Kolumne Jessica
Unlängst lief auf arte ein Film, der eine Gruppe japanischer Soldaten porträtiert, die nicht glauben wollten, dass man nicht mehr im Krieg mit dem einstigen Feind, sondern mittlerweile enge Verbündete sei. Noch dreißig Jahre lang, bis 1974, führten manche ihren längst sinnlos gewordenen Guerillakampf auf entlegenen pazifischen Inseln weiter.
Unweigerlich musste ich an die bislang immerhin unblutig gebliebenen, aber genauso aus der Zeit und dem Zusammenhang gefallenen Übergriffen von dem Vernehmen nach linken Gruppen denken, die während der Pride-Veranstaltungen dieses Sommers Polizeibeamt*innen an ihren Infoständen oder als Demoparadenteilnehmer*innen bedrängten, beleidigten und teilweise körperlich angriffen.
Argumente aus der Mottenkiste
Stonewall sei ein Aufstand gewesen, weswegen Polizist*innen beim Pride nicht mit dabei sein dürften, lautet die an Hauswände der Innenstadt gesprühte Begründung. Tatsächlich hatten in einer Sommernacht 1969 Transgender, Lesben und Schwule im Greenwich Village handgreiflichen Widerstand geleistet gegen die unablässige Demütigung, Verfolgung und Misshandlung durch die New Yorker Polizei.
Foto: Jessica Purkhardt
In Frankfurt konnten Polizist*innen nicht mehr gemeinsam mit der überwiegenden Mehrheit gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit demonstrieren, weil eine Handvoll Leute es anders beschlossen hatte.
Dass deshalb 54 Jahre später Personen aus dem Hochschul-Umfeld an einem Sommermittag den an der Frankfurter CSD-Demo teilnehmenden Polizist*innen auf die Motorhaube springen dürften, ist an den Haaren herbeigezogen. Aber es folgt einem perfiden Kalkül: Gelingt es, die Polizist*innen aus dem Demo-Zug zu vertreiben, hat man bekommen, was man will. Wehren sich die Polizist*innen ihrer Haut oder Kolleg*innen kommen zu Hilfe, hat man schnell Bilder erzeugt, die den Anschein erwecken, die Polizei ginge bei einem CSD gewaltsam gegen Queers vor.
Queere Solidarität hat Sommerpause
In Frankfurt konnten so die Polizist*innen nicht mehr gemeinsam mit der überwiegenden Mehrheit gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit demonstrieren, weil eine Handvoll Leute es anders beschlossen hatte. Einige davon hatten sich vier Buchstaben auf den Körper gemalt, die für die menschenfeindliche Aussage steht, dass „alle Polizisten Bastarde“ wären. Spätestens das legt offen, wer hier der moralische Verlierer ist.
Foto: overline.tv
Ohrenbetäubend waren deshalb das wochenlange Schweigen des Veranstalters und der fehlende öffentliche Protest der Community. Man hätte denken sollen, es sei Common Sense, dass niemand, der glaubhaft und friedlich im Rahmen der demokratischen Ordnung gegen die Benachteiligung von sich und anderen Menschen demonstriert, von anderen einfach so aus einer CSD-Demo geworfen werden dürfte. Solidarisch wäre gewesen, wenn andere Demoteilnehmer*innen untergehakt die Polizist*innen von den Angreifer*innen abgeschirmt und so die weitere Demoteilnahme ermöglicht hätten. Wenn nämlich radikale Queers andere LGBTIQ* attackieren, die sich schützend vor queere Polizeiangehörige stellen, zeigt sich, wohin die Übergriffe führen: ins Gegenteil von Stonewall.
Eine Zusammenfassung einiger Vorfälle des CSD-Sommers gibt's hier.