Die CSD-Saison 2024/2025 wird von einer beispiellosen Welle des Hasses und der Gewalt überschattet, die eine neue, strategische und bundesweite Dimension angenommen hat. Die jüngsten Ereignisse sind keine unglücklichen Einzelfälle mehr: die Absage der CSD-Parade in Regensburg wegen einer „abstrakten Bedrohungslage“, gewalttätige Übergriffe auf ein Vielfaltsfest in Brandenburg oder massive Neonazi-Aufmärsche in Baden-Württemberg. Sie sind die sichtbaren Symptome des konzertierten Versuchs rechtsextremer und antidemokratischer Kräfte, queere Sichtbarkeit aus dem öffentlichen Raum zu verbannen.

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KI-Podcast CSDs im Fadenkreuz
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Die Amadeu Antonio Stiftung zählte für das Jahr 2024 bereits über 55 gezielte Störungen, Bedrohungen und Übergriffe auf CSD-Veranstaltungen – ein trauriger Rekord. Diese Attacken sind nicht nur eine Gefahr für die queere Community, sondern ein Frontalangriff auf die Versammlungsfreiheit und die Grundwerte unserer offenen Gesellschaft. Die Täter verfolgen dabei eine zweigleisige Strategie: psychologische Kriegsführung durch unkonkrete Drohungen, die zur Selbstzensur führen, und die physische Konfrontation durch organisierte Aufmärsche und rohe Gewalt.
Die perfide Taktik der „abstrakten Gefahr“
Der Hass hat eine besonders perfide Form angenommen. Statt direkter Konfrontation setzen Extremisten auf eine Taktik des asymmetrischen Terrors. Das Muster ist immer gleich: Eine vage, anonyme Drohung taucht in den sozialen Medien auf, die Polizei spricht von einer „abstrakten Bedrohungslage“ und wälzt die Verantwortung auf die ehrenamtlichen CSD-Veranstalter ab. So geschehen im Mai 2025 in Gelsenkirchen und Mönchengladbach (NRW), wo CSDs kurzfristig abgesagt oder Demos zu Kundgebungen reduziert wurden. Auch in Regensburg (Bayern) wurde die CSD-Parade für Juli 2025 wegen einer „abstrakten Bedrohungslage“ abgesagt, obwohl das Straßenfest stattfindet. Der CSD-Organisator Alexander Irmisch erklärte, dass die Parade an engen, schwer absicherbaren Gassen vorbeigeführt hätte, während das Straßenfest leichter zu sichern sei. Das Landeskriminalamt ermittelt in dieser Angelegenheit.

Foto: John MacDougall / AFP
CSD Berlin
Die Behörden erteilen keine offizielle Anordnung, sondern zwingen die Vereine in ein unlösbares Dilemma: die Sicherheit der Teilnehmenden riskieren oder vor einer unsichtbaren Bedrohung kapitulieren? Dies ist psychologische Kriegsführung, die einen lähmenden „Chilling Effect“ erzeugt. Verstärkt wird diese Angst durch das kollektive Trauma des tödlichen Angriffs auf Malte C. in Münster 2022. Seitdem ist jede Drohung, egal wie vage, mit der realen Möglichkeit tödlicher Gewalt verbunden.
Die Strategie in Düsseldorf im Februar 2025 war planvoller: Nach einer konkreten Drohung gegen eine CSD-Demo kurz vor der Bundestagswahl wurde diese abgesagt. Sofort starteten Rechtsextreme eine Desinformationskampagne und schoben die Schuld – fälschlicherweise – muslimischen Migranten zu. Erst wird der politische Gegner zum Schweigen gebracht, dann wird das Ereignis propagandistisch für rassistische Hetze ausgeschlachtet.
Der organisierte Hass auf der Straße
Während die Bedrohung in NRW und Bayern im Verborgenen wirkt, sucht die extreme Rechte in Ost- und Südwestdeutschland die offene Konfrontation. Die CSD-Saison 2024 war ein Wendepunkt. In Bautzen sahen sich 1.000 Demonstrierende einer brüllenden Masse von 700 Neonazis gegenüber. Die Abschlussparty musste aus Angst vor Gewalt abgesagt werden. In Leipzig versuchten 400 Rechtsextreme, die Pride zu stürmen, konnten aber durch konsequentes Polizeieingreifen gestoppt werden.

