Die britischen Konservativen drängen auf ein Ende der systematischen Erfassung sogenannter „Non-Crime Hate Incidents“ (NCHIs) durch die Polizei. Gemeint sind damit Vorfälle, die als feindselig oder diskriminierend gegenüber geschützten Gruppen wie Religion, Herkunft oder Geschlecht empfunden werden, jedoch keine Straftat darstellen. Nur noch in wenigen Ausnahmefällen sollen sie künftig überhaupt dokumentiert werden.
Die Tories treiben dazu eine Änderung der Crime and Policing Bill voran. Ihr Argument: Die Polizei müsse effizienter werden und sich auf „echte Kriminalität“ konzentrieren. Aktuelle Zahlen zeigen, wie verbreitet die Praxis bisher war: Laut Telegraph registrierten die Polizeibehörden in England und Wales seit 2014 über 133.000 solcher Vorfälle.
Parteichefin Kemi Badenoch sieht in der bisherigen Praxis laut BBC eine Ressourcenverschwendung. Der Einsatz von NCHIs sei „außer Kontrolle geraten“, weil Polizeikräfte sich nicht an aktualisierte Richtlinien gehalten hätten und „deshalb ist es an der Zeit, sie vollständig abzuschaffen“, so Badenoch. „Das Festhalten an Non-Crime Hate Incidents hat Polizeiressourcen verschwendet – wir jagen Ideologien und Missstände statt Gerechtigkeit“, kritisierte und forderte Premierminister Keir Starmer auf, „echte Polizeiarbeit über politische Korrektheit“ zu stellen. Laut neuer Richtlinie sollen die Beamten prüfen, ob eine Beschwerde „trivial“ war oder ob der Vorfall durch „absichtliche Feindseligkeit oder Vorurteile“ motiviert war.
Labour warnt vor gefährlicher Lücke
Die regierende Labour-Partei reagiert alarmiert. Polizeiministerin Diana Johnson nennt die Tory-Pläne „nicht umsetzbar“. Ohne umfassende Erfassung feindseliger Vorfälle könne die Polizei Antisemitismus und andere Formen von Rassismus nicht effektiv überwachen und frühzeitig eingreifen. Johnson erinnerte daran, dass die Konservativen schon 2023 die Standards gesenkt hatten, indem nur noch bei „klarer, absichtlicher Feindseligkeit“ und „echter Eskalationsgefahr“ dokumentiert werden sollte.
Innenministerin Yvette Cooper kündigte nun an, diese Beschränkungen teilweise rückgängig zu machen – gerade mit Blick auf antisemitische und islamfeindliche Taten. Labour wirft den Tories vor, sich jahrelang um das Thema gedrückt zu haben: „Sie hatten 14 Jahre Zeit, die Prioritäten zu setzen oder politische Änderungen herbeizuführen – und haben es versäumt“, so Johnson hinzu.
Besonders brisant: Die Erfassung dieser Hassdelikte wurde ursprünglich nach dem rassistischen Mord an Stephen Lawrence eingeführt, der sich dieser Tage zum 32. Mal jährt und in Großbritannien als Wendepunkt im Umgang mit Rassismus gilt. Dass ausgerechnet jetzt Änderungen angekündigt werden, erklären die Konservativen als „reinen Zufall“.

Foto: Carl Court / AFP
BRITAIN-MURDER-RACISM-TRIAL
Ein Gedenkstein an der Stelle, an der Stephen Lawrence im Jahr 1993 ermordet wurde, erinnert an das Hassverbrechen. Erst 2012 wurden zwei weiße Männer wegen des rassistischen Mordes an dem schwarzen Teenager verurteilt.