„Es spricht aus Sicht der Kammer sehr viel dafür, dass der Angeklagte lediglich erbost war über die Einmischung des Getöteten“, erklärte der Sprecher des Landgerichts Münster das aus Sicht von Queer-Verbänden milde Urteil gegen einen Mann, der im vorvergangenen Jahr einen Transmann totgeschlagen hatte. Zwar hatte der Täter zuvor die Teilnehmer*innen des CSD Münster als „lesbische Huren“ und „scheiß Transen“ beschimpft, eine queerfeindliche Motivation der Gewalttat konnte das Landgericht dennoch nicht feststellen.
Dieses Urteil ist symptomatisch für viele Entscheidungen von Gerichten in Fällen von Gewalt gegen queere Menschen. Sie sind mit ein Grund, warum unsere Gesellschaft der stetig steigenden Zahl von queerfeindlichen Straftaten nicht wirksam entgegentreten kann.
Während der Rechtsstaat bei der Bekämpfung politisch motivierter Straftaten Zähne zeigt, werden viele Gewalttaten gegen Lesben, Schwule und trans* Personen häufig geahndet wie Parkplatzrempler.
Der LSVD sieht eine der Ursachen darin, dass Tatmotive, die sich gegen die sexuelle Orientierung oder geschlechtliche Identität richten, in den beiden letzten Strafrechtsverschärfungen zur Hasskriminalität ausgespart blieben. So fände LGBTIQ*-Feindlichkeit in der strafrechtlichen Bewertung keine angemessene Beachtung.
Bild: mit KI erstellt
Zahnloser Tiger
Trotz dieser Nachlässigkeit durch die verantwortliche Politik hat sich bei Polizei und Ermittlungsbehörden ein Paradigmenwechsel vollzogen. Bei den Polizeipräsidien wurde die Zahl der Ansprechpersonen für LSBTI:Q vervielfacht, die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt verfügt seit 2023 über einen LSBTIQ*-Beauftragten, im Frankfurter Bermudadreieck bezieht die Polizei an den Wochenenden regelmäßig Posten, um schnell intervenieren zu können, und in Szenelokalen finden Rainbow-Polizeisprechstunden statt.
Die Rechtsprechung hinkt dagegen bei einer für alle sichtbaren Sanktionierung von Queerfeindlichkeit hinterher. Zwischen Tat und Gerichtsverhandlung verstreicht oft sehr viel Zeit, sodass ein direkter Zusammenhang zwischen Übergriff und Strafe weder für Beschuldigte noch für Beobachter zu erkennen ist. Nicht wenige Täter haben in der Zwischenzeit schon neue Straftaten begangen, Geschädigte und Zeugen erinnern sich nicht mehr lückenlos. In einem jüngsten Fall in Frankfurt kam der Täter, dem noch eine zur Bewährung ausgesetzte Strafe wegen eines vorhergehenden Delikts drohte, mutmaßlich nur deshalb mit einer glimpflichen Geldstrafe davon, weil nicht mehr zweifelsfrei zu klären war, wie groß die Flasche war, die er im letzten Jahr schwulen Männern hinterhergeworfen hatte.
Doch nicht nur Richter*innen müssen ihrer Verantwortung für den Minderheitenschutz gerecht werden. Auch die Regierungen von Land und Bund müssen die Rechtsprechung personell und finanziell dazu in die Lage versetzen und, wo nötig, den Rechtsrahmen anpassen. Denn nur wenn alle Institutionen von Staat und Gesellschaft gleichermaßen an einem Strang ziehen, kann Queerfeindlichkeit wirksam bekämpft werden.