Hendrik Streeck, der allen aus Pandemie-Zeiten bekannte Virologe – uns Queers schon davor aus PrEP-Debatten – und neuerdings CDU-Bundestagsabgeordnete, ist der neue Bundesdrogenbeauftragte. Eine Überraschung, die in der queeren Community – und darüber hinaus – für reichlich Gesprächsstoff sorgt. Denn die Personalie hat es in sich: Sie bietet vielversprechende Potenziale – aber wirft auch Fragen auf.

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Hendrik Streeck beim Literaturfestival lit.Cologne 2025
Schwul sein ist immer noch gut so !
Fangen wir mit dem Positiven an, und das ist nicht wenig: Streeck ist, und das ist für uns als queer-Magazin besonders relevant, offen schwul. Das ist mehr als nur ein symbolisches Statement. Eine offen queere Person in einer so prominenten Regierungsposition kann immenses Vertrauen in unserer Community aufbauen. Wir wissen alle, wie tief das Misstrauen gegenüber „offiziellen Institutionen“ sitzt, gerade wenn es um Gesundheit und Drogen geht. Streeck könnte hier eine Brücke bauen, die bisher fehlte. Er versteht aus eigener gelebter Erfahrung die sozialen und psychologischen Faktoren, die unseren Drogenkonsum beeinflussen können – sei es in sozialen Umfeldern, als Bewältigungsmechanismus für Diskriminierung oder die Auswirkungen internalisierter Homophobie. Das ist Gold wert für eine effektive Politikgestaltung, die nicht am Elfenbeinturm endet.
PrEP, STI und BRAHMS
Hinzu kommt seine unbestreitbare wissenschaftliche Expertise. Als Direktor des Instituts für Virologie und HIV-Forschung an der Universität Bonn ist er kein unbeschriebenes Blatt. Seine umfassende Forschung im Bereich HIV und sexuell übertragbarer Infektionen (STIs), inklusive der Präexpositionsprophylaxe (PrEP), ist von direkter Relevanz für uns (m* Interview mit Streeck). Seine Beteiligung an der bisher größten Studie zur Verbreitung von STIs unter Männern, die Sex mit Männern haben (MSM) – die BRAHMS Studie – war wegweisend.

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Hendrik Streeck beim Literaturfestival Köln 2025
Und auch Chemsex, das Zusammenspiel von Sex und Drogen, ist ein wachsendes und komplexes Thema in unserer Community, das direkt mit HIV-/STI-Übertragungen verbunden ist. Streecks Wissen könnte hier zu evidenzbasierten Interventionen führen, die wir dringend brauchen – ein Anliegen, das Organisationen wie die Aidshilfe oder die Schwulenberatung Berlin seit Langem vorantreiben.
Nina Warken und Hendrik Streeck: Dreamteam?
Und die Nachfolgerin von Karl Lauterbach? Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) betont, Streecks medizinischer Hintergrund werde die oft „emotional aufgeladene Drogendebatte versachlichen“. Und wer könnte das besser als ein Wissenschaftler, der sich auf Fakten konzentriert, statt auf moralische Keulen?

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Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU)
Streeck selbst hat versprochen, „nicht mit dem Zeigefinger mahnen, sondern helfen, aufklären und handeln“ zu wollen und eine „menschenzugewandte Drogenpolitik“ zu verfolgen. Das klingt vielversprechend und deckt sich mit dem, wofür viele progressive Gesundheits- und Queer-Organisationen kämpfen: eine Abkehr von reiner Abstinenzpropaganda hin zu Schadensminderung und Empowerment. Sein Fokus auf dem Schutz der „Schwächsten“ könnte sich logischerweise auf vulnerable Segmente der queeren Gemeinschaft erstrecken, die mit verstärkter Marginalisierung konfrontiert sind.
Aber jetzt kommt das „aber”
Auch der strahlendste Hoffnungsträger hat seine blinden Flecken. Streecks Partei, die CDU, steht explizit für eine Rekriminalisierung von Cannabis. Und auch er selbst soll Berichten zufolge gegen die Legalisierung sein. Das steht im Widerspruch zu den Forderungen vieler Schadensminderungsbefürworter und großer Teile der queeren Community, die sich für Entkriminalisierung und regulierte Märkte aussprechen. Die bevorstehende „ergebnisoffene Evaluierung“ des Cannabisgesetzes wird ein Gradmesser sein: Wird Streecks „evidenzbasierter“ Ansatz durch Parteilinien und konservative Ansichten eingeschränkt, oder setzt er auf die wissenschaftliche Erkenntnis, dass regulierte Märkte Schäden reduzieren können? Das wird zeigen, ob Wissenschaft oder Parteidogma die Oberhand gewinnen.
Was bleibt festzuhalten?
Hendrik Streeck bringt eine einzigartige Kombination aus wissenschaftlicher Expertise und gelebter queerer Identität mit, die das Potenzial hat, die Drogenpolitik in Deutschland nachhaltig zu verändern – im besten Sinne. Er könnte ein starker Befürworter von Schadensminderungsstrategien sein und das Vertrauen in der queeren Community stärken. Seine Ernennung ist definitiv ein Signal, das wir positiv bewerten sollten. Die Frage ist nun, wie konsequent er die Chancen nutzen wird, die sein Amt und seine Person bieten. männer* bleibt für euch dran.