Im Vorfeld des Pride Month im Juni hat ILGA World neue Daten und Karten veröffentlicht, die zeigen, wie sich Gesetze weltweit auf die LGBTIQ*-Community auswirken.
„Obwohl Pride auch in anderen Monaten des Jahres weltweit gefeiert und anerkannt wird, sind der Juni und der Pride Month wichtige Momente, um die Fortschritte und Herausforderungen der LGBTIQ*-Gemeinschaften weltweit sichtbar zu machen“, erklärte Julia Ehrt, Geschäftsführerin von ILGA World, in der Pressemitteilung.
„In den letzten 12 Monaten haben LGBTIQ*-Bewegungen mehrere Rückschläge erfahren: Einfrieren von Entwicklungshilfen und Kürzungen von Finanzmitteln, rechtsextreme und autoritäre Bewegungen und Regierungen, die unsere Gemeinschaften für politische Zwecke ins Visier nehmen, sowie ständige Bemühungen, multilaterale Institutionen zu schwächen. Die Errungenschaften des letzten Jahrzehnts in Bezug auf Geschlechtergleichstellung, körperliche Selbstbestimmung, die Rechte von LGBTIQ*-Personen und die Rechenschaftspflicht von Regierungen sind bedroht. Sie müssen und werden verteidigt werden.“
Wie die Daten aus der ILGA World Database zeigen, haben LGBTIQ*s weiterhin Schwierigkeiten, ihre Grundrechte wahrzunehmen. Die Bedrohungen für ihr Leben und ihre Würde haben insbesondere in den letzten Monaten sogar noch zugenommen, wenngleich auch inmitten dieser schweren Krise weiterhin Fortschritte erzielt wurden.
- 64 UN-Mitgliedstaaten stellen einvernehmliche gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen unter Strafe. In 7 UN-Mitgliedstaaten ist die Todesstrafe die gesetzlich vorgeschriebene Strafe für einvernehmliche gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen. In 5 weiteren Staaten besteht keine vollständige Rechtssicherheit.

Quelle: database.ilga.org
In 64 UN-Mitgliedstaaten stehen einvernehmliche gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen unter Strafe.
- Mindestens 61 UN-Mitgliedstaaten haben Gesetze, Vorschriften und Regelungen, die die Meinungsfreiheit in Bezug auf Fragen der sexuellen und geschlechtlichen Vielfalt einschränken.
- In mindestens 61 UN-Mitgliedstaaten gibt es rechtliche Hindernisse für die Versammlungsfreiheit, wenn es um die Registrierung und den Betrieb von Organisationen geht, die sich offen für die Rechte von LGBTIQ*-Personen einsetzen.
- 17 UN-Mitgliedstaaten haben ein landesweites Verbot für sogenannte „Konversionstherapien“. Darüber hinaus gibt es in 7 Ländern indirekte Vorschriften und in 6 Ländern nur subnationale Verbote.
- Die Gleichstellung der Ehe ist in 37 UN-Mitgliedstaaten und Taiwan Realität.

Quelle: database.ilga.org
37 UN-Mitgliedstaaten und Taiwan haben die Ehe für alle eingeführt.
- 9 UN-Mitgliedstaaten verbieten nicht lebensnotwendige medizinische Eingriffe an intersexuellen Kindern; 2 haben Beschränkungen auf subnationaler Ebene erlassen.
- 18 UN-Mitgliedstaaten erlauben die rechtliche Anerkennung des Geschlechts auf der Grundlage der Selbstbestimmung auf nationaler Ebene.

