Die Macht wird neu verteilt in Berlin – und Jens Spahn (CDU) wird künftig ein zentraler Faktor sein: CDU-Chef Friedrich Merz kündigte am Montag in einer Vorstandssitzung an, den 44-jährigen Spahn als seinen Nachfolger an der Spitze der Unionsfraktion vorzuschlagen.

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Jens Spahn 2025
Unumstritten ist der frühere Bundesgesundheitsminister nicht – im Gegenteil, Spahn polarisiert. Gerade erst hat er der Partei eine schwierige Debatte über den Umgang mit der AfD beschert. Seit mehr als 20 Jahren ist Spahn in der Bundespolitik aktiv: als Parlamentarier, Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Gesundheitsminister. Er gilt als begabter Netzwerker, ist ein schlagfertiger Redner und hat einen ausgeprägten Willen zur Macht bewiesen. Spahn ist einer der wenigen, die in der Bundes-CDU gegen den Willen der langjährigen Kanzlerin Angela Merkel Karriere machen konnten. Auf dem CDU-Parteitag 2014 kandidierte er ohne den Segen der Parteiführung in einer Kampfabstimmung für das CDU-Präsidium – und wurde gewählt.
Provokation als Strategie: Spahns polarisierende Aussagen
Mit kalkulierten Provokationen machte der gelernte Bankkaufmann aus dem ländlichen Westmünsterland in der Folge auf sich aufmerksam. Mal machte er sich über die „elitären Hipster” in Berlin lustig, die in einer Art Parallelgesellschaft lebten, mal provozierte er mit Aussagen über die hohen Kosten des Sozialstaats. Ganz besonders arbeitete sich Spahn an Merkels liberaler Flüchtlingspolitik der Jahre ab 2015 ab. Der Zuzug vieler muslimischer Flüchtlinge werde Deutschland „ein ganzes Stück machohafter, gewaltaffiner, antisemitischer und religiös intoleranter” machen, schrieb Spahn damals. Bis heute zählt er zu den migrationspolitischen Hardlinern in der CDU.
Corona-Zeit als Wendepunkt: Vom gefeierten Minister zum „Feindbild”
Die Redaktion von männer* hatte damals die Gelegenheit, Jens Spahn ausführlich zu befragen.
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Das öffentliche Bild Spahns ist noch weitgehend von seiner Zeit als Gesundheitsminister geprägt. Die Corona-Pandemie sicherte ihm damals eine Dauer-Präsenz in den Medien. Zu Beginn der Krise stieg der umtriebige Minister zunächst zum beliebtesten Politiker in Deutschland auf - ehe er mit der langen Fortdauer der Pandemie in der Gunst abstürzte. Das Ministeramt war für Spahn ein Höllenritt. Er sei zum „Feindbild” von Corona-Leugnern und Verschwörungstheoretikern geworden, schrieb Spahn 2022 in seinem Buch über die Pandemie. Und weiter:
„Wie viele andere hat diese Zeit auch mich manchmal bis an mein Limit gebracht.”
Mit seinem Buch markierte Spahn einen Neuanfang. Er ließ die Gesundheitspolitik hinter sich und profilierte sich fortan als Wirtschaftspolitiker. Deshalb war er in den vergangenen Wochen auch als möglicher Bundeswirtschaftsminister gehandelt worden.
Spahn und die AfD: Ein neuer Kurs für die CDU?
Kurz vor Ostern sorgte Spahn erneut für Schlagzeilen, als er einen anderen Umgang mit der in Teilen als rechtsextremistisch eingestuften AfD forderte. Mit der nun zweitgrößten Fraktion im Bundestag müsse umgegangen werden wie „mit jeder anderen Oppositionspartei”, sagte er der „Bild”-Zeitung. Die Politik müsse anerkennen, „wie viele Millionen Deutsche die AfD gewählt haben”.
Dies sorgte postwendend für empörte Kritik beim künftigen Koalitionspartner SPD. Auch von CDU-Abgeordneten gab es Widerspruch. Für Merz, der in seiner künftigen Regierung mit den Sozialdemokraten offenen Streit wie in der Ampel-Koalition vermeiden will, könnte Spahn damit kein einfacher Fraktionschef werden.
Homosexualität und Karriere: Spahn als Ausnahmeerscheinung in der CDU
Spahn ist in vielerlei Hinsicht eine Ausnahmeerscheinung in der CDU-Führung. Schon 2012 machte er seine Homosexualität in einem „Spiegel”-Interview öffentlich. Im Dezember 2017 heiratete der CDU-Politiker seinen Lebensgefährten Daniel Funke. Bekommt Spahn den Posten des CDU/CSU-Fraktionschefs, wäre er wohl bestens positioniert für noch höhere Aufgaben. Für den 69-jährigen Merz und die vorangegangenen CDU-Kanzler Angela Merkel und Helmut Kohl war das Amt das Sprungbrett ins Kanzleramt. *Peter Wütherich / AFP / ck