Ein starkes Signal aus der europäischen Zivilgesellschaft: Mehr als eine Million Menschen haben eine Petition für ein EU-weites Verbot von sogenannten Konversionstherapien unterzeichnet. Die Initiative „Act“ erreichte damit kurz vor Fristende die notwendige Schwelle, die die Europäische Kommission verpflichtet, sich mit dem Anliegen auseinanderzusetzen. Dieser Erfolg ist ein bedeutender Schritt im Kampf gegen die schädlichen und diskriminierenden Praktiken, die darauf abzielen, die sexuelle Orientierung von Menschen zu ändern.

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EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (Mitte) und die Kommissarin für Krisenvorsorge und Gleichstellung Hadja Lahbib (rechts). Von der Leyen beauftragte Lahbib bereits im vergangenen Jahr mit einem Verbotsgesetz – nun muss sie handeln
Zahlreiche Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, darunter Künstler und Politiker wie die belgische Sängerin Angèle und die Grünen-Bundestagsabgeordnete Nyke Slawik, unterstützten den Aufruf. Einer der Initiatoren, der 21-jährige Student Mattéo Garguilo, betonte das Potenzial der Bewegung, tatsächliche Veränderungen zu bewirken. Während Länder wie Deutschland (seit 2020), Belgien, Frankreich, Griechenland, Malta, Portugal, Spanien und Zypern bereits nationale Verbote erlassen haben, fehlt eine solche Regelung in 19 weiteren EU-Staaten.
Sogenannte Konversionstherapien basieren auf der falschen und gefährlichen Prämisse, Homosexualität sei eine Krankheit, die „geheilt“ werden müsse. Sie können schwerwiegende psychische Schäden bei den Betroffenen verursachen. Die EU-Kommissarin für Gleichstellung, Hadja Lahbib, äußerte ihre Unterstützung für die Petition und verurteilte die Praktiken als „beschämend“. Sie verwies darauf, dass diese mitunter zu Suiziden führen und eine „Krankheit bekämpfen, die in Wirklichkeit keine ist“. Bereits im vergangenen September hatte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Lahbib beauftragt, ein EU-weites Verbot sowie eine umfassende Strategie für die Gleichberechtigung von LGBTIQ*-Personen auszuarbeiten.
Homolobby schafft, was Reaktionäre nicht schafften
Der jetzige Erfolg der Petition „Act“ steht in einem bemerkenswerten Kontrast zu früheren Versuchen, die europäische Gesetzgebung in eine gänzlich andere Richtung zu lenken. Man erinnert sich an die Europäische Bürgerinitiative „Mum, Dad & Kids“, die zwischen 2015 und 2017 aktiv war. Unter dem Deckmantel des „Kinderschutzes“ zielte diese Initiative darauf ab, EU-weit eine Definition von Ehe als eine Verbindung ausschließlich zwischen Mann und Frau sowie von Familie basierend auf Ehe und/oder Abstammung festzuschreiben. Die Initiatoren behaupteten damals, über eine Million Unterschriften gesammelt zu haben.

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„Besorgte Eltern" in Hamburg 2015
2015 war auf Deutschlands Straßen Kulturkampf um Schulbildung, Frühsexualisierung und Co
Doch während die aktuelle Petition für ein Verbot von Konversionstherapien auf breite Unterstützung und wissenschaftliche Erkenntnisse baut, entpuppte sich „Mum, Dad & Kids“ als ein Versuch konservativer Kräfte, LGBTIQ*-Rechte zu beschneiden. Die Europäische Kommission stufte die Initiative „Mum, Dad & Kids“ letztlich offiziell als „erfolglose Sammlung“ ein. Trotz der vollmundigen Behauptungen der Organisatoren erfüllte die Initiative nicht die rechtlichen Anforderungen, sei es bei den validierten Unterschriften oder den notwendigen nationalen Quoten. Ein Streit um die korrekte Auslegung der Sammlungsfrist, den die Organisatoren bis vor den Europäischen Bürgerbeauftragten trugen, endete ebenfalls zu ihren Ungunsten.
Das Scheitern von „Mum, Dad & Kids“ verdeutlichte einerseits die prozedurale Strenge des EBI-Instruments, andererseits aber auch, dass vorgeschobene Argumente wie der „Kinderschutz“ nicht immer verfangen, wenn sie darauf abzielen, etablierte Menschenrechtsstandards zu untergraben und bestimmte Gruppen zu diskriminieren. Der aktuelle Erfolg der Petition gegen Konversionstherapien zeigt hingegen, dass zivilgesellschaftliches Engagement, das auf Inklusion und dem Schutz von Minderheiten beruht, in der EU durchaus Gehör finden und positive Veränderungen anstoßen kann. *ck/AFP/Archiv