Foto: Elliott Holman
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Es hat Tradition: In den Wintermonaten zeigt das English Theatre immer seine unterhaltsamen Musical-Produktionen. In diesem Jahr kommt eines der erfolgreichsten Off-Broadway-Musicals nach Frankfurt: In „Nunsense“ dreht sich alles um die makaber-komischen Geschehnisse im Nonnen-Konvent „Little Sisters of Hoboken“. Das Problem: Schwester Julia hat – aus Versehen – mit einer verdorbenen Kartoffel-Lauchcreme-Suppe fast alle Schwestern des Konvents vergiftet. Die überlebenden fünf Nonnen müssen nun zusehen, wie sie die finanziellen Mittel für die Bestattung ihrer Mitschwestern organisieren. Kleiner Spoiler: Da hilft in der Regel singen und tanzen!
Regisseur der Musical-Comedy ist erneut Ewan Jones, der zuletzt die Musicals „Sister Act“ und „Something Rotten“ für das English Theatre inszenierte. Wir haben Ewan vorab bei den Proben zu „Nunsense“ in London interviewt. *bjö
„Nunsense“ ist nicht zu verwechseln mit „Sister Act“ – aber für all diejenigen, die denken „Schon wieder Nonnen auf der Bühne?“: „Nunsense“ ist wirklich ein völlig anderes Musical, richtig?
Der größte Unterschied zwischen „Sister Act“ und „Nunsense“ ist, dass sich die Nonnen in „Sister Act“ nicht gegenseitig umbringen (lacht).
Als wir uns das erste Mal über die neue Produktion unterhielten, dachten wohl alle Creatives, die an beiden Produktionen beteiligt sind, „Wie? Noch eine Show mit Nonnen? Wirklich?“ Aber abgesehen vom vertrauten Ambiente und einer leicht verzweifelten Oberin gibt es kaum Ähnlichkeiten zwischen den Stücken. In „Sister Act“ geht es um Themen wie Akzeptanz, Freundschaft und Liebe, was dem Stück einen eher traditionellen Musical-Charakter verleiht. „Nunsense“ hingegen ist eine verrückte Komödie, eine Slapstick-Wohltätigkeitsgala mit den schrulligen ‚Little Sisters of Hoboken‘, die verzweifelt versuchen, dringend benötigte Spenden zu sammeln. Wenn es eine Gemeinsamkeit zwischen den beiden Stücken gibt, dann ist es die, dass beide von einer Gruppe handeln, die sich zusammenschließt, um Widrigkeiten zu überwinden – allerdings, und das ist der grundlegende Unterschied, versuchen sie in ‚Sister Act‘ ein Leben zu retten, während sie in ‚Nunsense‘ ein paar tiefgefrorene Schwesternleichen begraben müssen!
Foto: Elliott Holman
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Was hat „Nunsense“ zu einem der populärsten Musicals aller Zeiten gemacht?
„Nunsense“ als „populär“ zu bezeichnen, ist vielleicht etwas übertrieben! Die meisten Leute, mit denen ich mich darüber unterhalte, haben noch nicht mal davon gehört. Dennoch ist „Nunsense“ unbestreitbar ein großer Erfolg. Und es ist klar, warum es so oft auf der ganzen Welt aufgeführt wird: „Nunsense“ feierte 1985 Premiere in New York – im gleichen Jahr wie „Les Misérables“, ein Jahr vor „Phantom der Oper“ und übrigens auch im gleichen Jahr, in dem ich geboren wurde – und lief dann dort 3.672 Mal. Damit ist es die zweitlängste Show in der Geschichte des Off-Broadway. Seitdem hat es weltweit über 5.000 Produktionen inspiriert, wurde in 21 Sprachen übersetzt, für das Fernsehen adaptiert und hat neun Sequels und Spin-offs hervorgebracht. Ehrlich gesagt würde ich am liebsten bei jeder dieser Sequels Regie führen und jeden Monat eine andere Show inszenieren, damit das Publikum immer wieder zurückkommt – so viel Spaß macht das Stück! Es gibt sogar ein weihnachtliches „Nunsense“ mit dem Titel „Nuncrackers“.
Ich glaube, dass das Publikum immer wieder zu „Nunsense“ zurückkehrt, weil trotz der leicht unrealistischen Handlung die Charaktere nachvollziehbar sind. Die Zuschauer lieben es, wenn sie in einem Stück sich selbst, oder vielleicht einem Freund oder einem Familienmitglied auf der Bühne wiedererkennen. „Nunsense“ bietet von allem etwas – von Kochkursen bis zu Drogenkonsum. Es ist also wirklich für jeden etwas dabei!
Wie liefen die Castings für „Nunsense“? Es müssen bestimmt viele Schauspielerinnen vorgesprochen haben?
Das ist bei jeder Produktion dasselbe: Es gibt so viele talentierte Leute, die Arbeit suchen! Angesichts der vollen Terminkalender haben wir in der Regel nur eine Woche Zeit, um die Shows für das English Theatre zu besetzen – was bedeutet, dass wir Gesangs-, Schauspiel- und Tanzvorsprechen plus Recalls innerhalb von fünf Tagen absolvieren müssen. Wir versuchen immer, etwa 200 Darstellerinnen und Darsteller anzusehen, weil jede einzelne Rolle besondere Anforderungen hat und wir für jede Figur eine ausgewogene Auswahl an Darstellerinnen und Darstellern finden müssen. Für eine Show wie „Nunsense“ mit fünf Darstellerinnen bedeutet das, dass wir etwa 25 Leute pro Rolle sehen müssen; für, sagen wir mal, „Something Rotten“ können wir vielleicht nur etwa 10 pro Rolle anschauen. Es ist wichtig, die richtigen Leute einzuladen. Der Casting-Direktor beginnt mit etwa 1.000 Bewerbungen, von denen er etwa 200 auswählt, und dann unterziehen wir diese 200 einer strengen Audition, um die richtigen Leute für die Produktion zu finden.
