Gemeinsam mit der Hauptstadt Neu-Delhi bilden die Städte Agra und Jaipur Indiens „Goldenes Dreieck“. Mit Highlights wie dem Taj Mahal, Old Delhi und dem Palast der Winde ist die Route der ideale Einstieg für eine Erkundung des Subkontinents.
„Menschen, Farben, Gerüche, Lärm, Chaos“. Fragt man Robin Saikhom danach, was ihn an seinem Heimatland fasziniert, muss er nicht lange nachdenken. Geboren in Indiens Nordosten, lebt und arbeitet der 38-jährige Reisespezialist inzwischen in der Hauptstadt Neu-Delhi. Mit seinem Unternehmen Serene Journeys organisiert der schnauzbärtige Inder mit markanter Brille seit gut zehn Jahren individuelle Rundreisen für LGBTIQ*-Urlauber. „Meine ersten Jahre habe ich damit verbracht, das Land zu bereisen, privat geführte Boutique-Hotels zu besuchen und Reiseführer zu treffen, um sie für queere Besucher zu sensibilisieren“, so Robin. Indien sei zwar im Vergleich zu anderen Ländern noch ein ziemlich konservatives Land, was das Thema LGBTQ betrifft, die Gastfreundschaft Fremden gegenüber sei jedoch überall zu spüren. „Die Gesellschaft ist im Wandel“, erzählt Robin. Für ihn sind die Menschen das eigentliche Erlebnis während einer Reise durch Indien. „Man sollte sich Zeit nehmen, Leute zu beobachten. Inder sind neugierig – besonders bei Menschen aus anderen Ländern. Und sehr direkt. Du darfst dich nicht wundern, wenn man dir viele, auch sehr persönliche Fragen stellt. Privatsphäre ist für viele von uns ein Fremdwort.“
Foto: Studio63
Robin
LGBTIQ*-Reisespezialist Robin
Es gibt kaum ein Land, das Reisende so polarisiert wie Indien. Zumindest wenn man es bisher noch nicht selbst erlebt hat. Während dem einen bunte Farben, aromatische Gewürze und eine uralte Kultur in den Kopf kommen, denken andere an Smog, Lärm, Verkehrschaos und hygienische Herausforderungen. Die Wahrheit ist wie von Robin beschrieben: Beide Perspektiven sind richtig, und wahrscheinlich gehört der Subkontinent daher zu jenen Ländern, die gerade auch für queere Reisende bisher nicht zwingend auf der Top-Liste der Urlaubsdestinationen stehen.
Kampf um Gleichheit
Das von der britischen Kolonialmacht eingeführte Gesetz, das „sexuelle Handlungen wider die Natur“, darunter schwulen Sex, unter Strafe stellte, wurde erst 2018 vom Obersten Gerichtshof Indiens aufgehoben. Eine Petition, die Ehe für alle einzuführen, scheiterte im Oktober 2023 vor dem Obersten Gerichtshof, der eine Entscheidung darüber an das Parlament verwies. Zu den prominenten Unterstützern der Petition zählte auch der Executive Direktor der Lalit Suri Hospitality Group, Keshav Suri, der sich seit Jahren für die Themen Diversity, Gleichstellung und Inklusion einsetzt. Die 14, überwiegend im 5-Sterne-Bereich angesiedelten, Lalit-Hotels wurden von der International LGBTIQ+ Travel Association (IGLTA) als eine der ersten in deren IGLTA-Accredited-Programm aufgenommen. Viele Angestellte in den Hotels sowie auf der Führungsebene sind Teil der Community, darunter erstaunlich viele trans Menschen. In den Hotelzimmern liegen neben Büchern zur rechtlichen Situation von queeren Menschen in Indien auch Kinderbücher aus. Deren Protagonist ist ein regenbogenfarbener Elefant namens Elphi, der zum Beispiel Abenteuer mit einem im Rollstuhl sitzenden Bären erlebt. Das Lalit-Hotel Neu-Delhi ist zudem Heimat des bekanntesten LGBTIQ*-Klubs der Stadt. Während donnerstags im Kitty Su eine „Queer Night“ mit Dragshow stattfindet, ist der Klub auch am Wochenende ein beliebter Treffpunkt der Community. „Im Depot48, einer Mischung aus Bar, Restaurant und Klub, findet ebenfalls jeweils am Donnerstag eine ‚Queer Night‘ statt“, erzählt Robin, der zudem das gleich daneben gelegene, von der lesbischen Promi-Köchin Ritu Dalmia geführte Restaurant Diva empfiehlt.

