
Foto: Fredrik Bengtsson
Die Post-Punk-Indie-Rocker versuchen auf „Viagr Boys“ mit Härte der Realität zu trotzen. Doch obwohl auf dem neuen Album die rotzigsten Songs dagegenhalten – am Ende kommt man nicht daran vorbei, an dem, was in der Welt passiert, zu verzweifeln. Ein Gespräch mit dem eh immer leicht manisch wirkenden Frontmann Sebastian Murphy über neue Musik – und die Welt.
Auf dem vierten Album könnte alles Routine sein. Inklusive Mangel an Inspiration und Langeweile … Ich bin immer gelangweilt! Ich muss mich ständig dazu zwingen, irgendetwas zu machen. Aber bei diesem Album lief es ganz geschmeidig. Wir haben gute Routinen und jetzt unser eigenes Studio. Wir konnten jeden Tag hingehen, manchmal absolut nichts machen – und manchmal viel. Wir hatten Spaß – normalerweise streiten wir viel mehr. Aber wenn man Dinge so lange macht, werden sie einfacher.
Es könnte auch reizloser werden. Das Album ist total anders geworden! Neue Genres einfließen lassen, experimentieren – so bleibt es spannend.
Zum Beispiel der Mittelteil in „Best Of Show“, der purer, freier Lärm ist? Wir hatten den und zwei andere Songs, die erstmal sehr lange, instrumentale Stücke waren. Sowas passiert von selbst – die Jungs brauchen einfach den Raum zum Jammen. Wir wollen immer so einen psychedelischen Moment haben, damit niemand denkt, wir machen nur diese „Hits“. Wir genießen es, es den Leuten ein bisschen unbequem zu machen.
Ihr habt jetzt euer eigenes Label gegründet – was vor allem nach mehr Arbeit und Verantwortung klingt. Es ist eine gute Art von Verantwortung. Wir bauen unsere eigene Welt, und sie wird größer. Viagra Boys ist nicht mehr nur die Band – es ist auch Shrimptech Enterprises, diese mysteriöse Firma, die eigenartige Sachen macht. Bald werden wir vielleicht Musik unter anderen Namen veröffentlichen. Und ganz neue Projekte starten. Mehr Kunst, mehr Merch.
Also mehr Freiheit?Ja. Definitiv. Die Kontrolle über unseren kreativen Output zu haben, ist großartig.
Was ja bedeutet, dass ihr mehr Optimismus habt, als man eurer Musik anhört – sonst würde man ja keine Firma gründen. Wir wollen nach vorne gehen – mehr Musik, bessere Musik, egal wie die Welt gerade aussieht …
Mit der ihr euch trotzdem auseinandersetzen müsst, wenn ihr jetzt in die „neue“ USA reist … Nach den letzten Monaten … (seufzt) … was dort vor sich geht, ist der Horror. Aber wir spielen für die Menschen, die nicht an diese Entwicklungen glauben. Sie verdienen es, Musik zu hören – genauso wie sie Protest verdienen. Es ist wichtig, dort aufzutreten. Offensichtlich werden wir nicht mehr nach Russland gehen, aber als wir das letzte Mal dort waren – direkt vor dem Krieg – war das Land schon ein schrecklicher Ort, wenn du homosexuell warst oder die „falsche“ Meinung hattest. Genau deswegen war es notwendig, dort zu sein.
Es scheint: Je mehr Rechte im Westen erkämpft werden, desto stärker wird der Pushback – so stark, dass repressive Regime an die Macht kommen … Ich meine – das Erste, was Trump getan hat … Er hat immer von der Grenze geredet – aber das Einzige, was er wirklich getan hat, war, Transmenschen anzugreifen. Das war sein erster Schritt! Diese Typen denken anscheinend den ganzen Tag nur daran – sie hassen Queers und Transmenschen von morgens bis abends. Ich hätte nie erwartet, dass die über diese Themen so sehr den Verstand verlieren. Es ist doch wild, dass jemand so viel seiner Lebenszeit damit verbringt, sich über andere Menschen aufzuregen, die einfach nur ihr Leben leben. Ich begreife es nicht!
*Interview: Christian K. L. Fischer