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Polizei
Haben es nicht immer leicht in der aktuellen gesellschaftlichen Situation: Staatsbürger in Uniform.
Wolfgang Appenzeller (43) ist Polizeihauptmeister und seit August 2014 Beauftragter für LSBT* sowie seit Herbst 2017 Beauftragter für LSBT* bei der Bundespolizeidirektion München. Was er dort für queere Kolleginnen und Kollegen tut und wie sich dadurch eine noch immer von konservativen Männlichkeitsbildern geprägte Institution wandeln könnte, erzählt er hier.
Wie kam es dazu, dass diese Stelle überhaupt geschaffen wurde?
Alles begann 2013, als auf Drängen des Verbands lesbischer und schwuler Polizeibediensteter (VelsPol) der bundesweit erste Ansprechpartner für das Bundespolizeipräsidium Potsdam ernannt wurde. Das hatte bundesweit Vorbildfunktion und im Anschluss habe ich mich in München sehr darum bemüht. Übrigens hatte mich der Präsident der Bundespolizeidirektion auf Anregung der Gleichstellungsbeauftragten als ihren Mitarbeiter zugeordnet. Das ist einmalig in der Bundespolizei und eröffnet mir einen großen Spielraum und Möglichkeiten, welche die übrigen – nebenamtlich beauftragten – Ansprechpersonen nicht haben.
Was sind deine Aufgaben als Beauftragter für LSBT*?
Ich bin dafür da, bei Fällen von Diskriminierung innerhalb der Bundespolizei zu helfen und zu beraten. Ich organisiere und führe Aus- und Fortbildungen oder Vorträge durch und befinde mich immer im internen Austausch mit anderen Stellen. Vor allem aber vernetze ich, sorge für Sichtbarkeit und stelle mich und meine Themen vor.
Wie ist die Resonanz auf deine Arbeit?
Sicher rennen mir Kolleginnen und Kollegen jetzt nicht die Tür ein, aber es gibt durchaus Fälle von Mobbing, Beleidigungen oder einfach dem Verweigern von queerer Sichtbarkeit. Hier kann ich helfen. Manche denken ja, wir brauchen einen Beauftragten erst, wenn etwas passiert. Aber: Allein die Schaffung der Stelle ist ein Signal. Das finde ich fast wichtiger, als den Brand zu löschen, wenn etwas passiert ist.
Die Polizei gilt ja gemeinhin als schwierige Arbeitgeberin für Lesben, Schwule oder Trans* ...
Das ist nicht ganz falsch, denn es gibt in einer männlich identifizierten Umgebung wie der Polizei immer noch Vorurteile auch und gerade gegenüber Schwulen. Das ist Teil einer internen „Kultur“. Das Klischee vom Schwulen läuft ja konträr zu den typisch „männlichen“ Verhaltensweisen, und damit haben manche Kollegen ein Problem.
Hattest du selbst jemals Probleme innerhalb der Kollegenschaft?
Als ich mich mit zwanzig in Rosenheim outete, hatte ich echt Bammel. Aber ich war überrascht, wie wenig schlechte Erfahrungen ich machte. Schon damals war die Bundespolizei unterstützend, und die Befürchtungen waren schlimmer als das, was tatsächlich kam. Die meisten Führungskräfte gehen professionell und auch durchaus sensibel mit dem Thema um. Ich kenne nur wenige, die offen Ablehnung zeigen – was für eine Polizeibehörde positiv ist.
Gibt es einen Unterschied in Sachen Outing zwischen lesbischen Kolleginnen und schwulen Kollegen?
Auf jeden Fall. Lesben sind viel sichtbarer. Das könnte auch daran liegen, dass deren „kerliges“ Klischee in eine solche Organisation eher reinpasst. Bei Männern ist das umgekehrt, denn der Schwule gefährdet das Bild von Männlichkeit. Das könnte auch der Grund sein, warum die meisten Schwulen bei der Polizei nicht auffallen wollen. Sie outen sich nicht, weil sie Angst vor Ausgrenzung und letztlich vor dem Karriereknick haben. Ich kenne im höheren Dienst keine offenen Schwulen, Lesben aber durchaus.
Vor kurzem noch beklagte das schwule Zentrum Sub, dass das Verhältnis von Polizei und schwuler Szene zumindest hier in München noch immer belastet sei. Wie siehst du das?
Ich finde es zumindest schwierig, wenn Innenminister Herrmann beispielsweise die Schaffung eines Ansprechpartners bei der Bayerischen Polizei mit dem Argument ablehnt, man wolle für LSBT* keine Extrawurst braten. Vergewaltigungsopfer sprechen ja auch besser mit Frauen, so wie Schwule besser mit Schwulen sprechen. Außerdem wissen wir, dass viele Opfer homophober Gewalt nicht zur Polizei gehen, weil sie Angst haben, dort diskriminiert zu werden. Offenheit der Polizei fördert das Anzeigeverhalten, was nicht nur Auswirkungen auf das Ansehen der Polizei, sondern auch auf das Wohlbefinden der gesamten Community hat.
Was sind deine nächsten Ziele als Beauftragter?
Ich könnte mir vorstellen, ein LGBT-Peer-Netzwerk oder vielleicht ein LGBT-Mitarbeiternetzwerk ins Leben zu rufen. Für diese Idee und so manche andere dient mir übrigens die Polizei der Niederlande als Vorbild: Sie hat 2016 die erste Weltkonferenz für LSBT*- Polizisten und Polizistinnen auf die Beine gestellt, wirbt um diese Klientel und tritt zum Beispiel offensiv auf Gay Prides auf. Bei unseren Nachbarn geht man ganz selbstverständlich mit der Thematik um. In Deutschland gibt es keine offiziellen Mitarbeiternetzwerke in der Polizei. Es wäre sinnvoll, darüber nachzudenken.