Foto: Dirk Baumgartl
Delhi
Jama Masjid Moschee
Moschee & Markt
Dank seiner zentralen Lage zwischen dem modernen Regierungsviertel und der historischen Altstadt ist das Hotel Lalit ein guter Ausgangspunkt, um die Stadt zu erkunden. Die Hauptstadt Indiens ist Teil der Megastadt Delhi, die mit knapp 32 Millionen Einwohnern Rang drei der größten Metropolregionen der Erde einnimmt. Spätestens ab Mittag ist das Verkehrschaos vorprogrammiert, wenn sich Autos, Motorräder und Tuk Tuks dicht an dicht durch die Straßen schieben. In Old Delhi, der historischen Altstadt, drängeln sich zudem noch Tausende von Fahrradrikschas zwischen den motorisierten Verkehr. Seine Erkundungstour durch die Altstadt beginnt man am besten am Morgen mit dem Besuch der Jama Masjid. Indiens größte Moschee mit Platz für bis zu 25.000 Gläubige wurde Mitte des 17. Jahrhunderts in der Regierungszeit des Großmoguls Shah Jahan erbaut, der auch das im 220 Kilometer entfernten Agra liegende Taj Mahal errichten ließ. In Sichtweite der Moschee liegt die ebenfalls von Shah Jahan erbaute Festungs- und Palastanlage, die als Rotes Fort bekannt ist und seit 2007 zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt. Dazwischen befindet sich der Chandni-Chowk-Markt mit seinen engen Gassen, Basaren, historischen Wohn- und Geschäftshäusern sowie unzähligen Läden, in denen es von Gewürzen über Obst, Gemüse, Schmuck, Kleidung und Haushaltswaren bis zu Möbeln, Kunsthandwerk und Fahrrädern alles zu kaufen gibt, was man sich denken kann. Derweil vereinen sich in den Straßen Farben, Lärm und der Geruch von Garküchen, Abgasen und Räucherstäbchen zu einem intensiven Erlebnis für alle Sinne.

Foto: Dirk Baumgartl
Delhi
Humayun-Mausoleum
Ewige Ruhe
Wer dem Großstadttrubel für ein, zwei Stunden entkommen will, sollte sich Zeit für einen Besuch des Humayun-Mausoleums und seiner weitläufigen Parkanlage nehmen. Das Mitte des 16. Jahrhunderts im persischen Stil erbaute Grabmal für den 1556 verstorbenen Großmogul Nasiruddin Muhammad Humayun gehört neben dem Taj Mahal in Agra zu den prächtigsten historischen Bauwerken Indiens. Im riesigen Garten, der mit kleinen Wasserkanälen durchzogen ist, finden sich zudem weitere Grabmale und Reste einer Moschee. Im modernen Teil Neu-Delhis gehören zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten vor allem der Sitz des Präsidenten, die Parlamentsgebäude und das India Gate – ein 42 Meter hoher Triumphbogen aus dem Jahr 1921, in dessen Mauern die Namen von 90.000 indischen und britischen Soldaten eingraviert sind, die im Ersten Weltkrieg ihr Leben ließen. Zudem befindet sich ganz in der Nähe die wichtigste Gedenkstätte für den Anführer der indischen Unabhängigkeitsbewegung, Mahatma Gandhi. Am Raj Ghat, jener Stelle, an der der Leichnam Gandhis nach dem Attentat vom 30. Januar 1948 eingeäschert wurde, befindet sich heute eine schwarze Marmorplatte mit ewiger Flamme.
Männerliebe
Nicht verpassen sollte man zudem einen Besuch des im Süden Neu-Delhis gelegenen Qutb-Komplexes mit den Ruinen einer alten Moschee und einem Minarett aus dem 12. Jahrhundert, das zu den höchsten Turmbauten der islamischen Welt und zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt. Hier findet sich unter anderen das Grab des Sultans Iltutmish, dessen Tochter Razia Männerkleidung trug und als strenge und furchtlose Herrscherin der Mamluken-Dynastie galt – die erste Muslimin auf dem Subkontinent in dieser Position. Sultan Mubarak Shah, der rund um den Qutb-Komplex von 1316 bis 1320 regierte, war dagegen als bisexuell bekannt, pflegte offen eine Liebesbeziehung zu einem Brüderpaar, das ihm als Sklaven diente, und war für recht eigentümliche Praktiken bekannt. So ließ er etwa regelmäßig Prostituierte nackt auf der Terrasse seines Palastes aufmarschieren, die auf Adelige beim Betreten seines Hofes urinierten.

