Was ist der QueerHistory Month?

Der QueerHistory Month (QHM) findet jedes Jahr vom 1. bis 31. Mai statt. 2024 habe ich in Hamburg die erste Ausgabe organisiert. 2025 ist das Team schon auf drei Personen gewachsen. Ziel ist es, queere Geschichte sichtbar zu machen und durch verschiedene Veranstaltungen Raum für Austausch, Erinnerung und Empowerment zu schaffen. Geschichte ist nicht nur rückblickend wichtig, sondern auch als Orientierung für die Zukunft.
In einer Zeit, in der queere Rechte immer wieder infrage gestellt werden, wollen wir mit dem QHM eine Plattform schaffen, die Wissen vermittelt, Dialoge anregt und queere Narrative stärkt.
„Unser Ziel ist es, queere Geschichte dauerhaft in das kulturelle Gedächtnis der Stadt einzuschreiben.”
Gab es Vorbilder für euren QHM?
Ja, ich habe mich intensiv mit dem QHM in Berlin ausgetauscht, der dort zehn Jahre lang lief. Leider wurde er 2025 aufgrund fehlender Fördermittel gestrichen. In Hamburg haben wir das Projekt aus der Community heraus ins Leben gerufen und arbeiten vollständig ehrenamtlich. Das unterscheidet uns strukturell vom Berliner Modell, das mit Fördergeldern des Senats finanziert wurde. Trotzdem gab es zwischen beiden Städten einen engen Austausch und gegenseitige Unterstützung, insbesondere im ersten Jahr unseres Bestehens.
Wie entwickelt ihr das Programm?
Unser Ansatz ist partizipativ: Wir setzen Impulse, aber die inhaltliche Gestaltung liegt bei den Akteur innen. Einzelpersonen, Organisationen oder Gruppen können sich mit eigenen Veranstaltungen beteiligen. Dadurch entsteht eine thematische Vielfalt, die von Stadtführungen und Lesungen über Filmvorführungen bis hin zu kreativen Workshops reicht. Unser Ziel ist es, möglichst viele Perspektiven einzubeziehen und auch jüngeren Generationen einen Zugang zu queerer Geschichte zu ermöglichen.
„Geschichte ist nicht nur rückblickend wichtig, sondern auch als Orientierung für die Zukunft.”
Gibt es einen thematischen Schwerpunkt für dieses Jahr?
Ja, unser Fokus liegt in diesem Jahr besonders auf jungen Menschen zwischen 16 und 25 Jahren. Wir kooperieren mit dem PHOENIX festival und erarbeiten in einer Workshopreihe mit dem Titel Holy Homophobia ?! ein Theaterstück zu Homophobie, Kolonialgeschichte und Rassismus. Begleitend dazu gibt es Veranstaltungen wie eine queere Stadtführung speziell für junge Menschen. Der Queere Buchclub setzt sich mit Kampala - Hamburg: Roman einer Flucht von Lutz van Dijk auseinander. Diese Angebote sollen aufzeigen, wie eng queere Geschichte mit anderen gesellschaftlichen Themen verknüpft ist und dass unsere Community immer in größere Kontexte eingebunden ist.
Wie wichtig ist das Erinnern an historische queere Verfolgung?
Erinnerungskultur ist ein zentraler Bestandteil unseres Projekts. Uns geht es nicht nur darum, an Verfolgung und Diskriminierung zu erinnern, sondern auch darum, queere Errungenschaften und Kämpfe sichtbar zu machen. Geschichte ist eine Quelle der Inspiration und Motivation. Wir wollen aufzeigen, wie queere Menschen in der Vergangenheit für ihre Rechte gekämpft haben, um daraus Kraft für gegenwärtige und zukünftige Herausforderungen zu schöpfen.
Siehst du Parallelen zwischen den historischen Mechanismen der Diskriminierung und heutigen gesellschaftlichen Entwicklungen?
