Ein Ort für Exzentriker: Nach einem Jahrzehnte dauernden Dornröschenschlaf gilt Bad Gastein als derzeit angesagtester Ort Österreichs.
Kaiserin Sisi liebte den Ort, Liza Minelli orderte jeden Abend eine Flasche Johnnie Walker in der Casino-Bar. Thomas Mann verbrachte hier die Sommerfrische, Mozarts Mutter kam zu Kur, nachdem sie zwei Fehlgeburten erlitten hatte – und brachte später ihre beiden gesunden Kinder zur Welt. Die Geschichte Bad Gasteins ist wahrlich einzigartig: Jahrhundertelang gaben sich Könige, Künstler und Exzentriker die Ehre, verdankten dem Ort Gesundheit und Seelenfrieden. Als Wintersport- und Kurort blieb Bad Gastein in Erinnerung, doch der Rest der Öffentlichkeit vergaß nach und nach das kleine, mitten in die Berge gebaute Dorf. Schuld daran waren Spekulanten, die das Dorf im Stich ließen, sowie einhergehender Leerstand und Schulden. All das liegt nun in der Vergangenheit. Die Zukunft ist da – und Bad Gastein derzeit der wohl angesagteste Ort Österreichs.
Foto: Leander Milbrecht
Gastein
Das Gasteinertal liegt im Salzburger Land. Vier Dörfer reihen sich hier aneinander wie Perlen an einer Schnur: Dorfgastein, Hofgastein, Bad Gastein und Sportgastein schmiegen sich in das Tal, das aus dem Gasteiner Gletscher entstand. Jedes der Dörfer hat sein eigenes Profil. Wären sie Brüder, so wäre Bad Gastein der Exzentrische, Kreative und Exaltierte von ihnen.
Heimat für Künstler und Andersdenkende
Der Wasserfall donnert mitten durchs Dorf, Touristen bleiben auf der Brücke stehen und schießen Fotos. Die Wassergewalt ist beeindruckend, da sie sich von nichts und niemandem aufhalten lässt. Wasser ist im Gasteinertal ein wichtiger Faktor. 5 Millionen Liter radonhaltiges Thermalwasser schütten die geschätzt 18 Quellen jeden Tag aus, davon kommt die Hälfte des Wassers allein aus der Elisabethquelle – benannt nach Kaiserin Sisi. Auch der einzige weltweit bekannte warme Radonstollen ist ein weiterer Schatz des Tals. Der Aufenthalt im Stollen hilft bei rheumatisch-entzündlichen Krankheiten. Mehr noch als seine Quellen der Gesundheit sind es jedoch die Menschen, die das Dorf so bemerkenswert machen. Unter ihnen ist Ike Ikrath, Architekt und Hotelier. Wie ein grauer Berglöwe streicht er durch das Dorf. „Wem hier langweilig ist, der ist selber langweilig!“, steht für ihn fest. In seinem Hotel Miramonte hat er die Bücherei mit seinen eigenen geliebten Büchern bestückt – von denen immer wieder welche geklaut werden. Das tut ihm zwar weh, aber er sagt: „Mir ist lieber, sie werden geklaut, als dass jemand Seiten herausreißt.“
Foto: dasregina.com
Gastein
Olaf Krone (links) mit seinem Partner Jason Houzer im Hotel Das Regina
Während man durch den Ort läuft, gähnen leere Schaufenster einen an, prächtige Belle-Époque-Bauten erinnern an eine vergangene Zeit. Zwischen Baustellen und aufgerissenen Straßenzügen findet man Designerhotels, Pop-up-Stores, eine Weinbar, Galerien. Plakate bewerben das Kunstfestival „sommer.frische.kunst“: Jeden Sommer stellen moderne Künstler ihre Werke in den Ausstellungsräumen leer stehender Häuser aus. Einer der Initiatoren des Kunstfestivals ist Ike Ikrath.
„Leerstand ist immer ein Magnet für kreative Köpfe“, sagt Olaf Krohne. Er muss es wissen, gilt er doch als einer der Ersten, die Bad Gastein wiederentdeckten. Als Kind besuchte er das Dorf mit seinen Eltern, konnte es nie ganz vergessen. Heute führt er mit seinem Partner Jason Houzer und dem Dalmatinerrüden Scott das Regina Hotel. Hier findet sich auch zeitgenössische Kunst – gespendet von Künstlern, die während des Sommerfrische-Kunstfestivals dort wohnen. „Sie können sich aussuchen, ob sie die Rechnung bezahlen oder uns ein Kunstwerk dalassen“, erzählt Olaf schmunzelnd.
Foto: Waldhaus Rudolfshöhe
Gastein
Jan Breus (links) und Stefan Turowski vor ihrem Waldhaus Rudolfshöhe
Dem Ruf von Bad Gasteins kreativem Fürsprecher folgten andere, darunter die Ex-Berliner Jan Breus und Stefan Turowski, die 2016 den „Waldgasthof Rudolfshöhe“ übernahmen. Isoliert steht das Haus am Hang in 1.200 Meter Höhe, thront oberhalb des Dorfes. Das Paar renovierte das Anwesen, tobte sich innenarchitektonisch aus und schuf sich ein kleines Paradies. Man müsste weit reisen, um einen Ort zu finden, der einen stärkeren Kontrast zum Leben in Berlin bildet. Dennoch nennen einige Bad Gastein nicht mehr wie früher „Das Monte Carlo der Alpen“, sondern „Das Berlin der Alpen“. Stefan erklärt es sich so: „Wenn man nach dem Fall der Mauer durch Berlin ging, über den Hackeschen Markt, und die ganzen leer stehenden, verfallenen Häuser sah – da überlegte man mit großen Augen, was man mit den Häusern alles machen könnte. Und genauso ist es auch, wenn man durch Bad Gastein geht.“
Foto: Leander Milzrecht
Gastein
Mark Hagen in Betty's Bar
Mediterrane Tapas in den Alpen
Für viele Schweden ist das Gasteinertal ein berühmter Skiort, einige der Hotels sind in schwedischer Hand. In Bad Gastein weht ein internationaler Wind, oft wird Englisch gesprochen – so auch in „Betty’s Bar“. Traditionelle österreichische Küche sucht man hier vergebens. „Nothing wrong with a Schnitzel“, lacht Inhaberin Anna. Doch sie und ihr Mann Mark Hagen wollten ein Restaurant eröffnen, in dem sie sich selber wohlfühlen würden.
