
Foto: Dikla Stern
„TROPHY“, Acrylic auf Leinwand – Mixed Media, 2019/20, © Dikla Stern, VG Bild-Kunst 2023
Die Künstlerin Dikla Stern präsentiert ihre Statement-Unterwäsche, unter anderem die „Boxer Brief Edition TROPHY“ – „Weil manche Aussagen dahin gehören, wo sie niemand vermutet“. Und Zeit für unsere Fragen hatte sie auch.
Wie kamst du auf die Idee, deine Kunst auf Unterhosen zu platzieren? Basierend auf dem Werk „Trophy“ ist die Boxershorts direkt aus der Arbeit selbst entstanden. Das Original zeigt ein blutrotes Geweih des Hirsches vor einer hellblauen Tapete mit sich wiederholendem Rosenmuster. An dem gemalten Geweih hängt ein modischer Herrenslip. Die Arbeit wirft einen kritischen und satirischen Blick auf die Jagdtrophäe als Symbol für das zur Schau stellen von Macht und Dominanz. Durch den applizierten Slip – der bewusst in die Arbeit integriert ist – wird die Idee von Eroberung, Macht und Dominanz als Statussymbol jetzt satirisch unterwandert, verändert und auf der Grundlage konservativ-elitärer Werte auf eine sexuelle Ebene übertragen: Aus feministischer Perspektive entsteht dabei die Assoziation, dass die Frau den Mann erobert; aus homoerotischer Sicht: Der Mann erobert einen Mann. Durch die bildliche Sprache werden gesellschaftliche Rollen hinterfragt. Der Slip ist somit die performative Erweiterung dieser Auseinandersetzung. Wer ihn trägt, wird selbst Teil dessen.
Der Hirsch auf dem Penis, was gibt es noch? Richtig. Die Boxer Brief Edition TROPHY hat sozusagen Premiere. Zudem sind zwei Designer-Editionen, Secret und Drama, partiell aus meiner Installation LILILALALAND assoziativ auf ein Objekt adaptiert, also Textelemente im Einsatz. Weiterhin zeigt die Arbeit Männer (Werk 324/7): Sieben Männer in dunklen Anzügen, einheitlich im Dresscode, alle schauen aus dem Bild auf etwas, das uns verborgen bleibt. Der Moment bleibt stumm, aber geladen. Mich interessiert diese Spannung: Gleichheit und Individualität, Macht und Kontrolle. Wenn das dann auf einer hochwertigen Kulturtasche auftaucht – etwas sehr Privates, das man mit sich trägt, aber dessen Inhalt niemand kennt – setzt sich genau dieses Thema fort. Was zeigen wir, was verbergen wir?
Das Thema Zweigeschlechtigkeit und Mischformen wurde im Porträt WELTENKINDER bearbeitet – dazu gab es 2014 ja schon bei dir ein Interview, das in die Auswahl einbezogen wird.
Weiterhin werden Malerei und Installationen als Kunstdrucke erhältlich sein – auf passenden Textilien, aber auch als Kunst fürs Büro. Für den Sommer ist eine kleine Reise-Edition geplant, danach folgt etwas für den privaten Raum. Ergänzend ist der erweiterte Ausstellungskatalog zur gleichnamigen Installation LILILALALAND zweisprachig als eBook bei Kindle mit Einführung in die Ausstellung und Beschreibungen erschienen. Die limitierte erste Printausgabe ist nur noch in kleiner Stückzahl auf der Plattform zu haben. Und wer selbst kreativ werden will: Mein intensiver SOMMER ART WORKSHOP „Verschiedene Techniken der Malerei“ findet am 5./6. Juli 2025 statt. Zwei Tage, mehrere Zugänge, direkt am Material. Acrylmalerei, Pastell und Collage. Ein Link ist auch im Design Store zu sehen.
Wie schwer oder leicht ist es gerade für Künstler*innen? Wie schwer oder leicht es für einzelne Künstler*innen gerade ist, kann ich pauschal nicht sagen – das ist individuell. „Schwer“ müsste man definieren. Was ich aber sagen kann, ist: Die Kunst- und Kulturszene als Ganzes hat es gerade sehr schwer. Für das Jahr 2025 wurden 131 Millionen Euro im Kulturbereich gekürzt. Das wirkt sich direkt und indirekt auf Stipendien aus, die oft gar nicht oder nur teilweise ausgezahlt werden. Auch Kunstprojekte, Bildungsprojekte und kulturelle Teilhabe-Angebote sind betroffen. Der Atelierbestand schrumpft, und damit verschwinden die Räume, die es braucht, um kreativ zu arbeiten. Die Zeit für kreative Prozesse verkürzt sich ebenfalls. Dazu kommt, dass kommunale Galerien, die seit 2016 Ausstellungshonorare für Künstler*innen gezahlt haben, dies nicht mehr tun. Es fehlt an Planungssicherheit – organisatorisch, zeitlich und finanziell. Das schlägt sich auf die Stimmung nieder und verstärkt die Krisen. Existentielle Krisen sind im künstlerischen Bereich nichts Neues, aber durch diese Kürzungen wird die Lage spürbar verschärft. Bis 2027 sind insgesamt 444 Millionen Euro an Kürzungen vorgesehen. Autsch!
