Nach einer Saison mit amerikanischen Stücken startet das English Theatre Frankfurt im Herbst 2016 in seine „strictly British“-Spielzeit. Getreu dem Monty-Python-Motto „Always look on the bright side of life“ gibt’s Entertainment voll trockenen Humors, skurrilen Geschichten und einer stilechten Teatime bei Queen Elisabeth. Das Programm zeigt Klassiker wie Oscar Wildes „The Picture of Dorian Gray“, Monty Pythons turbulentes Musical „Spamalot“ oder Sherlock Holmes-Grusel mit „The Hound of the Baskervilles“, aber auch das hierzulande noch weitgehend unbekanntere Comedy-Drama „Handbagged“ der preisgekrönten britischen Autorin Moira Buffini. Quasi das Beste vom Ex-Europanachbarn, denn das Programm entstand lange vor der Brexit-Entscheidung, wie Theaterdirektor Daniel Nicolai im Interview erzählt.
Die neue Saison setzt auf Entertainment – wie kam es dazu?
Die letzte Spielzeit hatte mit „Disgraced“ und „Bad Jews“ zwei sehr politische Stücke, und unser Musical „The Life“ war mit dem Huren- und Zuhälter-Thema vielen zu hart. Daher haben wir gesagt: Next Season is relief – die nächste Spielzeit wird Entspannung! Wir haben mit „The Picture of Dorian Gray“ und „The Hound of the Baskervilles“ zwei Klassiker, mit „Monty Python’s Spamalot“ einen Riesenklamauk und „Handbagged“ ist ein sehr unterhaltsames Comedy-Drama. Insgesamt eine sehr leichte Spielzeit. Natürlich setzen wir uns mit den ernsten Themen auseinander, aber zwischendurch braucht man auch mal Entspannung. Wir setzen all dem, was zurzeit in der Welt passiert, Humor entgegen.
Und dann das Motto „strictly british“ im Lichte der Brexit-Entscheidung ...
Dass der Brexit kommen würde, wussten wir zum Zeitpunkt der Programmerstellung natürlich noch gar nicht. Aber der Brexit rückt das britische Thema natürlich nochmal gesondert in den Vordergrund. Bei „strictly british“ denken viele immer an Oscar Wilde, William Shakespeare oder Alan Ayckbourn. Aber gerade die Stücke von Ayckbourn! Die stammen aus den 70ern und untersuchen treffend die englische Mittelklasse der Zeit. 2016 funktioniert das nicht mehr gleichermaßen. „Strictly British“ soll zudem nicht gleichbedeutend sein mit „London im Nebel“, da gibt es viel mehr Facetten!
Den Auftakt im September bildet trotzdem ein Klassiker: Oscar Wildes „The Picture of Dorian Gray“, allerdings handelt es sich um eine neue Fassung, richtig?
Ja. Als schwuler Junge mit 15, 16 Jahren habe ich „Dorian Gray“ gelesen, aber diese romantisch-märchenhafte Geschichte wollte nicht so recht an mich ran. Und wenn wir jetzt diesen Klassiker einfach in historischen Kostümen inszenieren würden, wirkt das verstaubt, denke ich. Unser Regisseur Tom Littler, der unter anderem schon „Strangers on a Train“ am English Theatre Frankfurt gemacht hat, lässt die Geschichte im Hier und Jetzt starten. Dorian ist ein junger Mann bei einem Filmcasting. Er ist wunderschön, aber unsicher, hat Probleme mit seinem Körpergefühl. Daraus entwickelt sich dann die Geschichte. Wir nehmen das Publikum mit auf eine Art Trip, denn vieles spielt sich nur im Kopf von Dorian ab. Das Bühnenbild wird das mit Lichteffekten und spiegelnden Glaswänden unterstützen.
Merlin Holland, der Autor der neuen „Dorian Gray“-Bühnenfassung, ist ein echter Familienangehöriger von Oscar Wilde?
Ja, das kann man sich gar nicht vorstellen, weil man Oscar Wilde ja im letzten Jahrhundert sieht. Als Wilde verhaftet wurde, floh seine Frau mit ihrem Kind in die Schweiz und hat den Familiennamen in „Holland“ geändert. Merlin Holland ist der einzige Enkel Oscar Wildes. Er ist ein echter Gentleman, ein gebildeter, aber dennoch bescheidener Mann, der diese universelle Ausbildung genossen hat und zum Beispiel fließend Deutsch spricht. Er hat die letzten 30, 40 Jahre das Leben seines Großvaters erforscht; im Prozess gegen Wilde wurde erstmals ein literarisches Werk zum Gegenstand eines Gerichtsverfahrens, weil die fiktive Geschichte des Dorian Gray mit der dort angedeuteten Homosexualität auf den realen Oscar Wilde übertragen wurde. Im Oktober wird Merlin Holland zu diesem Thema eine Lecture mit dem Titel „The Picture of Dorian Gray – A Step too far?“ hier im English Theatre halten. Wir freuen uns sehr, dass er auch zu unserer Premiere kommt. Ihm ist wichtig, dass die Dorian-Story nicht verdreht wird. Bei der Londoner Premiere erwartete die Presse Skandale, full-frontal-nudity oder ähnliches, aber das gab es gar nicht, weil so etwas im Buch auch gar nicht vorkommt.
Dann geht’s im November mit dem Monty Python Musical „Spamalot“ gleich lustig weiter ...
Ja, das Musical ist so bizarr und dabei so typisch britisch! Wir versuchen für unsere Version im Prinzip singende Komiker aus London zu casten, also Darsteller, die dieses Comical-Timing drauf haben, damit es richtig witzig wird. Im Stück geht es ja um die Suche nach dem heiligen Gral, und die christliche Religion wird dabei richtig durch den Kakao gezogen. Damit hauen wir im Winter voll auf den Putz! Die Inszenierung des Musicals macht Lisa Blair. Wir versuchen immer wieder mit neuen Regisseuren zusammenzuarbeiten, um eine Vielfalt zu bekommen. Immer wieder die gleiche Handschrift wird auch für die Zuschauer irgendwann langweilig.
Um was geht es bei „Handbagged“?
In Großbritannien ist es üblich, dass sich der Prime Minister jede Woche mit der Queen trifft. In „Handbagged“ trifft Queen Elisabeth auf Margaret Thatcher, und wie man weiß, waren die beiden nicht die besten Freundinnen! „Handbagged“ ist ein Begriff, der sich zu Thatchers Zeiten gebildet hat und er steht seither für ihren brutalen Politikstil – quasi mit der Handtasche draufhauen! In Moira Buffinis preisgekröntem Stück spielen aber auch die junge Queen und die junge Thatcher eine Rolle, außerdem kommen internationale Staatsgäste zu Besuch – alles gespielt von zwei Darstellerinnen und zwei Darstellern. Für mich ist „Handbagged“ die größte Herausforderung der Spielzeit; Helen Mirren wird nicht die Queen spielen (lacht), von daher wird das Casting eine echte Herausforderung, aber in England werden wir bestimmt gute Leute finden. Eigentlich ist „Handbagged“ schon jetzt mein heimliches Lieblingsstück dieser Saison!