Unweit der LGBTIQ*-Urlaubshochburg Palm Springs hat die queere Community die „Hi Desert“ genannte Region rund um den Joshua Tree National Park für sich entdeckt. Das Ergebnis ist deutlich zu sehen: Unkonventionelle Bars, ausgezeichnete Restaurants und spleenige Kunstprojekte erwecken die Wüste zu neuem Leben.

Foto: Dirk Baumgartl
Joshua Tree
Trend-Bar Más o Menos
Mit der Pandemie kam der Boom. Galten die am Rande des Joshua Tree National Park gelegenen Gemeinden Yucca Valley, Joshua Tree und Twentynine Palms einst als verschlafene Nester, in die sich Outsider und all jene verirrten, denen das nötige Kleingeld für ein Leben in Los Angeles oder jenseits der Berge im Coachella Valley mit Orten wie Palm Springs, Palm Desert oder Indian Wells fehlte, sorgte Corona dafür, dass sich die Situation schlagartig änderte. Zwar hatte die queere Community die Region schon ein paar Jahre vor der Pandemie für sich entdeckt und konnte sich dank damals günstiger Preise hier komfortabel einrichten, der eigentliche Run begann aber während und nach der Pandemie. Ab 2020 wurde die „Hi Desert“, wie man die bergige Wüstenregion zwischen dem Joshua Tree National Park und der Mojave Desert hier nennt, vermehrt als Zufluchtsort für gestresste Großstädtern beliebt, die sich Land und Häuser kauften. Beeinflusst vom Desert Modernism der 1950er-Jahre, der wie kein anderer Architekturstil für das etwa vierzig Autominuten entfernte Palm Springs steht, entstanden an den Hängen entlang des 29 Palms Highway schicke Häuser, die sich im minimalistischen Boxen-Design in die Landschaft einfügen. Ein Pool darf dabei ebenso wenig fehlen wie die obligatorische Ladestation für das neuste Elektroauto. Sind die Besitzer nicht zu Hause, werden die Anwesen über gängige Plattformen wie Airbnb als Ferienwohnungen vermietet.

Foto: Nolasco Studios
Joshua Tree
Ferienhaus in Joshua Tree
Für den schwulen Hausbesitzer Asher ist die Vermietung ideal, um das Projekt zu refinanzieren. Die Nähe zu seinem Haus in West Hollywood, die grandiose Landschaft und eine sich immer besser entwickelnde Infrastruktur mit Coffee Shops, Restaurants und Geschäften des täglichen Bedarfs waren ausschlaggebend für seine Entscheidung, sein Traumhaus zu bauen. Aus den bodentiefen Fenstern seines Hauses blickt der Mittvierziger auf die trockene Landschaft, der Pool am Ende der Terrasse besteht aus einem recycelten Schiffscontainer, der mit seiner Glasfront ein wenig an ein Aquarium erinnert.
Kulinarische Oase
Der Zuzug reicher Städter hat in den letzten Jahren das Preisniveau der Region deutlich gehoben. In schicken Bars wie dem in Joshua Tree gelegenen Más o Menos kostet der Cocktail schon mal an die zwanzig Dollar – dafür sieht das Publikum so aus, als käme es gerade vom superhippen Coachella Festival, das jenseits der Berge jedes Jahr im April stattfindet. Tagsüber ein Coffeeshop, verwandelt sich der große Außenbereich am Abend in eine schicke Cocktailbar, in der DJs für chillige Musik sorgen und wohlklingende Kreationen wie Yucca Mule, Thirst Trap, Hi Desert Spritz oder Honey Orange Old Fashioned serviert werden. Für Einheimische gibt es – wie vielerorts in der Hi Desert – einen Rabatt. Mindestens ebenso im Trend wie Más o Menos liegt die in Twentynine Palms zu findende Kitchen In The Desert. Auch hier ist der große Außenbereich mit Loungemöbeln, Sonnensegeln und Wüstenpflanzen perfekt durchgestylt. Die Gerichte sind von der Küche Trinidads und Tobagos inspiriert und laden dazu ein, am Tisch untereinander geteilt zu werden. Süßkartoffeln mit Tamarindensoße stehen dabei ebenso auf der Karte wie Schweinebauch mit Gorgonzola, geschmorter Ochsenschwanz oder ein Pfeffer-Shrimp. Die wahren Pioniere der gehobenen Hi-Desert-Küche findet man jedoch etwas abseits vom 29 Palms Highway: Wer sich gen Norden Richtung Pioneertown und zum mysteriösen The Integratron aufmacht, findet in dem Örtchen Flamingo Heights das kleine, aber feine Restaurant La Copine.

