„Die Zeiten ändern sich, und wir ändern uns in ihnen“ ist ein Sprichwort, das auf den römischen Dichter Ovid zurückgeht. Heute sagt man kurz: Zeitenwende. Seit dem russischen Überfall auf die Ukraine ist der Krieg in Europa und damit auch in den Köpfen der deutschen Politik und Gesellschaft angekommen. Damit einher gehen Bemühungen um die Aufrüstung der Bundeswehr, die man nach dem Ende des Kalten Krieges zur Nachtwächter-Armee zusammengestrichen hatte und der durch die Aussetzung der Wehrpflicht ihre gesellschaftliche Verankerung genommen wurde. Um die deutschen Streitkräfte für die absehbaren Herausforderungen der Zukunft zu ertüchtigen, überschüttet man sie mit Sondervermögen und wirbt händeringend um Personal. Wie die Privatwirtschaft und der öffentliche Dienst kann auch die Bundeswehr dabei nicht auf den lesbisch-schwulen Teil der Bevölkerung verzichten. Auf den Internetseiten des Bundesverteidigungsministeriums liest man einen erstaunlichen Satz: „Die deutschen Streitkräfte bekennen sich zu Toleranz und Vielfalt.“
Ruhe im Glied!
Das war nicht immer so. Offen homosexuelle Soldat*innen wurden ab der Gründung der Bundeswehr systematisch diskriminiert. Sie galten als Sicherheitsrisiko und hatten keine Chance auf eine Karriere, wenn ihre sexuelle Orientierung bekannt wurde. Ein Erlass aus dem Jahr 1984 verhinderte Beförderungen, verbot ihnen die Dienststellung eines Vorgesetzten oder Ausbilders und wurde im Jahr 2000 nur auf Druck des Bundesverfassungsgerichts aufgehoben. Bis heute leiden Betroffene unter den psychischen Folgen und teils erheblichen finanziellen Benachteiligungen. Erst 2021 wurde ein Rehabilitierungsgesetz für queere Soldat*innen beschlossen.

mit KI erstellt
Dennoch fällt es den Militärs schwer, mit der Zeit zu gehen. Seit 2018 gibt es in Deutschland den Geschlechtseintrag „divers", und auch die Bundeswehr wirbt seitdem in ihren Stellenanzeigen mit dem Zusatz „(m/w/d)“, tat sich aber schwer, den Eintrag „divers“ auch im Personalwirtschaftssystem zu hinterlegen.
Wie sehr die rückständigen Denkmuster nachhallen, zeigte der Dienstherr jüngst einer Offizierin, die auf ihrem privaten Datingprofil „all genders welcome“ angegeben hatte, weshalb er an ihrer „charakterlichen Integrität“ zweifelte und aufgrund von „wahllosem“ und „promiskuitiven Sexualverhalten“ disziplinarische Schritte einleitete.

Foto: QueerBW
QueerBw ist seit 2002 die Interessenvertretung der lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans-, inter- und andersgeschlechtlichen Angehörigen der Bundeswehr. (Foto: QueerBW)
Trotz allem sind queere Menschen in den deutschen Streitkräften längst angekommen und etabliert. Schon seit 2002 gibt es den Verein QueerBw, die Interessenvertretung der LGBTIQ*-Angehörigen der Bundeswehr. Auch an den Tresen von Szene-Bars tauscht man sich über die eigenen Erlebnisse bei den Streitkräften mit einem lachenden und einem weinenden Auge aus. In diesem Jahr wählte der schwule Seniorentreff Café Karussell in Frankfurt „Kameradschaft und Homophobie“ sogar zum Monatsmotto.
Es hat sich also etwas gewandelt. Ob Pink und Oliv gut zueinanderpassen bleibt letztendlich also eine Stilfrage.