Die Stimmung? Trotz der repressiven Drohungen der Regierung: festlich, laut und unübersehbar regenbogenbunt! Die Teilnehmerzahlen übertrafen den bisherigen Rekord von 35.000 bei Weitem – und das, obwohl die Regierungskoalition extra Gesetze und die Verfassung geändert hatte, um die jährliche Parade unter dem Vorwand des „Kinderschutzes” zu verbieten.
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Das Rathaus als Alliierter in der Not
Ein 66-jähriger Teilnehmer namens Zoltan brachte es gegenüber AFP auf den Punkt:
„Ich bin stolz, schwul zu sein, und ich habe große Angst, dass die Regierung uns fertigmachen will. Ich bin sehr überrascht, dass so viele Leute da sind, ich möchte weinen.“
Orbáns peinliche Niederlage: „Große Blamage” für Fidesz
Orbán hatte noch am Freitag getönt, die Polizei werde die Pride zwar nicht auflösen, aber die Teilnehmer sollten sich der „rechtlichen Konsequenzen“ bewusst sein. Bis zu einem Jahr Knast für die Organisatoren, bis zu 500 Euro Strafe für die Teilnehmer – und ganz neu: Gesichtserkennung an den Laternenmasten entlang der Paradestrecke. Man möchte meinen, die ungarische Regierung hat sich bei Überwachungsmethoden von den ganz Großen inspirieren lassen.
Szabolcs Pek vom Iranytu Institute sieht die Lage so: Diese massive Beteiligung ist eine „große Blamage für Fidesz“. Und Regierungssprecher Zoltan Kovacs füllte dieses Bild auf X nach der Demo mit der Behauptung, die Opposition hätte die Parade „auf Befehl Brüssels“ inszeniert, um „woke Kultur“ aufzuzwingen perfekt.
Trotz kleinerer Störungen zu Beginn – die Polizei musste erst mal den Verkehr stoppen – war die Message eindeutig. Marcell Szanto, 22-jähriger Wirtschaftsstudent, sagte:
„Ich wollte unbedingt kommen, wenn auch nur, um meine Solidarität zu zeigen und zu zeigen, wie wichtig dieses Thema ist – nicht nur für mich, sondern für fast jeden in Budapest.“
Und Dutzende europäische Abgeordnete setzten ebenfalls ein Zeichen gegen das Verbot.
„Liebe kann nicht verboten werden”: Ein Ruf, der gehört wird
Ein riesiges Plakat am Rathaus, dem Startpunkt der Parade, sprach Bände: „Freiheit und Liebe können nicht verboten werden.“ Dem ist nichts hinzuzufügen. Auch EU-Chefin Ursula von der Leyen hatte im Vorfeld die ungarischen Behörden aufgefordert, das Verbot zurückzunehmen. Und 33 Nationen, darunter die meisten EU-Länder, sprachen sich ebenfalls für die Parade aus. Das kann Orbán noch so sehr als „ausländische Einmischung“ bezeichnen, das Volk hat sich unter Strafandrohung und gegen vermeintlichen Gemeinsinn für ein Votum mit den Füßen entschieden. Gegen eine Politik der Ausgrenzung.
Seit Orbáns Rückkehr an die Macht im Jahr 2010 hat Ungarn die Rechte von LGBTIQ*-Personen stetig zurückgedreht. Ungarn ist das erste EU-Land, das einen Pride-Marsch verbietet, und Orbán fühlt sich – oh Wunder – vom Anti-Diversity-Kurs Donald Trumps in den USA bestärkt.
Klar, ein paar Ewiggestrige mit Holzkreuzen und Protestbotschaften fanden sich auch ein, um gegen LGBTIQ*-Rechte zu demonstrieren. Doch der Oppositionsführer Peter Magyar fasste es auf Facebook perfekt zusammen: Die Regierung hat mit ihrem Verbotsversuch „kein Tor, sondern ein riesiges Eigentor geschossen“. Und Budapests Bürgermeister Gergely Karacsony bedankte sich angesichts der hohen Teilnehmerzahl trocken bei Orbán „für die Werbung für eine tolerantere Gesellschaft“.
Ein kleiner Wermutstropfen am Rande: Eine Frau namens Katalin fand das Ganze „ekelhaft“ und meinte, es sei „eine Modeerscheinung geworden, sich zur Schau zu stellen“. Nun ja, Katalin, manche Moden sind halt:
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*ck/AFP