Foto: Dirk Baumgartl
Joshua Tree
Von der New York Times als „erfreuliche Oase in der Wüste Kaliforniens“ betitelt, wurde das Restaurant von dem lesbischen Ehepaar Nikki Hill und Claire Wadsworth in einem ehemaligen Diner am Highway 247 eröffnet. Das Menü ist überschaubar, denn hier wird saisonal und frisch gekocht. Längst wissen nicht nur Einheimische das La Copine als inklusiven Ort zu schätzen, in dem ein Rentnerpaar aus dem nahen Yucca Valley auf schwule Gäste aus Palm Springs trifft. Das Restaurant, das von Donnerstag bis Sonntag nur zwischen 11 und 16 Uhr geöffnet hat, ist ein idealer Ort für ein spätes Mittagessen, etwa nach einem Besuch des Integratron. Der weiße Kuppelbau des inmitten der Mojave-Wüste stehenden Integratron wurde vom ehemaligen Flugzeugingenieur und selbst ernannten Ufologen George Van Tassel in den Sand gesetzt. Geplant als „Zeitmaschine für Grundsatzforschung zur Verjüngung, Antigravitation und Zeitreise“, stammen die Baupläne laut Angaben Van Tassels von Außerirdischen, die er nach einem kurzen Flug mit deren Ufo in den 1950er-Jahren erhielt. Damit keine Metalle den magischen Magnetismus der Region stören, wurde die Kuppel des Gebäudes komplett aus Holz gebaut. Neben zahlreichen Ufologen und Alien-Fans pilgern heute auch viele Menschen zum Integratron, um unter der Kuppel mit ihrer einzigartigen Akustik ein Klangbad zu nehmen. Hierbei werden Klangschalen im Raum verteilt, zwischen denen die Gäste auf dem Boden liegend für neunzig Minuten die Welt um sich vergessen.

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Joshua Tree
Kitsch & Kunst
Nur wenige Kilometer vom Integratron entfernt, bietet sich den Wüstenbesuchern eine ganz andere Welt. 1946 entstand der Ort Pioneertown als Filmkulisse für Westernfilme, in dem Schauspieler und Filmcrews aber auch wohnen konnten. Und so verbirgt sich hinter den historischen Fassaden eine dem damaligen Standard entsprechende moderne Infrastruktur, die heute von kleinen Boutiquen und Restaurants wie Pappy and Harriets genutzt werden. Über fünfzig Filme und Fernsehshows wurden hier gedreht, und auch für Cyndi Laupers Video zu „Funnel of Love“ diente Pioneertown als Kulisse. Doch damit längst nicht genug, denn die Hi Desert hält für den Besucher noch weitere Kuriositäten parat. Da ist zum einen der von religiösem Kitsch triefende Desert Christ Park an den Hängen von Yucca Valley, wo überlebensgroße und blendend weiß gestrichene Christusstatuen Szenen aus Jesu Leben nachstellen sollen. Zum anderen findet man etwa zehn Autominuten nördlich von Joshua Tree das Noah Purifoy Outdoor Desert Art Museum. Purifoy, ein 1917 geborener afroamerikanischer Künstler, dem das renommierte Los Angeles County Museum of Art (LACMA) 2015 eine Retrospektive widmete, zog 1989 in die Wüste und schuf hier über hundert Skulpturen, die auf einer Fläche von gut vier Hektar zu bestaunen sind. Zu den Werken gehören große Installationen aus Metall, Schrott, Autoreifen, Spielzeug oder Toilettenschüsseln ebenso wie kleinere Skulpturen. Das kostenlose Museum bietet jedenfalls großartige Fotomotive mit moderner Kunst und den auf dem Gelände allgegenwärtigen Joshua Trees.