Definitiv. Die Muster der Ausgrenzung wiederholen sich. Ob es um queerfeindliche Gesetze, Rassismus, Misogynie, Sexismus oder andere Formen der Diskriminierung geht – immer wieder werden Gruppen stigmatisiert, entrechtet und aus der Gesellschaft gedrängt. Deshalb ist es so wichtig, Geschichte sichtbar zu machen, um ein besseres Verständnis für heutige Entwicklungen zu gewinnen. Gerade in einer Zeit, in der rechtspopulistische Bewegungen an Einfluss gewinnen, ist queere Erinnerungskultur ein wichtiger Bestandteil des gesellschaftlichen Widerstands.
Wie erreicht ihr Menschen außerhalb der queeren Community?
Durch Angebote, die einfach Spaß machen, wie z.B. ein Kneipenquiz mit queer-historischen Fragen oder durch Kooperationen mit kulturellen Einrichtungen. Auch die Hamburger Kunsthalle ist mit einer Sammlungsführung beteiligt, die Kunst aus einer queeren Perspektive betrachtet. Solche Veranstaltungen bieten eine Möglichkeit für Menschen, sich auf einer kulturellen Ebene mit queerer Geschichte auseinanderzusetzen. Sichtbarkeit und Dialog sind zentrale Aspekte unserer Arbeit – wir wollen nicht nur die queere Community erreichen, sondern auch Allies und die breitere Stadtgesellschaft.
„Die Muster der Ausgrenzung wiederholen sich.”
Erhaltet ihr finanzielle oder strukturelle Unterstützung von der Stadt?
Nein, wir sind nicht staatlich gefördert. Wir leisten unsere Arbeit ehrenamtlich. Aber ganz ohne Support geht es nicht: Hamburg Pride unterstützt uns als Kooperationspartner. Hamburg Tourismus bewirbt unsere Veranstaltungen über ihre Kanäle und organisiert eigene Formate, was ebenfalls eine wertvolle Unterstützung ist und viel Sichtbarkeit erzeugt. Der Freiraum im MK&G stellt uns kostenlos den Raum zur Verfügung. Für diese unterschiedlichen Unterstützungen bedanken wir uns!
Welche Rolle spielt Community-Zusammenhalt für den QHM?
Eine entscheidende! Ohne das Engagement vieler Einzelpersonen und Organisationen wäre der QHM nicht möglich. Menschen bringen sich mit Veranstaltungen, Werbung oder organisatorischer Unterstützung ein. Besonders beeindruckend ist die Bereitschaft zur Zusammenarbeit. Viele Institutionen, wie die Aidshilfe Hamburg, das Frauen- und Lesbenarchiv DENKIRÄUME, das HIQFF, unterstützen uns, indem sie für uns werben oder Veranstaltungen mit queer-historischem Fokus gestalten. Die Bücherhallen Hamburg oder das Büchercafé Kapitel III bauen thematische Büchertische auf. Das zeigt, dass der QHM nicht das Projekt Einzelner ist, sondern von vielen Schultern getragen wird.
Was wünschst du dir für die Zukunft des QHM?
Wir möchten, dass der QHM weiter wächst und sich langfristig in Hamburg etabliert. Wir hoffen, dass immer mehr Menschen sich beteiligen, sei es als Besucherinnen oder Veranstalter*innen. Unser Ziel ist es, queere Geschichte dauerhaft in das kulturelle Gedächtnis der Stadt einzuschreiben und einen festen Platz in der öffentlichen Wahrnehmung zu schaffen. Dazu gehört auch, dass wir weiterhin Netzwerke aufbauen und uns mit anderen Städten und internationalen Initiativen austauschen.
Was möchtest du abschließend noch los werden?
Ein riesiges Dankeschön an alle, die den QHM möglich machen – sei es durch aktive Beteiligung, organisatorische Unterstützung oder das Teilen von Wissen. Es ist beeindruckend zu sehen, wie viele Menschen bereit sind, sich für queere Geschichte zu engagieren. Diese Energie zeigt, dass wir als Community stark sind und gemeinsam viel bewirken können. Wer sich einbringen möchte, ist herzlich eingeladen, den QHM mitzugestalten!
*Interview: Christian Knuth