Anna ist Schwedin, Mark ist Neuseeländer. Gemeinsam eröffneten sie die mediterrane Wein- und Tapasbar – mitten in den österreichischen Alpen. Mark macht nebenbei Musik, tritt an zwei Abenden pro Woche hier auf. Ach, und den weltbesten Kaffee gibt es hier auch! Was klingt, als würde es nicht zusammenpassen, ist am Ende einfach wundervoll.
Marks Hand fährt zärtlich über die Holztheke. Er erinnert sich daran, wie Anna und er das Holz in Handarbeit über Tage hinweg poliert haben. Die ganze Einrichtung trugen sie nach und nach zusammen, nahmen mit, was ihnen gefiel – teilweise sogar vom Sperrmüll. Es sieht aus wie das Meisterwerk eines Innenarchitekten und ist doch spontan, ehrlich und 100 % Anna und Mark. Ein Besuch in der kleinen Bar hallt noch lange nach – genau wie der Gedanke an den köstlichen Kaffee.
Foto: Gasteiner Tal Tourismus GmbH/Marktl Photography
Gastein
Das Gasteinertal: Für jeden etwas
Bad Gastein zieht derzeit viel Aufmerksamkeit auf sich – nur von diesem Ort zu erzählen, wird dem Gasteinertal allerdings nicht gerecht. Die Dörfer sind unterschiedlich: Dorfgastein besticht mit Tradition, Bauernhöfen und Familienfreundlichkeit. In Sportgastein konzentriert man sich im Sommer aufs Wandern, im Winter aufs Skifahren – und kommt so zur Ruhe. In Bad Hofgastein liegt der Schwerpunkt auf Frieden, Gesundheit und Wellness.
Im Bademantel zur Therme laufen, auch das ist in Bad Hofgastein möglich. Fünf der größten Hotels im Ort sind unterirdisch miteinander und mit dem Herzstück des Dorfs verbunden: der Alpentherme. Hier findet man neben Sauna und Adrenalin-Rutschen auch den ersten natürlichen Thermalbadesee Österreichs.
Foto: Gasteiner Tal Tourismus GmbH
Gastein
Etwas entfernt summt eine Biene, an den Gräsern klebt noch der Morgentau. Die Sonne strahlt vom blauen Himmel. Zwei ältere Herren laufen mit Nordic-Walking-Stöcken vorbei, beobachten lächelnd eine Gruppe, die mitten im Park Yoga macht. Ringsum türmen sich die Berge auf. Kirchenglocken schlagen zur vollen Stunde. Der friedliche, kleine Ort kommt dem nahe, was man sich unter einem Alpendorf vorstellt: Erholung, Shoppingläden und die ein oder andere Après-Ski-Kneipe. Die Unterschiedlichkeit der Dörfer ist ein Geschenk für jeden Urlauber. Wer sich in mehr als einem der Dörfer wiederfindet, kann sich die Urlaubszeit auch bequem zwischen den Orten einteilen. Da gibt es nur noch eines: Auf ins Gasteinertal!
INFO
ANREISE
Das 90 Kilometer südlich von Salzburg gelegene Gasteinertal verfügt über drei Bahnhöfe. Mit den Transit-Taxis wird man kostengünstig von Ort zu Ort gebracht. Perfekt, wenn man sich nicht zwischen Bad Gastein und Bad Hofgastein, zwischen Kultur und Wellness entscheiden möchte. Auch die Fahrt zur Alm ist möglich. www.gasteintaxi.com
ÜBERNACHTEN
Von außen erinnert das am Berghang gelegene Hotel Miramonte an einen James-Bond-Film. Aus der Zeit, in der das Haus der österreichischen Nationalbank gehörte, sind vier Sessel in der Bar geblieben – und die großen Türen. „Wegen der Türen haben wir das Haus gekauft“, erzählt Inhaber Ike Ikrath trocken. Wer die Möglichkeit hat, mit ihm an der Hotelbar ein Glas Wein zu trinken, sollte sie ergreifen. www.hotelmiramonte.com
Foto: Hotel Miramonte
Gastein
Hotel Miramonte
Das Hotel Österreichischer Hof liegt mitten in Bad Hofgastein. Es existiert seit 1907 und wird in fünfter Generation betrieben. Zum Hotel gehört neben dem Durchgang zur Alpentherme auch das private Celtic Spa. Das kulinarische Angebot sticht besonders hervor. www.oehof.at
Foto: oehof.at
Gastein
WELLNESS
Auch in Bad Gastein gibt es eine Therme: Die Felsentherme ist älter, kleiner und klassischer als die Therme in Bad Hofgastein. Für das Hallenbad wurde Platz aus dem Felsen herausgesprengt, Teile der natürlichen Felsen sichtbar gelassen. Dazu bietet die Therme eine abwechslungsreiche Sauna und einen großen Außenbereich. www.felsentherme.com
Foto: Gasteiner Tal Tourismus GmbH/Max Steinbauer