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Joshua Tree
Purifoy Desert Art Museum
Einmalige Landschaft
Die zu der Familie der Yucca gehörende Josua-Palmlilie – so die deutsche Bezeichnung – stand Pate für den Namen des teils spektakulären Nationalparks, dessen Eingänge sich nur wenige Minuten von den Gemeinden Joshua Tree und Twentynine Palms befinden. Mit über zwölf Meter Höhe und einem Alter von bis zu 150 Jahren, einige Experten sprechen sogar von 300 bis 900 Jahren, sind die markanten Pflanzen neben dem Saguaro-Kaktus das Symbol der kalifornischen Wüste. Der über 3.000 Quadratkilometer große Park mit seinen Joshua-Tree-Wäldern, Kakteengärten und außergewöhnlichen Felsformationen bietet zahlreiche Wanderwege, etwa durch das Hidden Valley, und Zeltplätze für Übernachtungen. In den Wintermonaten ist der Nationalpark ein beliebtes Ziel für Kletterer, im Sommer steigen hier die Temperaturen schon ab dem frühen Morgen auf über dreißig Grad im Schatten. Neben etwa 750 verschiedenen Pflanzenarten leben in dem Park Wüsten-Dickhornschafe, Hirsche, Kojoten, Pumas und Luchse sowie jede Menge Nagetiere, Fledermäuse und Reptilien, darunter die bedrohte Wüstenschildkröte. In der Nacht ist der bis auf 1.700 Meter Höhe gelegene Park ein idealer Ort, um Sterne zu beobachten. Die schönste Route für Autofahrer geht vom West-Eingang in Joshua Tree in Richtung Südeingang nach Cottonwood Springs. Von hier gelangt man über die Interstate 10 in etwa sechzig Minuten nach Palm Springs.

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Joshua Tree
Wer sich von seinem Ausflug in die Hi Desert ein kleines und witziges Andenken mit nach Hause nehmen möchte, sollte einen Stopp in der im Joshua Tree Village gelegenen The Station einlegen. Schon aus der Ferne ist die große Cowboy-Statue am 29 Palms Highway zu erkennen, die vor einer aus dem Jahr 1949 stammenden ehemaligen Tankstelle aufgebaut ist. Das von dem schwulen Paar Glen Steigelman und Steve Halterman betriebene Souvenirgeschäft hat so ziemlich alles im Sortiment, was das Touristenherz begehrt: mexikanische Wolldecken, Schmuck, Postkarten und Kakteen, aber auch lustige T-Shirts, alte Schallplatten und Regenbogenmagneten mit der Aufschrift „Joshua Tree“. Wer es ein wenig seriöser mag, kann sein Glück in den Design-Stores und kleinen Modeboutiquen versuchen, die man vor allem in Yucca Valley und Joshua Tree entlang der Hauptstraße findet und die mit einem Regenbogenaufkleber oder einer -fahne signalisieren, dass die queere Community hier inzwischen allgegenwärtig ist.
INFO
www.visitgreaterpalmsprings.com
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ANREISE
Condor fliegt täglich von Frankfurt nonstop nach Los Angeles mit einem Airbus A330 neo und neuer Kabine in Economy, Premium Economy und Business Class. Je nach Verkehrslage dauert die Fahrt mit dem Mietwagen, etwa von Alamo, von Los Angeles nach Joshua Tree gute zwei Stunden. www.condor.com, www.alamo.de