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In lediglich 18 UN-Mitgliedstaaten ist die rechtliche Anerkennung des Geschlechts auf der Grundlage der Selbstbestimmung auf nationaler Ebene gewährleistet.
Weitere Daten und Karten (u. a. zu Schutz vor Diskriminierung, Gesetzen gegen Hassverbrechen, Verbot der Aufstachelung zum Hass und Adoption durch gleichgeschlechtliche Paare) sind in der ILGA World Database verfügbar.
Wichtige Entwicklungen in den letzten 12 Monaten
Im Juni 2024 haben Dominica und Namibia einvernehmliche gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen entkriminalisiert. Die Ehe für alle wurde in Thailand und Liechtenstein Realität. Die letzte verbliebene „LGBT-freie Zone“ in Polen fiel schließlich. Über eine Million Menschen haben eine Bürgerinitiative zum Verbot sogenannter „Konversionsmaßnahmen“ in der gesamten Europäischen Union unterschrieben.
Neben diesen positiven Entwicklungen sind LGBTIQ*-Communitys – insbesondere Frauen, Trans- und Intersexuelle – mit einer beispiellosen Welle von Angriffen konfrontiert.
Weltweit mussten Organisationen aufgrund von Hilfsstopps und Mittelkürzungen ihre Arbeit einstellen. Mali hat einvernehmliche gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen unter Strafe gestellt, und Trinidad und Tobago hat seine Entkriminalisierungsentscheidung rückgängig gemacht. Im Vereinigten Königreich hat der Oberste Gerichtshof die Definition des Begriffs „Frau“ für das Gleichstellungsgesetz eingeschränkt. Georgien hat ein umfassendes Verbot aller Formen der Darstellung und Versammlung von LGBTIQ*s eingeführt. Ungarn hat seine Verfassung geändert, um LGBTIQ*-Versammlungen zu verbieten, zu behaupten, dass „ein Mensch entweder männlich oder weiblich ist“, und den Schutz der Geschlechtsidentität aufzuheben.
In den Vereinigten Staaten tragen Gesetzesvorlagen und Durchführungsverordnungen dazu bei, trans- und intersexuellen Menschen unter dem falschen Vorwand der „Verteidigung von Frauen“ das Leben unmöglich zu machen. In Vanuatu könnte die Verfassung bald geändert werden, sodass nur noch zwei Geschlechter bei der Geburt anerkannt werden. In Peru hat der Nationalkongress ein Gesetz verabschiedet, das eine Gefängnisstrafe für „jeden, der Jugendliche mit Inhalten über sexuelle Vielfalt konfrontiert“ vorsieht. In Argentinien hat die Regierung das nationale Gesetz zur Geschlechtsidentität durch eine Exekutivverordnung geändert, deren Rechtmäßigkeit derzeit angefochten wird und die den Zugang zu geschlechtsbejahender Versorgung für Personen unter 18 Jahren verbietet.
Erhebliche Kürzungen der finanziellen Mittel
Da sich die weltweite Finanzierung von LGBTIQ*-Rechten verschiebt und große Stiftungen seit 2024 ihre Unterstützung zurückfahren und die staatlichen Mittel gekürzt werden, sind wichtige LGBTIQ*-Daten und von der Community durchgeführte Forschungsarbeiten ernsthaft gefährdet.
„Weltweit, aber insbesondere in den Vereinigten Staaten, sind viele Unternehmen wegen ihrer Unterstützung von Pride- und LGBTI-Bewegungen insgesamt unter Beschuss geraten, aus Angst vor einer Gegenreaktion gegen ihre seit langem etablierten Richtlinien zu Vielfalt, Gleichberechtigung und Inklusion (DEI)“, sagte J. Andrew Baker, Manager – Fundraising und MEL bei ILGA World. Und weiter:
„Diese Angriffe haben zu einem plötzlichen Rückzug von Unternehmenspartnern und finanzieller Unterstützung geführt, was schwerwiegende Folgen für zivilgesellschaftliche Organisationen auf allen Ebenen hat. Unternehmen, staatliche Geldgeber und private Wohltäter müssen sich stärker engagieren, wenn sie sich wirklich für eine gerechtere und gleichberechtigtere Welt einsetzen wollen.“
Ressourcen wie die ILGA World Database und Monitor sind unverzichtbare Werkzeuge für Journalist*innen und Medien, da sie verifizierte, aktuelle Daten für eine genaue und verantwortungsvolle Berichterstattung liefern und somit eine wichtige Quelle zur Dokumentation von Gesetzen, Rechten und Lebensrealitäten weltweit darstellen. Doch ILGA benötigt dringend mehr Unterstützung durch Einzelpersonen und philanthropische Organisationen. Ohne neue Finanzmittel könnten diese und andere wichtige LGBTIQ*-Datenquellen verschwinden, wodurch Jahrzehnte des Fortschritts zunichte gemacht und marginalisierte Gemeinschaften zum Schweigen gebracht würden.
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