Für mich ist dabei am schwierigsten, zu wissen, dass ich sechs Wochen lang eng mit diesen Schauspielern zusammenarbeiten werde, dass ich sie auffordere, große Risiken einzugehen, und dass ich ihnen vertraue, meine Vision zum Leben zu erwecken – aber ich bei den Auditions für jede und jeden nur etwa 15 Minuten Zeit habe, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wer diese Person ist!
Foto: Jones
EwanJones
Ewan Jones
Wie wird „Nunsense“ in Frankfurt musikalisch aussehen? Wird es eine Live-Band geben, trotz der kleineren Spielstätte, in der das English Theatre momentan residiert?
Die Musik ist, genau wie die Handlung, wunderbar eklektisch! Sie reicht von Country und Gospel bis hin zu Bluegrass und Broadway, und das ist natürlich auch ein Teil dessen, was die Show so unterhaltsam macht. Im Gegensatz zu einer Show wie „Saturday Night Fever“, bei der man zwei Stunden lang 70er-Jahre-Hits zu hören bekommt, hat in „Nunsense“ jeder Song seinen eigenen, einzigartigen Stil. Und wie jedes Musical im English Theatre wird es mit einer Live-Band aufgeführt, die wieder von unserem brillanten Music-Director Mal Hall geleitet wird. Mal hat hier schon mehr Aufführungen gemacht als ich, und ich könnte mir ein Musical ohne ihn und seine brillante Band gar nicht vorstellen.
Was diese Produktion noch aufregender macht, ist die Tatsache, dass es das erste Mal ist, dass ich eine Show im English Theatre mit der Band direkt auf der Bühne aufführe. Normalerweise ist es schwierig, bei einem Musical alle auf der Bühne unterzubringen, weil die Besetzung so groß ist; aber mit der kleineren „Nunsense“-Besetzung und einem wirklich bemerkenswerten Designkonzept, das die Leute umhauen wird, können wir unsere treue Band in ihrer ganzen Pracht präsentieren!
Wird bei eurer Premiere von „Nunsense“ auch die ominöse Kartoffel-Lauchsuppe serviert?
Wenn ja, dann weiß ich, dass ich nichts davon essen werde. Ich war noch nie ein großer Lauch-Fan!
Foto: Elliott Holman
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Beim letzten GAB-Interview für „Something Rotten“ hast du mir erzählt, dass du seit deiner Kindheit vernarrt in Musicals bist. Was sind deine drei absoluten Lieblingsstücke und hattest du schon die Gelegenheit, sie selbst auf die Bühne zu bringen?
Die Frage ist echt schwieriger zu beantworten als man meint! Die Arbeit an einem Musical kann die Sichtweise darauf völlig verändern und etwas, das man anfangs nicht mochte, in einen Favoriten verwandeln. Ich werde mich also zuerst auf einige konzentrieren, bei denen ich noch nicht mitarbeiten konnte.
Als erstes „Wicked“ – ich habe es noch nicht geschafft! Letztes Jahr war ich kurz davor, an einer neuen Produktion mitzuarbeiten, aber es wurde in letzter Minute abgesagt, was bei großen internationalen Theatern häufig vorkommt. „Wicked“ wurde uraufgeführt, als ich an der Schauspielschule war, und ich habe mir das Album jeden Tag angehört – ich habe es geliebt! Die Musik ist perfekt für Choreografien, und eine gute Fantasy-Story reizt mich immer.
Dann „The Prom“. Ich liebe die Musik, die Komödie und bin ehrlich gesagt ein bisschen besessen von allem, was mich in 80er-Jahre-Nostalgie schwelgen lässt! Diese Ära hat etwas, das bei meiner Generation Anklang findet (Hello, Stranger Things). Ich habe es geschafft, eine gute Dosis 80er-Referenzen in unser aktuelles Set-Design einzubauen, mit Anspielungen auf ikonische Filme und Fernsehsendungen aus dieser Zeit.
Als drittes: „A Christmas Story“, ein weniger bekanntes Musical des Duos Pasek and Paul – vielleicht kennt man von ihnen „Dear Evan Hansen“ oder den Film „The Greatest Showman“? „A Christmas Story” basiert auf einem klassischen amerikanischen Weihnachtsfilm, und es ist fantastisch. Es ist voller großer, frecher Broadway-Nummern, hat eine herzerwärmende Familiengeschichte und würde mir die Möglichkeit geben, meinen Traum von einem Bühnenbild im Stil von „Home Alone“ zu verwirklichen. Ich setze mich schon seit Jahren dafür ein, daran zu arbeiten ... vielleicht eines Tages!
Was Shows angeht, an denen ich selbst gearbeitet habe: „Phantom der Oper“ – das war das erste Musical, das ich gesehen habe, und ich bin unglaublich glücklich, dass ich in den letzten 10 Jahren an Produktionen auf der ganzen Welt mitarbeiten konnte. Es ist ein Klassiker und hat seinen Erfolg absolut verdient.
„Ragtime“ – die Musik ist atemberaubend, und es wird eine erstaunliche, kraftvolle Geschichte erzählt, die gerade jetzt so aktuell ist.
Und dann „Something Rotten“ – diese Show ist brillant geschrieben, mit fantastischer Musik und einem Sinn für Humor, der genau mein Ding ist!
11.12., Premiere „Nunsense“, The English Theatre Frankfurt @ Zoo, Bernhard-Grzimek-Allee 1, Frankfurt, zu sehen bis 20. Februar, Spieltage Di – So (nicht am 24., 25., 26.12 und 1.1.), www.english-theatre.de