Foto: Ashkan Shabani / NurPhoto / AFP
Rechtsextreme Demo in Dresden
Getragen wird dieser Hass von etablierten Neonazi-Parteien wie „Der III. Weg“ und den „Freien Sachsen“. Besorgniserregend ist vor allem eine neue Generation junger, online-affiner und extrem gewaltbereiter Gruppen wie die „Elbland Revolte“. Für sie sind die Anti-CSD-Proteste identitätsstiftende Events, eine Art rechtsextreme Jugendkultur, deren martialische Bilder zur Rekrutierung auf TikTok und Instagram dienen. Sie normalisieren Hass und ziehen eine neue Generation von Extremisten heran.
Zuletzt attackierten vermummte Rechtsextreme ein Vielfaltsfest in Bad Freienwalde (Brandenburg) mit Schlagstöcken, wobei mindestens zwei Personen leicht verletzt wurden. Auch in Pforzheim protestierten etwa 90 Neonazis gegen den CSD. Das Aktionsbündnis Brandenburg kritisiert, dass solche Angriffe auf zivilgesellschaftliche und queere Veranstaltungen keine Einzelfälle sind. Die Amadeu Antonio Stiftung warnt, dass diese bewaffneten Angriffe zeigen, wie enthemmt die rechtsextreme Szene auftritt und ruft dazu auf, alle CSDs zu schützen. Auch in Dallgow-Döberitz wurde eine Regenbogenflagge angezündet , und in Cottbus wurde ein alternatives Wohnprojekt mit Pyrotechnik attackiert.
Dein persönlicher Aktionsplan: Was du jetzt tun kannst!
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1. Online-Solidarität: Gib Hass keine Chance
1. Online-Solidarität: Gib Hass keine Chance Widersprich aktiv Hassrede und Desinformation in den sozialen Medien. Teile positive, queere Inhalte und verstärke die Stimmen unserer Community. Melde Drohungen und Hetze konsequent den Plattform-Betreibern.
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2. Support your local Queers: Unterstütze Strukturen vor Ort
2. Support your local Queers: Unterstütze Strukturen vor Ort Spende für lokale LGBTQIA+-Organisationen oder bring dich ehrenamtlich ein. Kaufe bewusst in queeren oder queerfreundlichen Geschäften ein und stärke so die Community in deiner Stadt.
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3. Zeig Flagge: Sei bei CSDs und Events dabei
3. Zeig Flagge: Sei bei CSDs und Events dabei Nimm an CSDs und anderen queeren Veranstaltungen teil. Setze ein sichtbares Zeichen der Solidarität gegen Hass. Achte dabei auf deine Sicherheit, die Hinweise der Veranstalter und bleib informiert.
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4. Mach Druck auf die Politik: Kontaktiere Abgeordnete
4. Mach Druck auf die Politik: Kontaktiere Abgeordnete Wende dich an deine Abgeordneten und fordere sie auf, strengere Gesetze gegen Hasskriminalität zu erlassen und die Versammlungsfreiheit, besonders für CSDs, besser zu schützen. Unterschreibe relevante Petitionen!
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5. Aufklärung im Alltag: Sprich darüber!
5. Aufklärung im Alltag: Sprich darüber! Informiere dich über die Herausforderungen der Community und leiste Aufklärungsarbeit in deinem Umfeld. Sprich mit Familie, Freunden und Kollegen über die Bedeutung von Akzeptanz und tritt Vorurteilen entschieden, aber sicher, entgegen
Der bevorstehende Marzahn Pride am 21. Juni 2025 (blu berichtete) steht ebenfalls unter dem Schatten einer geplanten rechten Gegendemonstration. Die Veranstalter von Quarteera e.V. stehen im Austausch mit der Polizei und rufen zur besonderen Vorsicht auf. Sie betonen, dass der Pride kein bloßes Stadtfest ist, sondern auch in Berlin homophobe und fremdenfeindliche Menschen versuchen, die queere Community einzuschüchtern. Dennoch sind sie überzeugt: „Stolz, Liebe und gegenseitige Unterstützung sind stärker als Angst“.
Ein Angriff auf die Demokratie
Ob psychologischer Terror oder physische Konfrontation – beide Strategien verfolgen dasselbe Ziel. Queerfeindlichkeit dient der extremen Rechten als „Brückenideologie“, um an konservative und autoritäre Milieus anzuknüpfen. Unter dem Deckmantel des „Kinderschutzes“ oder der Verteidigung der „Tradition“ wird gegen die offene Gesellschaft mobil gemacht. Der CSD als Symbol für Vielfalt, Toleranz und Selbstbestimmung ist ihr zentrales Feindbild. Ein Angriff auf den CSD ist daher immer ein Angriff auf die Demokratie selbst.
Doch die Community und ihre Verbündeten wehren sich. Gerade in Sachsen entsteht eine „Jetzt-erst-recht“-Bewegung. Immer mehr CSDs werden in Kleinstädten gegründet, gestärkt durch Solidarität aus den Metropolen. Sie werden zu leuchtenden Zeichen des demokratischen Widerstands.
Die Lage ist aber ernst. Der Staat muss eine proaktive Schutzgarantie für CSDs aussprechen und die Verantwortung nicht länger auf Ehrenamtliche abwälzen. Anonyme Online-Hetze muss konsequent verfolgt werden. Vor allem aber braucht es den Schulterschluss aller demokratischen Kräfte. Denn wenn unsere Freiheit auf der Straße verteidigt werden muss, ist es die Freiheit aller, die auf dem Spiel steht.