, auf die Leute zuzugehen?
Ja, das kann ich natürlich auch. Ich treffe auch Viele, die mir positiv oder mit Interesse begegnen. Und da ist es hier in Frankfurt auf jeden Fall schon lockerer. Ich denke, nördlich der Mainlinie wird es immer toleranter wenn es darum geht, meine Lederkluft im Alltag zu tragen. Ich stamme aus der Gegend zwischen Hannover und Bremen, und da kenne ich diese Intoleranz gar nicht!
Welche Ziele hast du dir für deine Amtszeit vorgenommen?
Ich möchte natürlich den FLC und die Community positiv und sympathisch vertreten. Man darf mich ansprechen, ich gehe aber auch auf Leute zu und möchte denjenigen, die Interesse haben, ihre Angst und Scheu nehmen. Mir ist zum Beispiel aufgefallen, dass Leder ganz oft automatisch mit SM in Verbindung gebracht wird, was aber so gar nicht stimmt. Ich möchte natürlich alle Fetische ansprechen, weil sie mir alle sympathisch sind. Jeder nach seiner Fasson, sage ich immer.
Ich möchte auch gerne die Randgruppen innerhalb der Szene mehr einbeziehen, nicht nur in der Fetisch-Szene, sondern generell. Es gibt so viele, die sich irgendwie dazusetzen, aber dann doch nicht richtig eingebunden sind. Mir fallen da zum Beispiel die Gehörlosen ein; ich beobachte, dass die am Rand stehen und sich irgendwie nicht so richtig trauen. Ich kann Gebärdensprache und möchte versuchen, sie auch mit reinzuholen. Und vielleicht kann ich da in meiner Funktion etwas für sie tun.
Kontakt zu Torsten über mlh2019@flc-frankfurt.de
Wie kann ein Mr. Leather Hessen aus Freiburg in Baden-Württemberg stammen?
Claus Wagner, erster Vorsitzender des FLC, erklärt: „Torsten ist seit 30 Jahren in der Szene unterwegs, sehr verbunden mit Frankfurt und hat den FLC und seine Aktivitäten immer sehr geschätzt. Wenn ich ehrlich bin, muss ich sagen: Hätten wir drauf bestanden, dass die Kandidaten aus Hessen kommen müssen, hätten wir in diesem Jahr gar keine Kandidaten gehabt.
Insgesamt gab es sieben Bewerber, die alle nicht aus Hessen stammen. Das ging bis Kiel oder bis Rostock, und alle hatten eine enge Verbindung zum FLC.
Das macht mich natürlich auf der einen Seite stolz, weil die Frankfurter Community und der FLC eine solche Außenwirkung haben und die Resonanz von außerhalb sehr groß ist. Andererseits bin ich auch traurig, dass die Hessen das nicht hinkriegen“.