„Der Bundestag ist ja nun kein Zirkuszelt“, posaunte Bundeskanzler Friedrich Merz in die „Maischberger“-Kameras, um Julia Klöckners Entscheidung zu verteidigen, die Regenbogenfahne am CSD nicht mehr am Reichstag zu hissen. Aber mal ehrlich, wer macht sich hier zum Clown, Fritze? Es ist Merz selbst, der mit dieser plakativen und abfälligen Äußerung eine Zirkusnummer der Verachtung inszeniert, die uns leider allzu bekannt vorkommt.

Grafik: KI
So stellt sich eine KI den Kanzler als Clown vor. Alles nur Spaß, Fritze. Selbstverständlich. Oder hast du uns einfach nur falsch verstanden?
Diese „Zirkuszelt“-Einlassung ist kein Ausrutscher, sondern Teil eines wohlbekannten Musters, des „Merz-Musters“ eben. Ein Muster, das durch gezielte Provokation, die Verbreitung von Falschinformationen und anschließende halbherzige Relativierungen gekennzeichnet ist. Erinnern wir uns an das Jahr 2020, als er Homosexualität unaufgefordert mit sexuellem Missbrauch von Kindern in Verbindung brachte. Oder an 2001, als er auf Klaus Wowereits Coming-out mit den Worten reagierte:
„Solange er sich mir nicht nähert, ist mir das egal.“
Das ist keine Toleranz, das ist Ignoranz und Distanz. Und jetzt soll das Parlament, das alle Bürger*innen repräsentieren soll, kein Platz für die Regenbogenfahne sein, die für die Vielfalt und die Rechte von Millionen Menschen steht?
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Gerade jetzt, wo queere Menschen wieder stärker Anfeindungen und Gewalt ausgesetzt sind – die gemeldeten Straftaten gegen LGBTIQ*-Personen sind 2023 um 50 % gestiegen –, ist Merz‘ Rhetorik nicht nur respektlos, sondern gefährlich. Der ehemalige Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach brachte es auf den Punkt:
„Die Regenbogenflagge ist kein Symbol für einen Zirkus. Sie steht für die Rechte von Menschen, die es heute wieder viel schwerer haben als noch vor Jahren.“
Und wer glaubt, es ginge hier um eine kleine Minderheit, der irrt gewaltig. Aktuelle Umfragen zeigen, dass sich zwischen 5 und 10 Prozent der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland als LGBTIQ* identifizieren, das sind schätzungsweise 4 bis 8 Millionen Menschen! Bei der Generation Z sind es sogar 12 Prozent, die sich als nicht-heterosexuell bezeichnen. Diese Zahlen belegen ein „rapides gesellschaftliches Coming-out“, und eine Politik, die dies ignoriert oder herabwürdigt, ist nicht nur rückwärtsgewandt, sondern auch realitätsfern.

Merz mag versuchen, am rechten Rand Applaus zu ernten, indem er die Sprache der AfD übernimmt – und das „Zirkuszelt“-Zitat ist übrigens keine Erfindung von ihm, sondern eines der AfD. Aber dieser „Brandbeschleuniger“ untergräbt die so oft beschworene Brandmauer zur AfD, anstatt sie zu stärken.
Der LSVD+ warf Merz vor, mit seiner Äußerung die queere Community zu verletzen. Dies sei eine „Entgleisung“, sagte LSVD+-Vorstand Andre Lehmann ZDFheute.de:
„Die Regenbogenfahne ist keine Zirkusplane, sondern ein universelles Symbol für Vielfalt und Menschenrechte. Ich möchte den Bundeskanzler daran erinnern, dass er von einer Verfolgtengruppe des Nationalsozialismus spricht, die auch noch in der Bundesrepublik lange Zeit unterdrückt und kriminalisiert wurde.“
Wenn der Kanzler die Bühne des Bundestages zur Manege für solche Sprüche macht, dann müssen wir uns nicht wundern, wenn der politische Diskurs immer mehr zur billigen Zirkusnummer verkommt. Es ist Zeit, dass der „Clown“ abtritt und Platz für eine Politik macht, die alle Bürger*innen mit Respekt behandelt. *Christian Knuth