
Foto: X. Sotomayor
Kevin Olusola wurde als stimmliche Multitalent – Cellist, Beatboxer, Sänger – der dreifach Grammy-prämierten A-cappella-Gruppe Pentatonix berühmt. Sein Solo-Debütalbum „Dawn of a Misfit” setzt sich mit Identitätsfragen und der Suche nach dem eigenen Platz im Leben auseinander. Ein Prozess, der laut Olusola 17 Jahre dauerte.
Der Begriff „Misfit”, der Außenseiter, zieht sich wie ein roter Faden durch Olusolas Erzählung über die Entstehung des Albums. Als klassisch ausgebildeter Musiker mit afrikanischen und karibischen Wurzeln kämpfte er mit dem Gefühl, „nie schwarz genug”, „nie afrikanisch genug”, nicht akademisch, kulturell oder gar „hip-hop genug” zu sein, um sich in den jeweiligen Szenen wirklich zugehörig zu fühlen, erzählte er im Videotalk mit „Godtube”. Selbst innerhalb von Pentatonix habe es Momente der inneren Zerrissenheit gegeben, fühlte sich anders als seine Kollegen, die oft aus dem Musical-Theater oder der Chormusik kamen – Hintergründe, die nicht die seinen waren. Das ständige Gefühl, nicht ganz hineinzupassen, nirgends vollständig integriert zu sein, nährte die Suche nach seiner wahren Identität und seinem Platz in der Welt und in der Musik. Musikalisch manifestiert sich das alles in einem Album, das Genregrenzen bewusst überschreitet. Klassische Musik bildet das Fundament, wird aber kunstvoll verwoben mit Pop, R&B, Hip-Hop und den Klängen seines kulturellen Erbes. Es ist eine Musik, die die Schönheit der Klassik zeigt, sie aber gleichzeitig durch die Linse seiner persönlichen Geschichte als „First Generation Person” bricht und neu kontextualisiert. Die Einflüsse reichen von Sting über Fela Kuti und Rachmaninow bis hin zu Shaboozey.
Anderssein als Superkraft
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Olusola erzählt in dem Videotalk, wie er sich immer wieder an Gott wandte mit den Fragen: „Warum bin ich hier? Was ist mein Zweck? Warum mache ich Musik?” Die Antwort, die sich über die Jahre herauskristallisierte, war demnach ebenso überraschend wie befreiend: Seine Bestimmung läge nicht darin, sich einer bestehenden Form anzupassen. Er erkannte, dass gerade die Dinge, die ihn das Gefühl gaben, ausgegrenzt oder „weird” zu sein, genau jene waren, die Gott in ihn gelegt habe – nicht als Schwäche, sondern als Zeugnis und als seine ganz persönliche „Superkraft”.
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Im Musikvideo zu „Dark Winter” wird die Idee bis zum Äußersten getrieben: Olusola und seine „Misfit Mafia” zerstören Celli, Gemälde und Statuen. Olusola betont, dass es hierbei nicht um eine Zerstörung der Vergangenheit an sich geht. Es sei „klassicher Punk” und ein symbolischer, „therapeutischer” Prozess. Und es habe Spaß gemacht.
Hier liegt der Kern des „Misfit”-Begriffs, wie Olusola ihn versteht und lebt: Es geht nicht um ein negatives Stigma, sondern um das bewusste, selbstbewusste und „unapologetische” Annehmen der eigenen Einzigartigkeit. Es bedeutet, all die verschiedenen Einflüsse und Identitätsanteile – den klassischen Cellisten, den Beatboxer, den Mann mit nigerianischen und grenadischen Wurzeln, den Pop-Künstler – nicht länger als Widerspruch zu sehen, sondern als Bausteine seiner individuellen künstlerischen Frequenz. Der ‚Dawn’ im Titel, das englische Wort für ‚Morgendämmerung’ oder ‚Anbruch’, symbolisiert dabei genau den Aufbruch, der in dieser Erkenntnis liegt: Es ist das Licht, das nach einer langen Nacht der Suche und des Zweifels aufgeht und den Weg zur Annahme des eigenen, einzigartigen Selbst erhellt.
sonymusic.de, www.instagram.com/kolusola
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