Der Kunst- und Kulturbetrieb wird sich neue Strategien überlegen müssen. Besonders bitter ist, dass auch die kulturelle Teilhabe beschnitten wird. Die kostenlosen Museumssonntage fallen weg. Dabei hat die Praxis gezeigt, dass dieses Angebot funktioniert hat. Das bedeutet weniger Bildungsprogramme und weniger Publikum. Und das in einer Zeit, in der Kunst und Kultur nicht nur Balsam für die Seele sind, sondern auch Orte für Reflexion und Austausch bieten – Orte der Vielfalt und Toleranz, gerade jetzt in Zeiten von Hass, Hetze, Gewalt sowie Demokratiefeindlichkeit, Antisemitismus, Rassismus und Homophobie. Autsch, Autsch!
Stichwort Religion: Empfindest du gerade einen anderen Umgang mit dir aufgrund deiner jüdischen Herkunft? Ja, sicherlich nehme ich einen veränderten Umgang wahr – mal subtil, mal sehr direkt. In Zeiten zunehmender gesellschaftlicher Spannungen, insbesondere im Zusammenhang mit dem Nahostkonflikt, wird jüdische Identität oft politisch aufgeladen, obwohl sie eigentlich etwas sehr Persönliches ist. Plötzlich erhält diese jüdische Herkunft, die vorher weniger im Vordergrund stand – vor allem nicht in meinem künstlerischen Schaffen, das sich nicht über Religion definiert – eine neue Bedeutung. Ich weiß, dass jüdische Künstler*innen zunehmend mit Boykottforderungen, Ausladungen, verbalen Angriffen, Mobbing oder kritischen Nachfragen konfrontiert sind, die sich weniger auf ihre Kunst als auf ihre Herkunft beziehen, unabhängig von ihrer tatsächlichen Haltung oder Beteiligung. Diese Dynamiken verlaufen oft implizit, spielen aber eine Rolle in kuratorischen Entscheidungsprozessen und können die Rezeption künstlerischer Arbeiten beeinflussen. Ergo werden künstlerische Arbeiten durch äußere Faktoren gelesen und interpretiert, auch meine, die im weltlichen, kulturellen Kontext der Zeit stehen. Die Kunstszene ist kein neutraler Raum, sondern spiegelt gesellschaftliche Dynamiken wider. Was oft fehlt, ist die Unterscheidung zwischen Individuum und politischer Zuschreibung. Andererseits erlebe ich auch eine Art Tokenisierung – Künstler*innen werden eingeladen, wenn das ‚jüdische Thema‘ und Religion gerade passt. Die Identität wird kuratorisch oder thematisch „mitverwertet“, was manchmal verwirrend ist, da ich nicht religiös bin und meine künstlerische Arbeit unabhängig von Glaubensfragen sehe. Aber es gibt auch viele solidarische Stimmen und Räume, die sich bewusst gegen diesen Druck stellen und jüdischen Kulturschaffenden ermöglichen, ihre Perspektiven frei zu zeigen. Ein weiterer Punkt ist die Sicherheitslage. Es kommt vor, dass bei Ausstellungen Sicherheitsfragen thematisiert werden – ein berechtigter Umstand, der bezeichnend ist für das gegenwärtige Klima. Bei meiner letzten Ausstellung LILILALALAND in Eisenach kam die Frage auch auf, aber wir haben uns bewusst entschieden, die Veranstaltung unter den gleichen Bedingungen wie jede andere Veranstaltung durchzuführen. Es kamen rund 3000 Besucher*innen, und es verlief glücklicherweise alles ohne Zwischenfälle.
www.diklastern-store.com, „LILILALALAND“-Ausstellungskatalog – eBook Kindle: https://shorturl.at/UdIa7, „SOMMER ART WORKSHOP – Verschiedene Techniken der Malerei Berlin 2025“: https://shorturl.at/WXdSa, https://www.instagram.com/politicalsatiricalpopart, www.diklastern.com
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