In Hannover tobt derzeit unter SPD-Genossen ein Streit über die Person Helmut Schmidt: Soll eine wichtige Straße nach ihm benannt werden? Altkanzler Schröder meint „basta“ und weist jede Kritik an seinem Vorvorgänger zurück – zusätzlich ist für ihn die historische Forschung zu Schmidt als Wehrmachtsoffizier kein notwendiges Thema.
Ich denke, dass hier noch ein anderer Blick erlaubt sein müsste: Im Spiegel vom 15. Juni 1981 wird darauf verwiesen, dass ein FDP-Vorstoß zur Abschaffung des § 175 gerade vom Bundeskanzler Schmidt in den seinerzeitigen Koalitionsverhandlungen abgelehnt worden war.
Schmidt brillierte als Hamburger Innensenator, indem er die Flutkatastrophe 1962 meisterte. Doch gleichzeitig wies er in nahtloser Tradition aus der NS-Zeit die Hamburger Polizei an, „rosa Listen“ zur systematischen Erfassung männlicher Homosexueller anzulegen. Warum sollen nach diesem aktiven Unterstützer der Homosexuellenverfolgung heute vorbildhaft Straßen benannt werden? Viele SPD-Mitglieder sonnen sich auf den CSDs in der Republik, ob sie hetero sind oder nicht. Sie zeigen ihr Profilbild bei Facebook mit Regenbogenfarben. Doch bei der Personalie Schmidt ducken sie sich weg – und zeigen ihr wahres Gesicht: Auf den CSDs geht es ihnen offenbar ausschließlich um Stimmen der Wähler und Wählerinnen. Wo bleiben die Schwusos, die sonst gerne Vorreiterrollen übernehmen? Niemand ist da und schreitet ein. In Hannover jedenfalls sind alle parteiinternen Kritiker nunmehr mundtot gemacht bzw. auf Linie gebracht worden.
• Alexander Wäldner
Alexander Wäldner, Historiker, forscht seit mehr als 15 Jahren zur Verfolgung von Lesben und Schwulen im Nationalsozialismus und in der Bundesrepublik Deutschland