Foto: Dirk Baumgartl
Agra
Rotes Fort in Agra
Perfekte Symmetrie
Die wohl bekannteste historische Liebesbeziehung Indiens war die zwischen Großmoguls Shah Jahan und seiner Frau Mumtaz Mahal, die im Jahr 1631 verstarb und deren Mausoleum das berühmteste Bauwerk Indiens ist. Je nach Sonneneinstrahlung changiert der mit weißem Marmor verkleidete Taj Mahal in den verschiedensten Weiß- und Gelbtönen. Gut drei Autostunden vom Neu-Delhi entfernt erhebt sich das in Agra am Ufer des Flusses Yamuna liegende Bauwerk von einem quadratischen Unterbau knapp dreißig Meter in die Höhe. Umrahmt von vier Minaretten gilt der Taj Mahal mitsamt seinem ihn umgebenden Garten zu den symmetrischsten Bauwerken der Welt. Einzig der später neben das Grab für Mumtaz Mahal gesetzte Sarkophag ihres Mannes stört die perfekte Symmetrie. Trotz der in der Hauptsaison bis zu 40.000 täglichen Besucher, die sich auf der Hauptachse entlang eines Wasserbeckens auf das Mausoleum zubewegen, finden sich auf dem Gelände immer wieder einsame Flecken, von denen aus man das beeindruckende Monument in aller Ruhe betrachten kann. Nicht weniger sehenswert ist das vom Taj Mahal nur einige Kilometer flussaufwärts gelegene Rote Fort. Die Palastanlage – ebenso wie der Taj Mahal Teil des UNESCO-Weltkulturerbes – ist ein Paradebeispiel für die Mogularchitektur des 16. und 17. Jahrhunderts. Hinter meterdicken und -hohen roten Sandsteinmauern befinden sich marmorne Paläste, prächtige Empfangshallen und weitläufige Innenhöfe, in denen die Moguln samt Harem und Hofstaat residierten.

Foto: Dirk Baumgartl
Jaipur
Palast der Winde
Alles rosa
Bis zum indisch-pakistanischen Unabhängigkeitstag am 15. August 1947 bestand der Subkontinent aus 565 Fürstenstaaten mit jeweils eigenen Herrschern, Palästen und Armeen. Der 1093 gegründete Fürstenstaat Jaipur im Bundesstaat Rajasthan brachte es dabei zu besonderer Bedeutung. Die heutige Stadt Jaipur ist mit ihren drei Millionen Einwohnern die Hauptstadt Rajasthans und bildet mit Neu-Delhi und Agra das sogenannte „Goldene Dreieck“, eine der touristischen Hauptrouten des Landes. Neben dem imposanten, auf einem Bergrücken im 16. und 17. Jahrhundert erbauten Amber Fort, das mit seinen zahlreichen Höfen, eindrucksvollen Palastanlagen und einem Mogulgarten beeindruckt, ist die 1727 gegründete Altstadt Jaipurs mit ihren rosafarbenen Häusern eine der malerischsten Städte Indiens. Den Anstrich in Rajasthans traditioneller Farbe der Gastfreundschaft erhielt sie 1876 in Vorbereitung auf den Besuch von Kronprinz Albert Edward, Prince of Wales. Neben dem sehenswerten Stadtpalast, der heute ein Museum für Kunsthandwerk, Waffen und historische Kleidung beherbergt und zum Teil noch vom aktuellen Maharadscha Padmanabh Singh bewohnt wird, gehört der dazugehörige Hawa Mahal, der „Palast der Winde“, zu den Wahrzeichen der Stadt. Gleich daneben, rund um die Straßenkreuzung an der U-Bahnstation Badi Chaupar, erlebt man Indien wie aus dem Bilderbuch: Chaotischer Verkehr, in dem sich immer wieder auch Kühe oder königliche Elefanten finden, dampfende Garküchen, die Gol Gappa, ein mit gewürztem Wasser gefülltes Teigbällchen, servieren sowie ein Basar, durch dessen enge Gassen sich die Menschen drängeln, um knallbunte Hochzeitskleider, Schuhe, Schmuck, Gemüse oder Obst zu kaufen. Ein wahres Fest für sämtliche Sinne mit allem, was Indien zu bieten hat: Menschen, Farben, Gerüche, Lärm, Chaos.
INFO
ANREISE
Air France fliegt täglich über das Drehkreuz Paris Charles de Gaulles ab zahlreichen deutschen Flughäfen nach Neu-Delhi. Geflogen wird mit einem A330-200 mit neuer Kabine in Economy, Premium Economy und Business Class. www.airfrance.de

Foto: Dirk Baumgartl
Lalit Hotels
Mitarbeiter im LaLIt Hotel New Delhi
HOTEL
Sämtliche Hotels der Lalit-Gruppe wurden in das Accredited-Programm der International LGBTQ+ Travel Association (IGLTA) aufgenommen und stellen höchste Ansprüche an sich selbst in Hinblick auf Diversität, Gleichstellung und Inklusion. Neben dem Flagship-Haus in Neu-Delhi, das zugleich Heimat des queeren Nachtklubs Kitty Su ist, verfügt die im Luxussegment angesiedelte Gruppe u. a. über Hotels in Jaipur, Mumbai, Udaipur und Goa. www.thelalit.com
TIPP
Das Boutique-Reiseunternehmen Serene Journeys hat sich auf Urlauber aus der LGBTIQ*-Community spezialisiert und bietet individuelle Reiseprogramme – etwa mit Auto und eigenem Fahrer – durch Indien und andere asiatische Länder. www.serenejourneys.co