So nahe thematisch und doch so fern? hinnerk hat sich wieder mit den queerpolitischen Vorhaben der Bürgerschaft befasst und bringt euch auf den Stand der Dinge. Tatsächlich gab es im Spätsommer bzw. Herbst zwei thematisch eng verzahnte und doch komplett separate Themenbereiche.
Foto: Michael Zapf / Hamburgische Bürgerschaft
Simon Kuchinke rechts im Bild
#positivarbeiten
Die Deutsche Aidshilfe hatte im Juni 2019 beim Deutsch-Österreichischen Aids-Kongresses (DÖAK) in Hamburg die Deklaration „Respekt und Selbstverständlichkeit: Für einen diskriminierungsfreien Umgang mit HIV-positiven Menschen im Arbeitsleben“ auf den Weg gebracht. Gut ein Jahr später gesellt sich die Stadt Hamburg als Arbeitgeber zu den rund 50 bisher unterzeichnenden Verbänden und Unternehmen. In Zukunft soll eine HIV-Infektion bei der Einstellung von Beamtenanwärter*innen keine Rolle mehr spielen. Der Senat hat dem diesbezüglichen Antrag der SPD und GAL aus dem letzten Jahr nun zugestimmt.
„Hamburg geht voran auf dem Weg zu mehr Toleranz und Offenheit. Die Stadt Hamburg zeigt auch ihren Beschäftigten, dass die Diskriminierung von HIV-positiven Menschen hier keinen Platz hat. Hamburg soll ein sicherer Hafen für HIV-positive Menschen sein, auch und gerade in ihrem Arbeitsleben. Ich bin stolz darauf, dass Hamburg diesen Weg geht und wieder einmal zeigt, wie fortschrittlich und weltoffen unsere Stadt ist.“
Simon Kuchinke, Fachsprecher LSBT*IQ der SPD-Bürgerschaftsfraktion
Eine HIV-Infektion wird zukünftig keine beamtenrechtlich relevante Information mehr darstellen und nicht mehr abgefragt werden. Toll!
Blutspende
Zwölf Monate auf Sex mit einem anderen Mann verzichten. Das muss ein Homo- oder Bisexueller heute, um zur Blutspende zugelassen zu werden. Und nein, das ist medizinisch nicht sinnvoll und hat weder mit der Lebensrealität genannter Zielgruppe noch mit der daraus abzuleitenden „Gefahr“ für eine Übertragung von Hepatitis oder HIV per Blutspende zu tun. Diese „Gefahr“ besteht auch de facto nicht, da jede Blutspende eh untersucht wird – besser ist das auch: Es lügen enorm viele Menschen beim Ausfüllen des Fragebogens und so werden in jedem Jahr rund 100 Blutspenden mit HIV-Nachweis aussortiert. Das sogenannte diagnostische Fenster zwischen einer Infektion und der Nachweisbarkeit ist nach Einschätzung der Fachwelt heute so klein, dass es nicht dazu taugt, derartig unspezifische und strenge Ausschlüsse von der Spende zu rechtfertigen. Vielmehr sei eine individuelle Risikoabschätzung angebracht. Die Regierungsfraktionen von SPD und Grünen haben Ende Oktober mit einem gemeinsamen Antrag den Senat dazu aufgefordert, sich auf Bundesebene für eine Anpassung der Hämotherapie-Richtlinie der Bundesärztekammer einzusetzen, um die andauernde Diskriminierung von homo- und bisexuellen Männern beim Blutspenden zu unterbinden.
„Es wird höchste Zeit, die Diskriminierung von schwulen und bisexuellen Männern bei der Blutspende zu beenden, insbesondere mit Blick auf das inzwischen fünf Jahre alte Urteil des Europäischen Gerichtshofs. ... Ich fordere daher den Präsidenten der Bundesärztekammer auf, uns noch in diesem Herbst auf Basis aktueller Erkenntnisse einen Vorschlag für eine Neuregelung zu unterbreiten.“
Farid Müller, queerpolitischer Sprecher der Grünen Bürgerschaftsfraktion
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn – müsste selbst auch zwölf Monaten auf Vollzug seiner Ehe verzichten, um Blut spenden zu dürfen – hat den jüngsten Forderungen erst mal eine Corona-Pause verordnet. Nachdem am 3. November die erste konstituierende Sitzung der gemeinsamen Arbeitsgruppe „Blutspende von Personen mit sexuellem Risikoverhalten" stattgefunden hat, wurde das Thema auf die nächste Sitzung am 27. Januar 2021 vertagt. Spätestens wenn wegen Covid-19 wirklich zu wenig Blutspenden vorhanden sind und Menschen sterben, wird das eventuell eine im Nachhinein suboptimale Entscheidung gewesen sein.